Kirchheim

Aus „to go“ wird jetzt „to return“

Mehrweggeschirr In Kirchheim fällt morgen der offizielle Startschuss für das „Re-Circle“-System: Etliche Betriebe bieten Essen zum Mitnehmen an – und das passende Geschirr zum Zurückgeben. Von Andreas Volz

Oberbürgermeister Pascal Bader (ganz vorne) unterstützt die Kirchheimer Anbieter des „Re-Circle“-Systems.Fotos: Carsten Riedl
Oberbürgermeister Pascal Bader (ganz vorne) unterstützt die Kirchheimer Anbieter des „Re-Circle“-Systems.Fotos: Carsten Riedl

Weilheim hat es schon vorgemacht - und jetzt zieht auch Kirchheim nach: Am morgigen Donnerstag geht das Mehrweggeschirr- und -pfandsys­tem „Re-Circle“ offiziell an den Start. Die Idee ist ganz einfach: Es gibt unterschiedliche Behälter, in die man sich Lebensmittel einfüllen lassen kann - sei es Wurst fürs Vesper oder ein gekochtes Mittag­essen. Wer es gleich nach Gebrauch zurückbringt, muss das Geschirr noch nicht einmal spülen. Wer es erst nach einem oder gar mehreren Tagen wieder abgibt, sollte es zuvor einem Spülgang unterziehen. In jedem Fall aber erhält man die zehn Euro Pfand bei der Abgabe wieder retour, es sei denn, man nimmt gleich das nächste Essen im nächsten Behälter mit.

Das System klingt nicht gerade nach etwas aufregend Neuem, als hätte jemand so etwas Epochales wie das Rad erfunden. Und doch ist es in gewisser Weise revolutionär: Das Besondere ist nämlich der Zusammenschluss möglichst vieler Restaurants, Cafés, Metzgereien oder Bäckereien. Wenn sie alle das Geschirr ausgeben und auch wieder annehmen, entsteht ein echter Kreislauf. Und dieser Kreislauf steckt ja nicht ganz zufällig im Begriff „Re-Circle“.

Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader zeigt sich beim Pressegespräch im Fuchsen begeistert vom Kreislaufgeschirr: „Unser Ziel ist die Müllvermeidung. Und gerade in Corona-Zeiten habe ich den Eindruck, als habe der Verpackungsmüll deutlich zugenommen.“ Den beteiligten Unternehmen dankte er für ihre Bereitschaft, sich in schwierigen Krisenzeiten für das Mehrweggeschirr zu engagieren. „Wir wünschen uns, dass sich das wie ein Schneeballsystem ausbreitet. Unser Ziel ist, dass möglichst viele mitmachen.“

Wer von Anfang an dabei ist -ob bei „Re-Circle“ oder beim Bechersystem „Re-Cup“ - sprach gestern bei der Vorstellungsrunde über die Motivation oder bereits über erste Erfahrungen. ­Bettina Verlinden vom Café Adoro Gusto wollte bereits im Februar beginnen. „Aber dann kam Corona.“ Umso mehr freut sie sich, das Mehrwegsystem jetzt umsetzen zu können.

„Berge von Einweggeschirr“

Für Sandra Hornung vom Hofcafé Sulzburghof hat das Bewusstsein für die Problematik erst durch den Lockdown im Frühjahr so richtig eingesetzt: „Davor war der Außer-Haus-Verkauf für uns gar kein so großes Thema. Aber als wir geschlossen hatten, mussten wir uns Berge von Einweggeschirr zulegen.“ Damit soll nun Schluss sein, dank „Re-Circle“.

Auch Giuseppe Danzé von Pippo’s Pizza Express will Schluss machen mit Plastikbechern und Pizzakartons. Er glaubt fest daran, auch Pizzen im Mehrweggeschirr verkaufen zu können. Vom Pfand überzeugt er Kunden mit dem Hinweis: „Bei einem Kasten Bier zahlen Sie ja auch immer Pfand.“

Annette Frik-Dietrich von der Metzgerei Frik spricht von einem „Herzensanliegen“. Beim Wurstkauf hätten Kunden schon häufig eigene Behälter mitgebracht, beim Mittagessen ist das ein neues Phänomen. Für sie ist klar: „Irgendjemand muss ja mal anfangen.“

Die zehn Euro Pfand waren bei Diana Bothe im Café Hope schon bei den ersten Versuchen „kein Thema“. Sie weiß, dass es ein Gewöhnungsprozess ist: „Bei ,Re-Cup‘ habe ich anfangs auch immer meine Tasse vergessen. Aber man kann an sich arbeiten.“

Matthias Kübler (Hotel Fuchsen und Küblers Restaurant) freut sich darüber, künftig eigenes Geschirr zum Mitgeben vorrätig zu haben: „Was reinpasst, werden wir auf jeden Fall so anbieten. Bei einer Gans wird es etwas schwierig.“

„Weniger Müll“ - auf diese Formel bringt Giuseppe Bua vom Alten Forstamt sein Engagement für das „Re-Circle“-System.

Martin Lehmann vom Restaurant Queens setzt auf möglichst viele Partner und freut sich, dass er in unmittelbarer Nachbarschaft bereits einen Mitstreiter hat: Metzgerei und Gasthof Rössle.

Die Pioniere sind also bereit. Wenn ihnen der Erfolg recht gibt, kommt der Schneeball ins Rollen.

„Re-Circle“ ist schon weit verbreitet, braucht aber noch mehr Werbung

Einen großen Schritt bedeutet Kirchheims Engagement für das Mehrweggeschirr-System „Re-Circle“ mit Sitz in Stuttgart. Geschäftsführer Thorben Bechtoldt spricht von 200 Partnern in Deutschland. Wenn jetzt gleich zehn in Kirchheim dazukommen, ist das eine deutliche Steigerung. Generell ist das System in Baden-Württemberg gut vertreten - was Vorteile für jeden einzelnen Nutzer hat: Auf der Homepage von „Re-Circle“ finden sich im Ländle nur in Stuttgart und in Tübingen mehr Partner als in Kirchheim. Wer also sein Geschirr in Kirchheim mitnimmt, kann es auch am Neckar wieder abgeben - in Stuttgart oder auch in Tübingen. Und selbst die „schwäb’sche Eisenbahn“ ist gut vertreten. Partner von „Re-Circle“ gibt es außer in Stuttgart auch in Biberach und in Mecken­beuren. Deutschlandweit geht die Reichweite von Scheidegg an der österreichischen Grenze bis Husum - also bis kurz vor der Grenze zu Dänemark.

Nachbarländer sind ebenfalls vertreten. Die Homepage führt Innsbruck und Fieberbrunn in Österreich auf. Bei der Schweiz sind einzelne Nennungen weitaus schwieriger. Dort gibt es nämlich rund 1400 „Re-Circle“-Partner, was zeigt, dass die Schweizer in diesem Fall die Nase vorn haben. Letztlich sind sie damit auch ihrem eigenen Werbe-Ruf wieder einmal gerecht geworden: Die Schweizer haben das System erfunden. Deutschland hängt sich mit dran.

Klimaschutzmanagerin Beate Arman hofft, dass die Kirchheimer Betriebe, die zum offiziellen Start am morgigen Donnerstag dabei sind, noch möglichst viele Nachahmer finden. Wenn sich das auf ganz Deutschland ausdehnt, lässt sich sehr viel Verpackungsmüll einsparen: Allein die Verpackung fürs Außer-Haus-Essen beläuft sich jährlich auf über 360 000 Tonnen. Eine Werbemöglichkeit bietet das ZDF, das demnächst in Kirchheim Aufnahmen zu „Re-Circle“ macht.vol