Kirchheim
Das große Schweigen

Telefonie Vodafone-Kunden haben es in und um Kirchheim derzeit schwer. Seit Tagen fällt das Festnetz aus, andere müssen ohne Internet auskommen. Der Anbieter meint, das Problem sollte heute gelöst sein. Von Andreas Volz

Manch einer mag insgeheim davon träumen, dass das Telefon mal ausfällt und dass dann auf einmal himmlische Ruhe herrscht. Wenn es aber tatsächlich passiert, wird der Traum zum Albtraum, und die Ruhe wird zu einer höllischen. Gerade im beruflichen Umfeld entsteht daraus ein Problem ungeheuren Ausmaßes.

Seit Tagen und Wochen ist dieser Albtraum in Kirchheim und Umgebung Realität: Betroffen sind Vodafone-Kunden - beispielsweise Keller Lufttechnik oder die Zahnarztpraxis Meschede in Jesingen, aber auch GO Druck Media in der Bohnau. Wer dort anrief, hörte immer nur das Besetztzeichen - und wunderte sich: „Haben die Betriebsferien, schaffen die nix, haben die‘s gar nicht mehr nötig?“ Das sind so die Fragen, die sich die verärgerten Anrufer stellten.

Alle Beteiligten schildern dasselbe, und immer erzählen sie von vielen anderen, die ebenfalls betroffen sind: „Zwei Tage lang ging gar nichts, dann lief es wieder kurz normal, danach waren wir wieder zwei, drei Tage nicht erreichbar“ - und so geht es fort. Gestern war bei fast allen der komplette Stillstand eingetreten.

Inzwischen sind handgestrickte Lösungen gefunden: per Umleitung auf irgendeine andere Nummer, über die eine Bandansage möglich ist. Das geht aber nicht hausintern, sondern nur über Vodafone. Die Ansage verweist auf die E-Mail-Adressen des Betriebs.

Das Autohaus Ramsperger kam zu einer anderen Lösung: Für die verschiedenen Standorte in Kirchheim nennt die Homepage jetzt Telefonnummern in Nürtingen. „Das ist aber nur die Krückenlösung“, sagt Geschäftsführer Frank Eberhart. „In Nürtingen haben wir auch nur eine beschränkte Anzahl an Leitungen.“ Auf E-Mail-Anfragen antworten die Mitarbeiter telefonisch - über Handys, häufig über die privaten. „Das Problem ist aber nicht nur der Verkauf. Auch Werkstatt-Termine machen die meisten Kunden telefonisch aus. Wenn sie niemanden erreichen, bleiben sie weg: Wir haben jetzt Kapazitäten frei, aber kaum einer kommt.“

Der Schaden ist immens, und zwar für jedes einzelne Unternehmen: „Das ist richtig geschäftsschädigend“, sagt Horst Keller, Geschäftsführer von Keller Lufttechnik. „Das Telefon ist eines unserer wichtigsten Arbeitsmittel.“ Der kaufmännische Leiter Harald Kuhn ergänzt: „Wenn unsere Leitungen dauernd besetzt sind, kommt doch kein Kunde drauf, dass das am Telefonanbieter liegt.“

Die Unternehmen selbst werden also für das Telefonchaos verantwortlich gemacht. Das sagt auch Dr. Daniela Meschede: „Wir müssen uns jetzt immer rechtfertigen - für Fehler von Vodafone, für die wir gar nichts können.“ Die Telefonnummer der Zahnarztpraxis wird derzeit auf ein Handy umgeleitet: „Aber da haben wir nicht die übliche Bandansage drauf, mit Öffnungszeiten und Notfallnummern. Dabei sind wir verpflichtet, genau diese Ansage anzubieten.“ Auch wenn die Technik schon veraltet ist, gehört das Faxen in einer Praxis immer noch zur Alltagskommunikation. Auch das geht gerade nicht mehr. Daniela Meschede übt sich in Galgenhumor: „Ich kann doch nicht morgens aufstehen und als erstes in der Praxis anrufen, um zu überprüfen, ob wir heute erreichbar sind.“

Karl-Michael Bantlin hat ein ganz anderes Problem mit Vodafone: In seinem Bekleidungsgeschäft fällt das Internet aus. Das hat ungeahnte Auswirkungen: „Wir können keine Ware auszeichnen, die automatische Nachbestellung funktioniert nicht mehr - und das EC-Gerät steht still. Da sind auch schon Kunden gegangen und haben die Ware an der Kasse liegen lassen. Der Hinweis auf Bankautomaten ganz in der Nähe hat sie nicht interessiert. Die wollen im Laden mit der Karte zahlen.“

Worüber sich alle Gesprächspartner - die nur persönlich oder per Handy zu erreichen sind - beschweren: die Hinhaltetaktik des Anbieters, der sich stets höflich entschuldigt und sagt, dass er mit Hochdruck am Problem arbeitet.

Bleibt also die Frage, was davon zu halten ist, wenn sich Vodafone-Sprecher Tobias Krzossa gestern Nachmittag aus Düsseldorf meldet und sagt: „So ein Ausfall ist total ärgerlich, und wir können uns nur bei allen betroffenen Kunden dafür entschuldigen.“ Grund für den Ausfall sei ein defektes Teil, für dessen Ersatz Lieferschwierigkeiten bestanden. Gestern Abend aber hätte es ausgetauscht werden sollen. Das heißt konkret: Am heutigen Freitag müsste alles wieder problemlos funktionieren. Keiner der Betroffenen wollte diese Botschaft gestern so recht glauben.