Kirchheim

Das Unwort in der historischen Altstadt heißt „historisierend“

Waldhorn Investor und Gastronom Robert Ruthenberg sieht sich – entgegen seinem eigentlichen Interesse – an die Vorgabe „kein Fachwerk“ gebunden. Von Andreas Volz

Robert Ruthenberg steckt in einem echten Dilemma: Er hat vor anderthalb Jahren das Waldhorn in Kirchheim gekauft, gerade weil es ein schönes altes Fachwerkgebäude ist. Das Hotel hat er seither weiterbetrieben. Das Restaurant, das schon seit einigen Jahren geschlossen war, wollte er umbauen und möglichst rasch wiedereröffnen.

Jetzt aber geht es darum, das niedere Gebäude, in dem das Restaurant untergebracht war, einzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen, weil es sich wegen Baufälligkeit nicht mehr sanieren lässt. „Ich hätte am allerliebsten das alte Fachwerkhaus erhalten“, sagt Robert Ruthenberg und ergänzt: „Es hat mich viel Geld gekostet, um herauszufinden, dass das nicht geht.“ Für das Waldhorn hat er sich überhaupt nur wegen dessen historischem Erscheinungsbild interessiert: „Dieses alte Ensemble wäre ja mein Wettbewerbsvorteil gewesen.“

Nachdem klar war, dass sich das Haus nicht mehr retten lässt, war zunächst von einem neuen Holzbau die Rede, von einem modernen Fachwerkbau. Inzwischen aber stand im Kirchheimer Gestaltungsbeirat ein Entwurf zur Diskussion, der nichts mehr mit dem ursprünglichen Gebäude zu tun hat – von der Kubatur abgesehen (wir berichteten).

Das Problem scheint tatsächlich die Formulierung „nicht historisierend“ zu sein, die irgendwann in einem Protokoll auftauchte. Für Robert Ruthenberg ist genau das die Zwickmühle: „Ich darf nichts Historisierendes machen.“ Die wesentliche Bedeutung von „nicht historisierend“ meine aber im Kern so viel wie „kein Fachwerk“. Er kann das selbst nicht richtig verstehen und bemerkt deshalb: „Meiner Meinung nach hat auch die Beibehaltung der Kubatur nur dann einen Sinn, wenn man ,historisierend‘ baut.“

Die Gründe, warum ein neues Fachwerkgebäude nicht möglich ist, gibt der Investor mit dem Brandschutz als K.o.-Kriterium an: „Was mir dann noch übrig bliebe, wäre eine Betonwand mit einer Fachwerktapete davor.“

Wenn schon ein moderner Neubau in alter Kubatur, dann wollte Robert Ruthenberg wenigstens mit alten Materialien arbeiten, alten Türen und alten Hölzern, die die Fenster einrahmen. Man hat ihm davon abgeraten. Die Gefahr, dass die Experten alles Alte ablehnen würden, war als zu groß erschienen: „Ich kann ja auch nicht komplett an der Stadt und am Gestaltungsbeirat vorbeiplanen.“

Robert Ruthenberg sagt von sich selbst: „Ich bin nicht der typische Innenstadtinvestor. Der würde da nämlich mindestens ein zweigeschössiges Gebäude reinhauen.“ Auf diesen Gedanken kommt er aber gleich gar nicht. Seine Vorstellung vom „ehrlichen Holzhaus“ wollte er wenigstens noch auf den Dachstuhl retten. Und um diesen sichtbar zu machen, sei eben die Idee vom großen Fenster im ersten Obergeschoss entstanden.

An jener Scheibe hängt auch die geplante Nutzung des Obergeschosses als Veranstaltungssaal: „Wenn die Scheibe wegfällt, kommen da Hotelzimmer rein.“ Der einzige Kompromiss, den er angesichts der drängenden Zeit noch sieht, besteht tatsächlich darin, in die moderne Giebelfassade alte Materialien zu integrieren: „Dann wirkt das alles schon nicht mehr so steril.“