Kirchheim
„Der Arbeitsmarkt wird stabil bleiben“

Bilanz Der Rückblick der Agentur für Arbeit im Bezirk Göppingen fällt positiv aus: 2022 gab es mehr Stellen und weniger Arbeitslose als 2021. Allerdings haben sich die Zahlen im vierten Quartal verschlechtert. Von Andreas Volz

Aus Sicht der Agentur für Arbeit im Bezirk Göppingen ist die Corona-Krise überwunden – wenn auch noch nicht ganz: Alle Statistiken, die beim Pressegespräch zum Jahresauftakt vorgelegt wurden, zeigen sowohl den deutlichen Einbruch auf dem Arbeitsmarkt ab März 2020 als auch die Erholung, die spätestens Anfang 2021 eingesetzt hat. Das einzige, was den Blick auf die makellose Bilanz trübt, ist die Verflachung der Kurven zum Jahresende 2022 hin. 

So lag beispielsweise die Zahl der offenen Arbeitsstellen, die der Agentur gemeldet waren, bis August deutlich über dem Vorjahresniveau. Danach fällt die Kurve ab, und seit Oktober liegt sie unterhalb der Zahlen von 2021. Zum Jahresende lag die Zahl der Stellen bei 7 938 – gegenüber 8 989 Ende 2021. Bettina Münz, Geschäftsführerin Operativ der Agentur für Arbeit Göppingen, wertet diesen Rückgang als Zeichen dafür, dass sich die Unternehmen aktuell etwas zurückhalten, wenn es darum geht, neues Personal einzustellen. Das liege wohl an den unsicheren Rahmenbedingungen, nicht zuletzt angesichts der Energiekrise und der allgemein steigenden Kosten.

Den Trend der offenen Stellen spiegelt auch die Arbeitslosenstatistik wider: 2020 begann der große Anstieg im März – als die Pandemie in Deutschland angekommen war. Seit August 2020 ist die Zahl der Arbeitslosen im Agenturbezirk – zu dem die Landkreise Esslingen und Göppingen zählen – nahezu kontinuierlich zurückgegangen, bis zur negativen Trendwende ab Juni 2022. Allerdings wirkt der Anstieg in der zweiten Jahreshälfte nicht wirklich alarmierend: Von 3,4 Prozent im Mai geht die Entwicklung auf 3,7 Prozent im Dezember.

Die Arbeitslosenquote lag 2022 bei 3,7 Prozent im Jahresdurchschnitt

Bei 3,7 Prozent liegt auch die durchschnittliche Arbeitslosenquote im Agenturbezirk für 2022, was eine Verbesserung gegenüber den 4,1 Prozent als Durchschnitt des Jahres 2021 bedeutet. Deutliche Unterschiede gibt es in diesem Fall zwischen den beiden Landkreisen im Bezirk: Im Landkreis Esslingen lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote im vergangenen Jahr bei 3,5 Prozent, im Landkreis Göppingen dagegen bei 4,1 Prozent. Bei den sechs Geschäftsstellen im Bezirk sind die Unterschiede noch größer. Am besten schnitt Leinfelden-Echterdingen mit 3,1 Prozent ab, den schlechtesten Wert verzeichnete Geislingen mit 4,2 Prozent.

In absoluten Zahlen zeigt sich, dass die Arbeitslosigkeit trotz deutlichen Rückgangs seit 2020 immer noch über dem Vorkrisenniveau liegt: 2019 waren 14 733 Menschen im Agenturbezirk arbeitslos gemeldet. 2022 waren es 16 488 – nachdem die „Spitze“ im Jahr 2020 bei 19 406 gelegen hatte.

Die sozialversicherungspflichtigen Stellen dagegen haben im gesamten Bezirk kräftig zugelegt, was die absoluten Zahlen eindrucksvoll belegen: Vor der Krise gab es 309 372 Stellen (2019), im vergangenen Jahr dagegen verzeichnete die Agentur 311 359 Stellen. Einen gravierenden Unterschied gibt es auch hier zwischen den Landkreisen: Im Kreis Esslingen hat die Stellenzahl nach dem Rückgang in den Pandemie-Jahren kräftig zugelegt – von 220 226 im Jahr 2019 auf 222 774. Im Kreis Göppingen dagegen ist das Vorkrisenniveau von 89 146 Stellen (2019) trotz steigender Tendenz noch nicht wieder erreicht worden: 2022 gab es dort 88 585 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.

Den Trend zur Erholung des Arbeitsmarkts zeigt auch der Zuwachs der Beschäftigten im Bezirk Göppingen – um 1,4 Prozent gegenüber 2021. Vom Zuwachs profitieren fast alle Qualifikationsstufen, also auch die ungelernten „Helfer“, die einfachen „Arbeitskräfte“. Ordentliche Zuwachsraten gab es auch bei „Spezialisten“ und „Experten“. Lediglich die „Fachkräfte“ – die zwischen „Helfern“ und „Spezialisten“ rangieren – hatten 2022 einen Rückgang um 1,8 Prozent gegenüber 2021 zu verzeichnen. Dabei ist allerdings zu bemerken, dass die „Fachkräfte“ die weitaus größte Gruppe sind: In absoluten Zahlen stellen die deutlich mehr als die Hälfte aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Das Fazit von Bettina Münz lautet: „Es lohnt sich auf jeden Fall, eine Ausbildung zu machen.“

Karin Käppel, die Vorsitzende der Geschäftsleitung der Arbeitsagentur in Göppingen, blickt mit großer Zuversicht auf 2023 voraus: „Trotz aller Krisen wird der Arbeitsmarkt auch weiterhin stabil bleiben.“ Mit Sorge sieht sie allerdings die aktuellen Preissteigerungen, die eine große Herausforderung für die Unternehmen darstellen. Außerdem erkennt sie einen Trend, dass zusätzlich zur fachlichen Qualifikation der Beschäftigten „Soft Skills“ wie Teamfähigkeit, Veränderungsbereitschaft oder Pünktlichkeit eine immer größere Rolle spielen.

 

Kurzarbeit hat sich in der Pandemie-Krise bewährt

Wichtigstes Instrument zur Krisenbewältigung auf dem Arbeitsmarkt war die Kurzarbeit, wie Bettina Münz von der Agentur für Arbeit Göppingen berichtet: „Das hat dazu beigetragen, die Arbeitsverhältnisse zu stabilisieren. Ohne Kurzarbeit wären die Arbeitslosenzahlen völlig anders.“ Von Januar bis Mai 2020 sei in diesem Bereich eine „hohe Dynamik“ zu verzeichnen gewesen.

Die Krise im Jahr 2009 „liest“ sich vergleichsweise harmlos, wenn es um die Zahlen der Kurzarbeit geht: Damals gab es innerhalb des Agenturbezirks Göppingen 21 450 Kurzarbeiter in 891 Betrieben. Im Mai 2020 sah das ganz anders aus: 75 678 Kurzarbeiter in 5 761 Betrieben. Das lag unter anderem daran, dass auch in Handel und Gastronomie Kurzarbeit beantragt werden musste.

Ab Mai 2021 sind die Zahlen für Kurzarbeit kontinuierlich gesunken – nachdem sie sich gegenüber dem Vorjahr schon teilweise halbiert hatten: Im Juni 2022 gab es noch 3 433 Kurzarbeiter in 562 Betrieben. Davon wiederum kamen 2 148 Beschäftigte und 366 Betriebe aus dem Landkreis Esslingen. Die Kurzarbeit im Maschinenbau hält Bettina Münz eher für Anzeichen einer Strukturkrise.

Am Budget des Agenturbezirks Göppingen hatte die Kurzarbeit 2021 noch den größten Anteil. Mit 267 Millionen Euro lagen die Ausgaben für Kurzarbeit sogar noch über dem Arbeitslosengeld (199 Millionen Euro). Auch an den Finanzen lässt sich deshalb der Rückgang der Kurzarbeit ablesen: 2022 beliefen sich die Ausgaben auf „nur noch“ 35 Millionen Euro. vol