Kirchheim
Bürgermeister geben Reisetipps

Lesung Das Kirchheimer Bürgermeistertrio Bader, Kullen und Riemer hat auf Einladung des Literaturbeirats seine liebsten Urlaubsziele preisgegeben. Von Ulrich Stähle

Beim Stichwort Bürgermeister hat man Klischeevorstellungen von einer Amtsstube, in der hinter einem Schreibtisch eine Person in einem Sessel sitzt und in Bürokratendeutsch berichtet, was in der Stadt so vor sich geht. Der Literaturbeirat hat nun Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader, die Bürgermeisterin Christine Kullen und den Ersten Bürgermeister Günter Riemer hinter dem Schreibtisch hervorgeholt und auf die Terrasse des Restaurants Altes Forstamt am Kirchheimer Schlossplatz gebeten. In der Zeit der Reisevorbereitungen dürfen die Repräsentanten der Stadt ihre Lieblingsreiseziele verraten – mit den entsprechenden Lieblingslektüren.

Frank Bauer und Stefanie Schwarzenbek vom Literaturbeirat übernehmen die Moderation. Als erster ist natürlich der „Häuptling“ Pascal Bader dran, moderiert vom Kulturchef Bauer. Bader outet sich sofort als Frankreichfan. Er schwärmt von der vielfältigen, faszinierenden Landschaft und der französischen Lebensart. Dort verbringe man keinen Urlaub, sondern Ferien, beispielsweise an der Atlantikküste oder in seiner Lieblingslandschaft, dem ruhigen und relativ unbekannten Französischen Jura. Als Kostprobe aus einer Reiselektüre liest Bader aus Hans Peter Hoffmanns „Langsame Zeit. Eine Reise im Elsass“ eine köstliche Anekdote über einen skurrilen Schuhkauf in Schlettstadt.

Im Gespräch mit dem Publikum begründet Bader seine Liebe zu Frankreich: Schon als Kind war er mit dem Wohnmobil mit der Familie dort. Heute reist er, wieder mit der Familie – und gerne mit Zelt – am liebsten in die Auvergne. Doch ausgerechnet von Frankreichs Küche schwärmt er nicht. Da bevorzugt er Italien.

Nach dem Oberbürgermeister ist Kirchheims Bürgermeisterin Christine Kullen an der Reihe. Ihr liebstes Reiseziel ist Israel, ein Land voller hochinteressanter Gegensätze, landschaftlich, gesellschaftlich und religiös. Kullen gibt den Leseausschnitten aus dem Werk von Susan Abulhawa „Während die Welt noch schlief“ einen großen Raum. Dieser Spiegelbestseller von 2006 schildert die Geschichte Israels von 1941 bis 2004 aus palästinensischer Sicht, aufgezeigt in einer Familiengeschichte von fünf Generationen. Als wichtigstes Ziel empfiehlt Kullen einen Besuch der erschütternden Gedenkstätte Yad Vashem.

Im Urlaub sportlich unterwegs

Als Drittes berichtet der Erste Bürgermeister Günter Riemer, wohin er gerne reist. Der Ingenieur ist wie Bader frankophil – und ein passionierter Radfahrer. Die Grundlage dazu wurde schon in der Jugend gelegt. Zu seinen besten Zeiten hat er Riesen wie den Grand Ballon bezwungen. Mit dem Radsport ist das Publikum gedanklich also wieder in Frankreich, wo jedes Jahr das bedeutendste Radrennen der Welt stattfindet. Die Leiden der Tour hat der Engländer Tim Moore freiwillig auf sich genommen. In dem Bericht „Torture de France. Das härteste Radrennen der Welt im Selbstversuch“ beschreibt er 2001 seine Leiden. Riemer liest Kostproben vor, beispielsweise von der schmerzhaften Beseitigung der Beinhaare. Der Radfahrer Riemer liebt heute mehr die flachen Strecken. Als nächste Radstrecke für den Urlaub ist das Altmühltal geplant, die Anreise erfolgt per Zug.

An dem lauen Sommerabend werden aus Verwaltungsbeamten nahbare Menschen voller Lebenslust und Leidenschaften. Die literarische Komponente spielt, außer bei Kullen, bei den strapazierfähigen Autoren nur am Rande eine Rolle. Die Wirtshausatmosphäre und Moderationen haben die Veranstaltung aufgelockert. Der Literaturbeirat hat versucht, sich zu öffnen.

Das kann aber nicht Maßstab für künftige Lesungen sein. Literarisch anspruchsvolle Texte verlangen ein konzentriertes Publikum. Das ist bei einer gleichzeitigen Bewirtung und bei Zufallspublikum unmöglich und wird auch bei Kullens vorgetragenem Text spürbar. Auch die Lesenden brauchen bei einem künstlerisch anspruchsvollen Text ein konzentriertes Publikum und keinen, der sich gerade mit Messer und Gabel seinem Schnitzel zuwendet.