Kirchheim

Bunter Protest rund um die Stadthalle

AfD-Parteitag Während die „Alternative für Deutschland“ in der Stadthalle die Öffentlichkeit ausschloss wurde in Nürtingens Straßen getanzt. 

Für einen außenstehenden war es schon ein tristes Bild: Die Stadthalle K3N war festungsmäßig abgesichert und drinnen tagte bei heruntergelassenen Jalousien eine Partei, die von sich sagt, die „Alternative für Deutschland“ (AfD) zu sein. Es galt, weitere Landeslistenplätze für die Bundestagswahl im September zu vergeben.
Erst am Dienstagabend hatte sich ein bürgerliches Aktionsbündnis gegen diese Veranstaltung formiert. Der Name war schnell gefunden – „Nürtingen ist bunt“. Und der Zulauf überraschte selbst die Organisatoren. „Wir hatten gehofft, dass es ein Erfolg wird, aber dass tatsächlich so viele Nürtinger trotz der Kälte gekommen sind ist toll“, sagt Organisator Michael Medla.
Mehr als 50 Stände und Aktionen von Einzelpersonen oder Organisationen waren zwischen Volksbank und Schillerplatz aufgebaut. Hier flog Konfetti, dort posierte ein Clown. Die Sternsinger waren unterwegs, Teilnehmer verteilten selbst gemachte „Glücklich-Kekse“, andere spielten Blasmusik.
Musikalisch umrahmt von der Jam Zentrale kam stellenweise Volksfeststimmung auf. Von der Jugendwerkstatt gab es „Bunte Waffeln statt brauner Würstchen“ – so ließ sich den Minusgraden trotzen. Aber das beste Mittel gegen die Kälte war Musik: Immer wieder wurde getanzt.
Laut Polizei waren es rund 400 Teilnehmer, die sich dem bunten Treiben anschlossen. Die Veranstalter schätzten, dass es mehr als doppelt so viele gewesen seien.
Medla zeigte sich vor allem über die Vielfalt der Teilnehmer erfreut: So seien Unternehmer und Gewerkschaften, Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften, der Vereine und Parteien gekommen. Auch eine Gruppe von Flüchtlingen beteiligte sich ebenfalls. Mit selbstgeschriebenen Schildern wie „Danke Deutschland“ oder „Solidarität zwischen Christen und Muslimen“ flankierten sie die Stände. Bunt wurde es auch in manchen Geschäften. Der Weltladen verteilte – natürlich bunte – Gummibärchen. Das rote Buchhaus war mit einem Stand vertreten und auf das Schaufenster der Buchhandlung Zimmerman konnten Passanten mit kleinen Klebezetteln den Satz „Nürtingen ist bunt, weil...“ ergänzen. „...Vielfalt immer besser ist als Einfalt“ stand auf einem oder: „Liebe kennt keine Grenzen“.
Neben dem Aktionsbündnis gab es drei weitere Demonstrationen von Antifaschistischen Bündnissen. Sie verliefen bis auf kleinere Zwischenfälle friedlich.
Der Coro per resistencia umrahmte die von Thomas Oser moderierte Abschlusskundgebung musikalisch. Hauptredner war Gerhard Wick, der Hauptbevollmächtigte der IG Metall im Landkreis Esslingen, er warnte vor der Politik der AfD, die unsozial sei, weil sie das Renteneintrittsalter erhöhen und Altersbezüge kürzen wolle. Journalist Andreas Warausch sagte, dass man Demokratie und Freiheit nicht geschenkt bekomme. Man müsse für sie kämpfen. Die AfD sei eine Partei der Entsolidarisierung, die durch Ausgrenzung von Schwächeren Politik mache – Derzeit seien dies Flüchtlinge und Muslime. Das dürfe man als Gesellschaft nicht zulassen.
Den ehemaligen Nürtinger Bürgertreffleiter Hannes Wezel konnte man auch ohne Mikrofon verstehen: Er hat schon mal an dieser Stelle demonstriert, 1982 gegen den Parteitag der NPD. Jetzt seien es die Populisten, denen man zeigen müsse, dass Nürtingen weltoffen ist. Wezel hielt ein Plädoyer für mehr Bürgerengagement. „Gegen Populismus ist ein Kraut gewachsen – und das heißt Engagement.“ Nürtingen ist ein tolles Beispiel für eine bunte Stadt mit einer engagierten und offenen Zivilgesellschaft, so Wezel.
Dekan Michael Waldmann von der evangelischen Kirche berief sich auf die christlichen Werte, die ja auch von der AfD gerne ins Feld geführt werden. „Die Bibel ist ein einziges Buch der Flüchtlinge und Vertriebenen“, sagte Waldmann. Und deshalb sei das Miteinander dort von besonderer Bedeutung. Waldmann zitierte die Bibel über den Umgang mit Fremden: „Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und sollst ihn lieben wie dich selbst.“