Kirchheim
Autenrieth schließt: Familientradition endet ​​​​​​nach 141 Jahren

Räumungsverkauf Mangels Nachfolge haben sich die Geschwister Autenrieth schweren Herzens entschlossen, ihr gleichnamiges Haushaltswarengeschäft in Kirchheim bis Anfang Juni aufzugeben. Von Andreas Volz

Eine Kirchheimer Institution geht verloren: Das Haushaltswarengeschäft Autenrieth schließt seine Pforten. Letzter Verkaufstag ist der 4. Juni, der Samstag vor Pfingsten. „Wir machen dann ganz am Schluss noch einen Resteverkauf“, sagt Geschäftsführer Walter Autenrieth, „und was dann noch übrig ist, spenden wir.“

„Wir“, das sind außer Walter Autenrieth seine beiden Schwestern. Die drei Geschwister sind unterschiedlich lange im Familienunternehmen tätig – Renate Staiger seit 1964, Ulrike Autenrieth seit 1972 und Walter Autenrieth seit 1978.
 

Aufhören ist schlimmer als Anfangen.
Renate Staiger
zur Gefühlslage der drei Geschwister

Bereits ein Jahr nach dem Einstieg des Bruders wurde der Betrieb in eine GmbH umgewandelt. Weil drei Leute das Sagen haben, genügte für Entscheidungen die Zwei-Drittel-Mehrheit.

Das hat über die Jahre hinweg gut funktioniert: Der Erfolg gibt dem Geschwistertrio Recht. Mangelnder Erfolg ist nicht der Grund fürs Aufhören. „Die Zahlen sind gut“, betont Walter Autenrieth. Weder Corona noch Hochwasser konnte die Geschwister und ihr Mitarbeiterteam aus der Bahn werfen. Im Gegenteil: „Wegen Corona hatte zeitweise gar nichts mehr offen. Also haben die Leute gekocht und gebacken wie noch nie“, sagt Renate Staiger. Und was braucht man dazu? Artikel aus einem Haushaltswarengeschäft.

Das war bereits die Grundlage, als die Eltern Autenrieth 1953 die ehemalige Flaschnerei in der Max-Eyth-Straße endgültig in einen Haushaltswarenladen umwandelten. Margarete Autenrieth war die Tochter des Flaschners Richard Landauer. Zu dessen Aufgaben hatte es gehört, Ofenrohre zu fertigen. „Dazu hat er auch die Öfen vertrieben und sie gleich selbst gesetzt“, erzählt Walter Autenrieth. „Das waren Öfen mit Ring, wo man Töpfe eingesetzt hat. Wer einen Ofen gekauft hat, brauchte also auch den passenden Topf. Dazu brauchte man noch einen Schöpfer, Teller und Besteck.“

So hat sich aus der Flaschnerei ein Fachgeschäft für Haushaltswaren entwickelt. Ein folgerichtiges organisches Wachstum hat auch zur heutigen Größe des Geschäfts geführt. „Vier Gebäude kommen da zusammen“, stellt Ulrike Autenrieth fest. Deshalb ist jetzt die Suche nach einer Nachnutzung nicht ganz leicht. Rund 450 Quadratmeter Verkaufsfläche wollen „bespielt“ werden, von wem und wofür auch immer. Ulrike Autenrieth meint dazu: „Ein Aufteilen der Fläche wäre möglich, ist aber alles andere als leicht.“

Ans Aufteilen wurde lange Zeit nicht gedacht: 1881 hatte Urgroßvater Adolf Landauer seine Flaschnerei in Kirchheim gegründet, aus der der Laden hervorgehen sollte. Die Geschwister blicken also auf 141 Jahre Familientradition zurück. Grund für das Ende der Tradition ist das Alter der Geschwister: Walter Autenrieth, der jüngste im Trio, hat jetzt mit 65 Jahren das Alter erreicht, in dem viele in den Ruhestand gehen. „Die Suche nach einem Nachfolger war erfolglos. Deshalb hören wir jetzt auf. Die Entscheidung noch einmal zwei Jahre hinauszuzögern, hätte nicht viel gebracht.“

Allen drei Geschwistern fällt das Aufhören schwer. Renate Staiger bringt es auf den Punkt: „Des isch et oifach.“ Schwer fällt es auch, sich vom Team zu verabschieden. Die meisten sind der Firma ebenfalls schon seit Jahrzehnten treu verbunden. Die Autenrieths führen diese Verbindung auch darauf zurück, dass sie ihren Mitarbeiterinnen in vielen Dingen freie Hand gelassen haben. Dieses Vertrauen sei erwidert worden.

Keine leichte Entscheidung

Schwer gefallen ist es ihnen deshalb, im Januar bei einer Betriebsversammlung das Ende zu verkünden. Die Kündigungen zu überreichen, bezeichnet Walter Autenrieth als „die härtesten Momente in meinem Leben“. Seine Schwester Ulrike ergänzt: „Da haben wir nächtelang nicht mehr geschlafen, obwohl es eine Vernunftentscheidung war aufzuhören.“

Alle drei Geschwister haben viele Opfer gebracht, um das Unternehmen fortzuführen. Sechs-Tage-Wochen waren die Regel – und sonntags ging es oft auf Messen. Auf die Unterstützung ihrer Familien konnten sie sich stets verlassen. Die Nachfolge wollte trotzdem keins der Kinder antreten. Eigentlich ging es den Geschwistern Renate, Ulrike und Walter einstens ähnlich. Aber sie stammen aus einer anderen Zeit: „Damals hat mr no g’folgt“, sagen sie. Es wurde nicht nach den eigenen Wünschen gefragt. Man wurde schlichtweg aufgefordert, in den Betrieb einzutreten. Insofern ist jetzt wenigstens das Ende eine freie Entscheidung – auch wenn Kunden weit über Kirchheim hinaus das sehr bedauern.

 

Lesen Sie dazu auch den Artikel: Tritschler tritt in Kirchheim an