Kirchheim

„Da ist die ganze Bandbreite des Lebens dabei“

Politik Bissingens Bürgermeister Marcel Musolf erzählt von Licht- und Schattenseiten seines Berufes.

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Foto: Markus Brändli

Bissingen. Marcel Musolf muss in seiner ersten Amtszeit offenbar einiges richtig gemacht haben. Mit 99,9 Prozent ist der gebürtige Karlsruher am 13. Januar als Bürgermeister von Bissingen in seinem Amt bestätigt worden. Im Gespräch erzählt der ehemalige Leistungssportler im Fechten über seine Leidenschaft für diesen Beruf.

Wie sind Sie zum Amt des Bürgermeisters gekommen?

Marcel Musolf: Es wurde mir nicht in die Wiege gelegt. Aber ich habe in Ludwigsburg Verwaltungswirtschaft studiert, weil ich erkannt habe, dass man in der kommunalen Welt einiges bewegen kann und nah an den Menschen ist. Ich hatte immer das Gefühl, dass der Beruf zu mir passen würde und habe es nie bereut.

 

Sie haben nach Ihrem Studium als Kämmerer in Bissingen begonnen und haben dann mit 25 Bürgermeister Wolfgang Kümmerle beerbt. Hatten Sie da keine Bedenken, Ihre Beamtenstelle aufzugeben?

Musolf: Was ich machen würde, wenn ich nicht mehr gewählt würde, weiß ich nicht. Einen Plan B gibt es nicht am Horizont. Aber dieses Risiko wohnt dem Wahlamt inne. Ich finde es aber auch nicht richtig zu sagen, „Ich will Euer Häuptling“ sein und dann wieder gesichert auf den alten Job zurückgehen, wenn es eben doch nicht so klappt. Man entscheidet sich für das Amt des Bürgermeisters mit allen Konsequenzen. Da gibt es eben auch den Druck, dass man auf Zeit gewählt ist und sich bewähren muss.

 

Da gibt es durchaus Parallelen zum Unternehmertum . . .

Musolf: Das stimmt. Dort gilt auch: Wenn Sie die hundertprozentige Sicherheit für die nächsten 20 Jahre suchen, entscheiden Sie sich wahrscheinlich für einen anderen Beruf, auf jeden Fall mal nicht für die Selbstständigkeit.

Was sind die Herausforderungen?

Musolf: Ich werde oft in der Familie gefragt, was ich eigentlich den ganzen Tag mache. Viele wissen gar nicht, wie vielfältig der Beruf ist. Von A wie Abwasser bis Z wie Zirkus über Bauprojekte und Bildung ist die ganze Bandbreite des Lebens dabei. Außerdem wissen Sie nie was passiert. (Im Hintergrund ist ein Martinshorn der Feuerwehr zu hören, Marcel Musolf schaut auf sein Handy). Vielleicht muss ich mich gleich kümmern, wenn wir nach einem Brand einen Unterbringungsfall zu bewältigen haben.

 

Wenn man Ihnen zuhört, ist Bürgermeister ein toller Job. Warum haben manche Gemeinden Probleme, Kandidaten für das Amt zu finden?

Musolf: Sie sind als Bürgermeister oft das letzte Glied in der Entscheidungskette und müssen manchmal einstecken für Dinge, für die sie nichts können. Es ist aber Ihre gesetzliche Aufgabe. Beispiel Unterbringung von Flüchtlingen, insbesondere in den Jahren 2015 und 2016: Da kriegen Sie nicht nur Applaus, so ehrlich muss man sein. Aber am nächsten Tag eröffnen Sie einen Kindergarten und sehen nur in glückliche Gesichter. Im Übrigen haben doch heute alle Branchen Probleme, Nachwuchs und gut ausgebildete Fachkräfte zu finden. Warum sollte es bei Wahlämtern anders sein?

Was könnte mögliche Kandidaten noch vom Amt des Bürgermeisters abschrecken?

Musolf: Der Tag läuft nicht von 8 bis 17 Uhr, Sie können von einer Wochenarbeitszeit von 60 bis 80 Stunden ausgehen, am Wochenende haben Sie den Spagat zwischen Familie und Beruf. Im Prinzip stehen Sie 24 Stunden in der Öffentlichkeit und sind ständig ansprechbar. Da müssen Sie abwägen. Denn auf der anderen Seite haben Sie einen enormen Gestaltungsspielraum.

Fühlen Sie sich eigentlich immer ausreichend gewürdigt in Ihrer Arbeit?

Musolf: Ich bin überzeugt, dass die Leute ein Gespür dafür haben, wie ein Bürgermeister sein Amt versteht und ausfüllt. Es lebt ja nicht nur von der fachlichen Arbeit, sondern auch von der emotionalen Komponente, dem persönlichen Kontakt mit den Menschen.

Sie sind für weitere acht Jahre gewählt und haben viel Arbeit vor der Brust. Sind Sie zufrieden?

Musolf: Ich kann Ihnen sagen: Ich bin sehr zufrieden und meine Familie fühlt sich hier wohl. Und die sehr positive Rückmeldung von den Wahlen ist natürlich sehr schön und motiviert mich. Ich kann mir heute nichts anderes vorstellen. Thomas Zapp