Kirchheim
Bis zur letzten Spule

Kinos Den Lockdown erleben die Lichtspielhäuser im Kreis auf unterschiedliche Weise. Für die einen heißt es durchhalten, die anderen ergreifen die Flucht nach vorn – aufgeben will keiner. Von Bernd Köble

Der Ufa-Palast im Nordbahnhof-Viertel gehört seit dieser Woche einer Wohnbaugesellschaft, und im altehrwürdigen Metropol an der Bolzstraße soll eine Boulderhalle für Kletterer einziehen. Von einschneidenden Veränderungen wie in der Landeshauptstadt ist die Kinolandschaft im Kreis Esslingen zwar noch nicht betroffen, doch auch hier sorgen sich die Betreiber um ihre wirtschaftliche Existenz. Corona trifft die Kinos hart. Eingeschränkter Betrieb im Frühherbst, erneuter Lockdown seit November, das so wichtige Wintergeschäft - ein Totalausfall. Was für die Einzelhändler Amazon ist, sind für die Kinobetreiber Netflix und Co. Die Streamingdienste haben in der Pandemie zum ersten Mal die Marke von 200 Millionen Abonnenten geknackt.

Wie viele davon nach der Pandemie vor die Kino-Leinwand zurückkehren werden, weiß auch Marius Lochmann nicht. Gemeinsam mit seinem Vater betreibt er zehn Lichtspielhäuser, darunter die beiden Traumpaläste in Nürtingen und Esslingen. Lochmann ist keiner, der jammert. Auch, weil er es sich leisten kann. Das Unternehmen stützt sich während des Lockdowns auf mehrere Immobilien bundesweit. Das schafft einen Puffer, denn auch das Kino-Imperium mit seinen rund 500 Mitarbeitern, von denen etwa 40 festangestellt sind, machte im vergangenen Jahr knapp sieben Millionen Euro Verlust.

70 Prozent weniger Umsatz - wie geht man damit um? Indem man die Flucht nach vorn antritt. „Die stärksten Kinojahre waren nach dem Zweiten Weltkrieg“, glaubt Marius Lochmann fest an den Aufschwung nach der Krise. Er vertraut darauf, dass die Sehnsucht nach dem Leben, wie es vor der Pandemie war, groß ist. „Sich chic machen, schön Essengehen und danach einen Film schauen“, sagt er. „Das kann Heimkino nicht bieten.“

Größte Leinwand der Welt

Deshalb wird investiert. In zusätzliche Kinosäle und modernste Soundtechnik im Esslinger Dick-Areal oder in die größte Leinwand der Welt, wie Lochmann versichert. 13 Millionen Euro kostet das neue Imax-Kino in Leonberg, das im Frühsommer planmäßig öffnen soll. „Wir haben in der Vergangenheit gut gewirtschaftet“, sagt Lochmann. „Wenn die Novemberhilfen irgendwann bei uns landen, dann kommen wir vielleicht mit einem blauen Auge davon.“

Darauf hoffen auch Ulrike und Eberhard Frech. Die beiden betreiben mit Central und Tyroler die beiden einzigen Kirchheimer Kinos im Nebenberuf. Auch sie haben zuletzt viel Geld in das gesteckt, was sie ihr „Hobby“ nennen. Rund 50 000 Euro hat die Umrüstung auf digitale Vorführtechnik in den vergangenen Jahren gekostet. Damit bieten sie dem Publikum ein anspruchsvolles Nischenprogramm, finanziert durch vereinzelte Blockbuster. Eine Qualität, für die es zuletzt regelmäßig Fördergelder von der Landesmedien- und Filmgesellschaft (MFG) gab. 10 000 Euro im Coronajahr zusätzlich zur Programmprämie. „Ohne das wäre es eng geworden“, sagt Eberhard Frech. „Allein mit den Hilfen von Bund und Land hätten wir nicht überlebt.“

Oktober bis April sind im Kinogeschäft die umsatzstärksten Monate. Da nützt es auch wenig, wenn mit Beginn der warmen Jahreszeit der Betrieb schrittweise wieder anlaufen sollte. Ulrike Frech hat dann eine ganz andere Sorge: „Weil wir ein Programmkino sind, ist unser Publikum im Schnitt deutlich älter“, sagt sie und damit auch vorsichtiger. „Ob die mit den ersten Lockerungen gleich zurückkommen, wissen wir nicht.“

Egal wie - weitermachen wollen die beiden auf jeden Fall. Im Moment verhandeln sie mit dem Verpächter über Mietminderung. Sollten sich die Schranken wieder öffnen, sind zehn Besucher pro Vorführung im Wochenschnitt das Richtmaß. Soviel braucht es, um keine roten Zahlen zu schreiben. Was die Zukunft bringt? Ein großes Kinocenter war in Kirchheim schon öfter im Gespräch. Sie wissen: Das wäre vermutlich das Ende. „Wir sind beide über 60“, sagt Eberhard Frech. „Trotzdem macht es uns weiterhin Spaß.“