Schnell war klar, dass der Gestaltungsbeirat seine Sitzung in der Stadthalle abbrechen musste - um vor Ort weiterzudiskutieren. Am Rollschuhplatz stecken nämlich sechs Metallstangen das ganze Ausmaß ab, über das zu diskutieren war. Die aktuelle Planung sieht für den Neubau Marktstraße 1 + 3 in Kirchheim genau die Dimensionen vor, die diese sechs Stangen samt der roten Winkel am oberen Ende als prägnante Punkte vorgeben.
Vor Ort wurden in erster Linie die heruntergenommenen Traufhöhen gelobt. Ganz anders sah es mit der Firsthöhe aus: Die erschien fast allen Beteiligten als deutlich zu hoch. Ein weiterer Kritikpunkt: Die angedeutete östliche Giebelfront ragt um mindestens fünf Meter weiter in den Rollschuhplatz hinein als eigentlich vorgesehen.
Dass es sich an dieser Stelle nicht um ein x-beliebiges Bauprojekt auf einem x-beliebigen Baugrundstück handelt, verdeutlichte Dr. Martin Hahn vom Landesamt für Denkmalpflege: „Wenn es nur ein klein wenig zu lang, zu breit oder zu hoch wäre, dann wäre ich deswegen nicht nach Kirchheim gekommen. Aber dieser Maßstabssprung ist sehr bedenklich aus denkmalpflegerischer Sicht.
Zwei besonders eindrucksvolle Ensembles zeugen in Kirchheim von der einstigen Bedeutung als württembergische Landesfestung, wie Martin Hahn ausführte: „Das eine ist das Schloss mit Mauer, Bastion und tiefem Graben, und das andere ist im Nordosten - mit Bastion, Vogthaus, mittelalterlicher Stadtmauer und der Grabensituation samt Festungswall am Rollschuhplatz. Ein solches Stück Stadtbefestigungsgeschichte ist landesweit eine Seltenheit.“ Nicht zuletzt habe sich die Stadt Kirchheim 2006 selbst eine Gesamtanlagensatzung gegeben und den Bestand der historischen Altstadt darin als Schutzgut verankert, um ihn zu bewahren.
Martin Hahns grundsätzliche Einschätzung lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Das ist eigentlich gar kein Bauplatz, sondern ein Freiplatz, der für die Geschichte der Stadt sehr bedeutend ist. Man sollte es sich also leisten, hier nichts zu bauen.“ Trotz dieser kategorischen Aussage zeigte er sich aber kompromissbereit: „Wir fordern ja nicht den Rückbau in die Festungszeit, und schon gar nicht in die Eiszeit.“
Es sei durchaus sinnvoll, wenn die Stadtverwaltung in der Innenstadt bleibe, in der Nähe des Rathauses. Deshalb könne dort durchaus ein Neubau entstehen, den die Stadt Kirchheim langfristig anmietet: „Bis vor kurzem stand da ja auch noch ein anderes Gebäude - obwohl das eigentlich auch schon nicht hätte gebaut werden sollen. Aber deswegen kann man auf jeden Fall über eine Neubebauung nachdenken - nur eben nicht in dieser Dimension.“
Die Grundfläche für den Neubau sei das eine. Aber auch die Höhe spiele eine große Rolle: „Durch die Höhe würde dieses Gebäude das Stadtbild prägen, und da sollte es keine neue Dominante neben dem Vogthaus geben.“
„Das ist zu lang und zu hoch“
Dieter Franz Hoff, Mitglied sowohl des Gemeinderats als auch des Gestaltungsbeirats, pflichtete bei: „Die Maßstäblichkeit stimmt hier nicht mehr.“ Die Länge sei auf das vorgegebene Maß zu reduzieren, und auch die Höhe sei so zurückzunehmen, dass das Gebäude nicht in Konkurrenz zum Vogthaus tritt: „Wir müssen hier die Reißleine ziehen und sagen, das ist zu lang und zu hoch.“ Die Arbeit seiner Kollegen sei sehr gut, schieße aber über das Ziel hinaus.
Ein anderes Problem war die Fragestellung, was zuerst festgelegt sein soll: die Dimension des Gebäudes oder das benötigte Raumprogramm. Laut Bürgermeister Stefan Wörner wollte die Stadtverwaltung zunächst erfahren, „was da überhaupt städtebaulich möglich ist“. Erst danach - wenn also die vorgesehen Kubatur feststeht - hätte sich die Verwaltung Gedanken gemacht, welche Arbeitsplätze in dem Neubau untergebracht werden sollen.
Die Findungsphase geht nun in eine neue Runde. Die Architekten sind aufgefordert, ihren Entwurf zu überarbeiten. Sophie Wolfrum, emeritierte Professorin für Stadt- und Regionalplanung sowie Vorsitzende des Gestaltungsbeirats, stellte fest: „Es zeigt sich, dass die vorgeschlagene Kubatur zu groß ist.“ Das geplante Gebäude sei in der Länge wie auch in der Firsthöhe noch zu reduzieren.