Kirchheim
Das Rote Kreuz kämpft mit vielen Krisen

Hilfe Der DRK-Kreisverband Nürtingen-Kirchheim stemmt wichtige Aufgaben im Katastrophenschutz. Doch aktuell brechen Spenden als finanzielle Stütze weg. Zeit für einen Appell, findet Präsident Simon Blessing. Von Thomas Zapp

Katastrophen und Krisen spielten im öffentlichen Bewusstsein der Deutschen lange eine untergeordnete Rolle. Das hat sich in den vergangenen drei Jahren geändert: Erst kam Corona, dann die Flutkatastrophe im Ahrtal, dann der Krieg in der Ukraine. „Alle Krisen der Welt landen irgendwann bei der Bereitschaft und dann sind wir da“, sagt Simon Blessing, Präsident des DRK Kreisverband Nürtingen-Kirchheim und im Hauptberuf Bürgermeister der Gemeinde Frickenhausen. Da wäre momentan die Flüchtlingskrise zu nennen:
 

Alle Krisen
der Welt
landen irgendwann bei der
Bereitschaft.
Simon Blessing
Präsident des DKR Kreisverbands Nürtingen-Kirchheim


Von 5500 bis 6000 Geflüchteten geht Simon Blessing aus, davon hat allein das DRK rund 900 Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Nürtingen, Kirchheim und Esslingen mit Ehrenamtlichen betreut. „Das beginnt bei der Essenausgabe und reicht bis zur psycho-sozialen Notfallversorgung“, erklärt er. Das führe auch viele Ehrenamtliche an ihre Grenzen. Doch mit den Kommunen und Kreisen stehe man eng im Austausch.

Auch während der Corona-Krise waren die Ehrenamtlichen des DRK im Großeinsatz. Allein im ersten Jahr leisteten 200 Kräfte insgesamt 10 000 Stunden, sei es bei der Aufnahme von Infizierten im Kirchheimer Ateckhotel oder später in den Impfzentren. Und schließlich gab es noch die Flutkatastrophe im Ahrtal. „Wir sind nahtlos von einer Krise in die nächste geschlittert“, sagt Kreisgeschäftsführer Rafael Dölker. Gerade für die Ehrenamtlichen im DRK habe das einen immensen Kraftaufwand bedeutet. „Die Aufgaben mit Hauptamtlichen abzudecken, dafür haben wir gar nicht die Ressourcen“, sagt er.  

Ausgaben von 200 000 Euro

Allein der Kreisverband gibt für den Katastrophenschutz im Landkreis 200 000 Euro im Jahr aus, weitere 100 000 Euro kommen von Kreis, Land und Bund. Doch es wäre ein Vielfaches, wenn nicht 1400 der insgesamt 2630 Mitarbeiterinnen und Helfer Ehrenamtliche wären. Denn vor allem bei den Schnelleinsatzgruppen, den Helfern vor Ort und eben im Katastrophenschutz sind Ehrenamtliche aus den neun Bereitschaften in Frickenhausen, Kirchheim oder Weilheim im Einsatz. Dabei tritt ein Problem immer stärker zutage: „Es wird zunehmenden schwieriger, von den Arbeitgebern Freistellungen für die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer zu bekommen. Stichwort: Fachkräftemangel“, erklärt Rafael Dölker, dass momentan viele Probleme zusammenkommen.

Simon Blessing hofft wieder auf mehr Sachspenden wie Kleidung und Nahrung. „Die Flüchtlingssituation hat auch Auswirkungen auf andere Bereiche, zum Beispiel die Tafelläden“, sagt er. Dort fehle es an Spenden, ebenso in der Kleiderkammer. Weil in der Krise auch die regelmäßigen Spenden und Fördermitgliedschaften reduziert werden, brauche es wieder mehr Gelder von Privatleuten, um auch langfristig planen zu können.

„Wir brauchen eine planbare Gegenfinanzierung“, sagt Rafael Dölker. In den vergangenen vier Jahren seien es pro Jahr 5 bis 7 Prozent weniger geworden, in den vergangenen drei Monaten sogar 10 bis 20. „Dadurch fehlen uns rund 75 000 Euro“, sagt der Kreisgeschäftsführer.

Matthias Miller sitzt als CDU-Abgeordneter im Innenausschuss der Landesregierung und verspricht, sich bei den Haushaltsverhandlungen für den Katastrophenschutz einzusetzen. 100 Millionen Euro für zehn Jahre stehen auf dem Plan. „Aber das wird schwierig. Da gibt es viele Themen aus anderen Ressorts.“ Kurzfristig kann wohl nur das Engagement der Bürger konkrete Hilfe bringen, egal ob durch Spenden oder aktive Mithilfe.

 

Vom Rettungsdienst bis zur Schuldnerberatung

Von 1230 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im DRK-Kreisverband sind rund 550 in Seniorenzentren beschäftigt, 300 im Rettungsdienst, sowie 210 in der Flüchtlingshilfe. In der Verwaltung und der Stiftung, die etwa über Immobilienbesitz auch einen Teil der Aufgaben finanziert, arbeiten etwa 170 Menschen.

Ehrenamtlich sind rund 1400 Helferinnen und Helfer dabei. Die Aufgaben reichen vom Katastrophenschutz über die Bergwacht bis zur Sozialarbeit wie Schuldnerberatung, Therapiehunde oder Tafelläden.

Das einzige Katastrophenschutzzentrum im Landkreis befindet sich in Owen. Es wurde 2014 für 1,3 Millionen Euro gebaut. Dort werden Feldbetten, eine Feldküche, ein Notstromaggregat und Material für Katastrophenfälle vorgehalten. Zum Fuhrpark gehört ein moderner Einsatzleitwagen für 220 000 Euro. Allein ​​​​​​​die 15 ​Digitalfunkg​​​​​​​eräte kosten ​​​​​​​jeden Monat 150 Euro ​​​​​​​an ​​​​​​​Instandhaltung, erklärt der ehrenamtliche Bereitschaftsleiter An​​​​​​​dreas​​​​​​​ Schober, der im Hauptberuf eigentlich Architekt ist.​​​​​​​ z​​​​​​​ap