Kirchheim

Blühende Landschaften trotzen dem Klimawandel

Bürgerforum Zwei Vorträge zeigen auf, was sich gegen Hitze und Hochwasser tun lässt – und was jeder Einzelne dazu beitragen kann: mehr grüne Gärten anlegen und weniger mähen. Von Andreas Volz

Die Stadt Kirchheim setzt seit einiger Zeit verstärkt auf Blühflächen, auf denen auch „Insektenhotels“ aufgestellt werden - Holz
Die Stadt Kirchheim setzt seit einiger Zeit verstärkt auf Blühflächen, auf denen auch „Insektenhotels“ aufgestellt werden - Holzkästen, die als Nist- und Brutplatz dienen. Fotos: Carsten Riedl

Klimawandel, das ist ja alles noch weit weg - und überhaupt: Als Einzelner kann man doch sowieso nichts dagegen tun. Gegen diese weit verbreitete Ansicht möchte die Stadt Kirchheim vorgehen. Und tatsächlich: Beim „Bürgerforum Umwelt und Naturschutz“ konnte jeder einzelne Teilnehmer im Technischen Zentrum einen Beitrag leisten - durch Schwitzen und Fächeln: Im „Herzogin-Henriette-Saal“ gibt es keine Klimaanlage. „Auch das hat mit Umweltschutz zu tun“, sagte Oberbürgermeisterin Matt-Heidecker zu Beginn des Bürgerforums: „Das sind die Standards, die wir in der Stadt setzen.“

Professor Dr. Christian Küpfer von der HfWU Nürtingen-Geislingen zeigte anschließend auf, dass sich noch weitaus mehr machen lässt. Beispiel Dachbegrünung: Wenn ein Unternehmen eine große Halle mit einem grünen Dach versieht, hat es davon eigentlich nur Vorteile, nicht nur fürs Image. Man spart nämlich auch Geld, weil deutlich weniger Oberflächenwasser anfällt und weil man einen Ausgleich schafft zur versiegelten Fläche unter dem Hallendach. Für ein Kieselsteindach würde man in beiden Fällen zur Kasse gebeten.

Dazu kommt aber noch ein „enormer Kühlungseffekt für die Halle“, wie Christian Küpfer betont. Das begrünte Dach kann also als Klimaanlage fungieren. Beinahe unnötig zu sagen, dass zusätzlich noch das Kleinklima in der Umgebung profitiert: „Ein solches Dach kann sogar richtigen Starkregen zurückhalten.“ Außerdem sorge jedes Wasser, das verdunstet, für die beste Abkühlung. Auf die Frage nach Gartenteichen meint der Experte: „Die sind sicher besser als eine versiegelte Fläche. Aber der Kühlungseffekt durch Grün ist auf derselben Fläche viel höher als durch einen Teich.“ Der beste Klimaschutz vor Ort bestehe in einem Park voller Bäume: „Das ist eine der wenigen Möglichkeiten, die man in einer Stadt hat - mehr transpirierendes Grün, also Verdunstung über die Pflanzen.“

Was Wärmebelastung bedeutet, hat in den vergangenen Tagen jeder am eigenen Leib verspürt. Für die Zeit von 2071 bis 2100 allerdings sagen die Prognosen voraus, dass es in Kirchheim 60 bis 70 Tage pro Jahr gibt, die „richtig, richtig heiß werden“. Dass das nicht allzu weit weg ist, machte Christian Küpfer rasch deutlich: „Denken wir nur mal an unsere Kinder. Die werden das noch erleben.“

An diesem Punkt könne wirklich jeder Einzelne etwas tun, beispielsweise einen Steingarten wieder in einen blühenden Garten zurückverwandeln oder Parkplätze nicht zupflastern, sondern Rasengittersteine verwenden. Von Verboten hält er allerdings nichts. Er rät vielmehr dazu, dass die Kommunen positive Anreize schaffen, eventuell über ein Bonussystem.

Hochwasser durch Maisanbau

Auch die Landwirtschaft müsse sich wieder umstellen - wofür ebenfalls die Politik die Anreize schaffen sollte: Die Schuld an den vielen Überschwemmungen nach Starkregen in jüngster Zeit gibt Professor Küpfer nämlich dem Maisanbau. Ende Mai / Anfang Juni habe der Mais dem Regen noch nichts entgegenzusetzen, und der Boden werde dann nur verschlammt, ohne das Wasser aufnehmen zu können.

Als Gegenmaßnahme schlägt er „Biodiversität“ vor. Und genau das ist das Thema des zweiten Redners, Dr. Philipp Unterweger. Der Biologe hat 2010 in Tübingen das Projekt „Bunte Wiesen“ als „Programm gegen das Insektensterben ins Leben“ gerufen. Eines der Probleme mit sterbenden Insekten: Nach ihnen sterben irgendwann die Vögel, weil ihnen die Nahrung fehlt. Wichtig ist also das „Infragestellen von Rasen, der nur aus Langeweile und Ideenlosigkeit gepflegt wird“. Die revolutionäre Neuerung besteht darin, solche Rasen einfach nicht mehr zu mähen. Der Vorteil: „Wiesen binden Feinstaub und CO2, sie sorgen für frischere Luft und wirken auch gegen Stark­regen besser als Rasen.“

Noch eine zweite wichtige Empfehlung gibt Philipp Unterweger: „Insekten brauchen Beweidung.“ Ziegen und Schafe, vor allem aber Kühe seien notwendig: „Eine Kuh ist so schwer, dass sie tiefe Fußabdrücke hinterlässt - für Insekten ein wichtiger Wasserrückhalt.“ Nicht zu vergessen sind die Kothaufen der Weidetiere, die Insekten und Schmetterlinge anziehen.

Nur eines dürfe man auf gar keinen Fall machen. Wenn man schon mäht, sollte das Schnittgut möglichst schnell abgeräumt werden. Aber auch dafür braucht es übergreifende Lösungen, wie und wohin es sich abtransportieren lässt. Bei verstärkter Kuhhaltung in Trägerschaft der Kommunen oder der Landkreise würde sich dieses Problem quasi von selbst lösen.