Kirchheim

Bäcker hoffen auf schnelle Hilfe

Wirtschaft Die Energiekrise trifft das Bäckerhandwerk hart. Die Geschäftsführer eines lokalen Unternehmens sprechen exemplarisch über Gaspreise, die Angst vor einer Pleitewelle und versprochene Hilfen. Von Antje Dörr

Bäckereien wie Scholderbeck trifft die Energiekrise doppelt: Die eigenen Kosten steigen, und die Kunden geben weniger Geld für Backwaren aus. Foto: Carsten Riedl

In der Zentrale der Firma Scholderbeck schwankt das Ehepaar Sigel zwischen Kampfgeist und Hilflosigkeit. Kampfgeist, weil man sich sicher ist, an allen verfügbaren Schräubchen gedreht zu haben, um sich für das, was kommt, zu wappnen. Gemeinsam mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben die Geschäftsführer überlegt, wo Energie eingespart werden kann. „Die Öfen werden voll gemacht und ausgeschaltet, wenn sie nicht belegt sind“, nennt Eve Sigel ein Beispiel. Das Sortiment ist verkleinert worden. Auslieferungs-Routen wurden optimiert, um den Spritverbrauch zu senken. Und natürlich sind – wie bei allen anderen Bäckern auch – die Preise gestiegen. Aber reicht das alles aus, um die kommenden Monate zu überstehen? „Am Ende des Tages werden wir alle unsere Schräubchen bedient haben, und dann müssen wir schauen“, sagt Eve Sigel.

 

Man kann keinen Laden drei Monate zumachen. Wenn er zu ist, bleibt er zu.
Bernd Sigel

 

Hilflosigkeit, das überkommt wohl alle Bäcker, wenn sie auf die explodierenden Energiepreise schauen. Die steigenden Rohstoffkosten sind auch noch nicht verdaut, wobei Bäckereien wie Scholderbeck, die auf Bio-Mehl aus der Region setzen, nicht so stark von Preisschwankungen betroffen sind. Aber zurück zum Gas: Aktuell ist das Unternehmen auf der Suche nach einem neuen Versorger für die Zentrale, weil der Alte gekündigt hat. Doch das Angebot der EnBW lässt die Sigels schwer schlucken. Bisher zahlten sie für das Gas, das ihre Öfen in der Weilheimer Zentrale verbrauchen, 37 000 Euro pro Jahr. „Je nach Laufzeitlänge sind es künftig 147 000 oder 165 000 Euro pro Jahr“, sagt Bernd Sigel. Bei den Stromkosten werden sie 120 000 Euro Mehrkosten pro Jahr verkraften müssen – ebenfalls nur für die Zentrale. „Im Mai haben wir die Preise erhöht, aber diese Lücke über eine Preiserhöhung zu schließen, das schaffst du nicht“, sagt Eve Sigel. 

Die Gaspreise treffen die Bäckerbranche doppelt. Die eigenen Kosten steigen. Und die Kunden, die ebenfalls mehr als bisher für Gas, Sprit und Strom bezahlen müssen, sind sparsamer – oder haben schlicht nicht mehr genügend Geld, um dem Kind mal eben eine Brezel oder ein süßes Stückle zu kaufen. „Wir merken, dass der Geldbeutel nicht mehr so locker sitzt“, sagt Bernd Sigel, der Angst vor einer Abwärtsspirale in den Städten hat: „Wenn weniger Geld da ist, fehlt die Frequenz. Dann beginnt das Ladensterben in einer Art, die wir hier noch gar nicht kennen“.

Hilfe muss schnell kommen

Auf Wirtschaftsminister Robert Habeck schimpfen, der die Bäcker mit seinem Talkshow-Auftritt gegen sich aufgebracht hat, das will Eve Sigel nicht. „Er hat sich unglücklich ausgedrückt“, sagt sie. Die Ankündigung, dass Bäckereien künftig vom Energiekostendämpfungsprogramm profitieren sollen, begrüßt sie. „Ich bin froh, dass Bewegung in die Sache kommt“, sagt sie. Jetzt komme es auf die Ausgestaltung an. „Und darauf, dass die Hilfe schnell und unbürokratisch fließt“. 

Sollte es zu lange dauern, warnt Bernd Sigel, der seit kurzem im Vorstand der Bäckerinnung Alb-Neckar-Nordschwarzwald sitzt, vor massiven Konsequenzen. „Die handwerkliche Bäckerproduktion wird massiv unter Druck geraten“, sagt er. Die Bäckerei Scholderbeck sei breit aufgestellt, könne noch „in eine gewisse Richtung schrumpfen“. Aber bei kleinen Geschäften wird es seiner Ansicht nach zu einer „dramatischen Bereinigung“ kommen. „Der Anteil des Handels wird noch größer werden“, sagt er in Anspielung auf Bäcker-Produkte im Einzelhandel, der schon heute mehr Brötchen verkauft als Bäckereien. Die einzige Chance für die Branche liegt für Bernd Sigel in der Unterscheidung zu den Produkten, die der Handel bietet. Er ist vorsichtig optimistisch, auf diesem Weg irgendwie durch die Krise zu kommen. Seinen Mitarbeitern gegenüber benutze er zur Zeit oft das Bild vom Schiff, sagt er. „Jetzt kommt es darauf an, dass die Schotten dicht sind, und dass jeder am richtigen Platz sitzt und rudert“.