Kirchheim

Bäume werden leicht zum Zankapfel

Natur Baumpflege im öffentlichen Raum birgt oft Sprengstoff. Wie das Spannungsfeld zwischen Verkehrssicherungspflicht und Bürgerinteressen gehandhabt werden kann, war Thema einer Fortbildung. Von Iris Häfner

Martin Lehmann erklärt den Teilnehmern des Gewässernachbarschafttags das Vorgehen der Stadt Kirchheim bei der Gehölzpflege. l
Eberhard Müller und Martin Lehmann erklären den Teilnehmern des Gewässernachbarschafttags das Vorgehen der Stadt Kirchheim bei der Gehölzpflege. Foto: Carsten Riedl

Idefix, treuer tierischer Begleiter des Comic-Helden Obelix, scheint für viele Menschen ein Vorbild zu sein. Der kleine Hund jault jedes Mal herzzerreißend auf, sobald ein Baum gefällt wird - und nahezu ähnlich reagieren viele Zweibeiner, wenn in ihrem Umfeld aus Gründen der Verkehrssicherheit ein Baum entfernt werden muss. Mit diesem sensiblen Thema befasste sich der Gewässernachbarschaftstag für den Kreis Esslingen, der in Kirchheim stattfand. Der Titel lautete „Gewässer­unterhaltung im Spannungsfeld von Verkehrssicherungspflicht, Baumkrankheiten und Öffentlichkeit“. Der einhellige Rat: frühzeitig die Bevölkerung über die Maßnahmen informieren und die Gründe dafür kommunizieren.

Eingeladen hatte der WBW (Wasserwirtschaftsverband Baden-Württemberg), die Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung. Martin Lehmann ist dafür im Regierungspräsidium Stuttgart zuständig, und Hausherr der Veranstaltung. „Kirchheim ist eine Wasserstadt. Sie hat 55 Kilometer Gewässer - das zu unterhalten, ist eine Menge Holz “, erklärte er, ehe er das Wort an Kirchheims Bürgermeister Günter Riemer weitergab. „Wir hatten bis an die Nieren gehende Diskussionen mit politischen Organisationen und Bürgern. Es ist ein extremes Spannungsfeld“, sagte er.

Die Stadt hatte jahrzehntelang ihre Gewässer vernachlässigt. Dann wurde das Problem erkannt, was zur Folge hatte, dass die Stadt hart eingriff und massiv Bäume fällte - was zur Gründung der Bürgerinitiative „Leben mit Bäumen“ führte. „Die Fällungen ergaben zwangsläufig Veränderungen im Landschaftsbild“, so der Bürgermeister. Überalterung, Krankheit und veränderte Klimabedingungen hatten diesen Schritt notwendig gemacht. „Dazu kam noch ein Gutachter, den man als Hardliner bezeichnen kann. Ihm ging es vor allem um die Sicherheit. Da hatten wir richtig Stress“, sagte Günter Riemer. Diese „optisch umfangreiche“ Baumfällung sorgte für richtig Wirbel, auch im Gemeinderat. Erst durch ein Schlichtungsgespräch sowie Fach- und Bürgerforen kehrte wieder Frieden ein. „Jetzt arbeiten wir lösungsorientiert und mit der interessierten Öffentlichkeit zusammen. Es lohnt sich, die Sache den Bürgern verständlich zu erklären“, ist seine Erfahrung.

Wie das in der Praxis aussieht, verdeutlichte Eberhard Müller vom Kirchheimer Grünflächenamt. Seine Stelle wurde nach den Querelen extra geschaffen, seit gut einem Jahr ist er in der Teckstadt. Gewässer und Bäume sind sein Thema. „Es gab kein Konzept und keine Kontrollen. 2014 hat man dann gemerkt, wie viele Gefahr-in-Verzug-Bäume es gibt - und dann ist halt viel auf einmal passiert“, fasste er zusammen. Die genaue Baumzahl entlang der Bachläufe kennt er nicht. Weil jeder Bach bekanntlich zwei Ufer hat, rechnet er 110 Kilometer. „Mehrere 10 000 Bäume kommen da schon zusammen“, sagte er. 40 Kontrollabschnitte hat er gebildet. Belebte Zonen werden öfter in Augenschein genommen als Gräben im freien Feld. „Die Gefahr-in-Verzug-Bäume werden ohne Diskussion gefällt“, stellt er klar. Ansonsten wird das Konzept dem Nabu und allen Interessierten vorgestellt, welche Bäume der Motorsäge zum Opfer fallen sollen. Die Bäume sind im GPS eingemessen, jeder hat eine Nummer und eine Farbe. Orange bedeutet Fällung, blau Pflege und lila sind die Habitatbäume. Sie sind ökologisch wertvoll, beispielsweise finden sich dort Spechthöhlen. Eberhard Müller kontrolliert alles nochmals vor Ort. „Am Wangerhaldenbach hätten auf 200 Metern 70 Bäume laut dem externen Gutachter rausmüssen, wir haben die Hälfte davon wieder gestrichen. Wenn andere Augen draufschauen, kommt teilweise auch was anderes raus“, sagte er. Vor allem das Eschentriebsterben bereitet ihm Kopfzerbrechen. Ist der Baum von dem Pilz befallen, hilft nichts mehr, er wird gefällt.