Kirchheim
Bescherung scheibchenweise

Haushalt Dem Kreis stehen im kommenden Jahr 40 Millionen Euro mehr zur Verfügung als geplant. Der Geldsegen mitten in der Krise schafft Spielräume für Investitionen und entlastet die Kommunen. Von Bernd Köble

Verkehrte Welt inmitten der sich zuspitzenden Krise: Während viele Kommunen mit harten Verlusten bei der Einkommens- und Gewerbesteuer rechnen müssen, verzeichnet der Landkreis im kommenden Haushalt Mehreinnahmen von fast 40 Millionen Euro. Ein wesentlicher Grund sind neben Rekordeinnahmen bei der Grunderwerbsteuer gestiegene Schlüsselzuweisungen vom Land, wo sich die schlimmsten Befürchtungen bei der Steuerschätzung im Mai auch im Sommer nicht bewahrheitet haben. Die Folge: Die Kreisverwaltung musste schon bei der Einbringung ihres Haushalts im Oktober das Ergebnis um 25 Millionen Euro nach oben korrigieren. Seitdem findet vorweihnachtliche Bescherung scheibchenweise statt: Im November kündigte das Land gleich an mehreren Stellen Verbesserungen im Finanzausgleich an. Wenn überhaupt, kann man im Landratsamt nur eines beklagen: „Wir haben gelernt, dass in der Pandemie die Halbwertzeit politischer Planungen nur wenige Tage beträgt“, stellt Landrat Heinz Eininger fest.

Die neue Lage schafft neue Spielräume bei gewaltigen Bauvorhaben in den nächsten fünf Jahren. Auf rund 208 Millionen Euro werden die Gesamtkosten für die beiden Landratsamts-Neubauten in Esslingen und Plochingen geschätzt. Nach der Sanierung der Rohräckerschule in Ostfildern und dem Neubau der Nürtinger Albert-Schäffle-Schule will sich der Kreis nun auch an die 27 Millionen Euro teure Sanierung und Erweiterung der Bodelschwingh-Schule in Nürtingen machen. Dafür wird der Kreis nun früher als geplant, schon im kommenden Haushaltsjahr weitere acht Millionen Euro in einen dritten Bausparvertrag einzahlen, um sich die derzeit günstigen Bauzinsen langfristig zu sichern.

Beim Etatbeschluss am Donnerstag im Kreistag demonstrierten die Verwaltung und eine breite Mehrheit der Fraktionen ungewohnte Einigkeit. Auch darüber, die Städte und Gemeinden im kommenden Jahr durch eine Senkung der Kreisumlage um 8,5 Millionen Euro zu entlasten. Im Oktober hatte Kreiskämmerin Monika Dostal noch eine moderate Umlagensenkung von 31 auf 30,8 Prozentpunkte vorgeschlagen. Inzwischen sieht auch die Verwaltung genügend Spielraum für eine Senkung des Hebesatzes auf 30 Prozent, wie sie mit Ausnahme von AfD und Republikanern im Plenum beschlossen wurde.

Dass gar noch mehr möglich gewesen wäre, machte Wernaus Bürgermeister Armin Elbl (Freie Wähler) deutlich. Man habe dem Kreis bewusst diesen zusätzlichen Spielraum belassen, auch um ein Signal für eine faire Finanzpartnerschaft zwischen dem Kreis und seinen Kommunen auszusenden, sagte Elbl. Die Grünen taten sich mit dem Gedanken am schwersten, auf Geld aus der Umlage zu verzichten. Sie hatten dafür gesorgt, dass im Haushalt hunderttausend Euro für Klimaschutzmaßnahmen veranschlagt wurden. Bei der Abstimmung über die Höhe der Umlage enthielten sich fünf Mitglieder der Stimme. „Die Klimakrise macht keine Pause und lässt sich auch nicht wegimpfen“, sagte Fraktionssprecherin Stephanie Reinhold.

Den Blick auf den Nahverkehr lenkte SPD-Fraktionschef Michael Medla, der seine Kritik an der Tariferhöhung im VVS erneuerte. Die SPD werde weiter für die Einführung eines 365-Euro-Tickets kämpfen. „Wir setzen auf einen Ausbau des Angebots bei gleichzeitiger Preissenkung“, unterstrich Medla. Dafür brauche es einen deutlich höheren Anteil der Allgemeinheit bei der Finanzierung. Einig waren sich alle Vertreter im Kreistag, dass es im neuen Jahr einen weiteren Rettungsschirm für die Verkehrsbetriebe braucht.

Linke vermisst roten Faden

Kritik am Etat kam von beiden Rändern des politischen Spektrums. Die AfD und der Einzelabgeordnete der Republikaner, Ulrich Deuschle, hatten mit Verweis auf den Schuldenberg in Höhe von knapp 200 Millionen Euro eine Erhöhung der Kreisumlage auf 32 Prozent gefordert. Auch die Linke lehnte den Etat ab. Ihr Sprecher Marc Dreher vermisste Antworten in den entscheidenden Fragen des sozialen Zusammenhalts und einer konsequenten Mobilitätswende. „Für eine soziale und nachhaltige Zukunft fehlt uns in diesem Haushalt ein roter Faden.“