Kirchheim

Der erste Flugversuch war nur ein Stolpern

Hundert Jahre Segelflug an der Teck: In Dettingen steigt ein großes Fest mit historischen Segelflugzeugen

Hundert Jahre reicht die Geschichte des Segelflugs an der Teck zurück. – Anlass zum Feiern und zu einem kleinen Rückblick.

Der erste Flugversuch war nur ein StolpernFliegerfest am 23. Juli
Der erste Flugversuch war nur ein StolpernFliegerfest am 23. Juli

Kirchheim. 1916, der Erste Weltkrieg mit seinen mörderischen Schlachten tobt in Europa. Noch ist im damaligen Württemberg der Patriotismus ungebrochen, als sich eine Gruppe von Gymnasiasten aus Stuttgart mit einem selbst gebauten Doppeldecker-Gleitflugzeug auf den Weg zur Teck machen. Darunter der 16-jährige Stuttgarter Wolf Hirth, der wie sein großer bekannter Bruder Hellmuth einmal Flieger werden will. Die Gruppe stellt ihr Gleitflugzeug in der Bissinger Turnhalle unter und berät sich, wer den ersten Flug an einem der abfallenden Hänge machen soll. Keiner von ihnen hat fliegerische Erfahrung. Die Frage stellt sich dann aber Tags darauf nicht mehr. Eine Gruppe Bissinger Jugendlicher hat das Gleitflugzeug demoliert, und damit endete der wohl erste bekannte Flugversuch an der Teck, bevor er ausgeführt werden konnte.

Im gleichen Jahr haben die Gebrüder Gutekunst in Kirchheim ebenfalls einen Hängegleiter fertiggestellt. Sie trauen sich aber offensichtlich nicht, damit selbst einen Start zu wagen. Es kommt zum Kontakt mit Wolf Hirth. Hirth unternimmt dann einen Flugversuch. Wo er stattfindet, ist nicht überliefert. Wie Wolf Hirth später, 1957, erzählt, gab es aber nur ein Stolpern und einen verstauchten Fuß.

Nach dem Weltkrieg im Jahr 1919 gibt es wieder Flugversuche an der Teck. Diesmal erfolgreich mit den Leichtflugzeugen L15 und L17, noch ohne Motor, des Konstrukteurs Hanns Klemm von der Daimler Motorengesellschaft in Böblingen. Testpilot dieser Konstruktionen, von denen später auch die motorisierte Version L17 am Teckgelände fliegt, ist der damalige Segelflieger und Mitarbeiter Hanns Klemms, Diplomingenieur Martin Schrenk.

1920 findet der erste Rhönwettbewerb auf der Wasserkuppe in der Rhön statt. Angeregt durch die dortigen ersten Gleitflüge baut der Friseur Heinrich Mammele mit einigen Kameraden in Dettingen ein Gleitflugzeug nach Plänen, die sie aus der Rhön erhalten haben. Nach ersten Rutschern an den „Unteren Wiesen“ bei Dettingen wollen sie einen Start vom Hohenbol wagen. Der Start misslingt, da das Gummiseil reißt. So endet der wohl erste bekannte Flugversuch vom Hohenbol.

1923 gelingt Martin Schrenk mit der Klemm-Konstruktion L17 der erste richtige Segelflug an der Teck, 13 Minuten hält er sich in der Luft. Damit ist der Nachweis erbracht, dass das Teckgelände sich für den Gleit- und Segelflug genau so gut wie die seit 1920 bekannte Rhön eignen würde. Aber erst im Jahr 1926, nach Gründung des Württembergischen Luftfahrtverbandes (WLV), kommt es zu Erkundungsflügen mit einer Klemm L20 durch Diplomingenieur Paul Laubenthal und den Owener Dr. Erwin Neuffer. Die positiven Ergebnisse der Flüge veranlassen den WLV, im Jahr 1927 Verhandlungen mit der Gemeinde Owen über die Einrichtung einer Flugschule an der Teck aufzunehmen. Aus unbekannten Gründen kommt es aber nicht dazu.

1928 erhält der inzwischen durch seine Flüge in der Rhön allseits bekannte Flieger Wolf Hirth eine Anstellung beim WLV. Als Werber für den Gedanken des Segelflugsports reist er überall in Württemberg umher. Auf Einladung des Gewerbeschuldirektors Johannes Keppler hält Wolf Hirth im September 1928 einen Vortrag in Kirchheim. Das Interesse der Anwesenden ist gewaltig. Damit löst er eine Begeisterung für den Gleit- und Segelflugsport in der ganzen Region aus. Bald erweist sich das Gelände an der Teck als ideal für die Gleitflugschulung, sodass sich auch andere Flug- und Arbeitsgruppen Richtung Teck aufmachen.

An Ostern 1929 kommt Wolf Hirth mit dem WLV-Segelflugzeug „Württemberg“ an die Teck. Nach einem Start vom Hohenbol gelingt es ihm, den Westhang der Teck zu erreichen. Nach einer Stunde und zehn Minuten landet Hirth wieder. Durch diesen ersten Stundenflug wird das Teckgelände nun offizielles anerkanntes deutsches Rekordfluggelände, und die Geschichte um den Fliegerberg „die Teck“ nahm seinen Lauf.

 

In Würdigung dieser historischen Zahl 100 und im Gedenken an die Männer und Frauen von damals richten die Fliegergruppen Dettingen, Wolf Hirth Kirchheim und das Fliegende Museum Hahnweide am Samstag, 23. Juli, gemeinsam einen kleinen Flugtag mit historischen Segelflugzeugen am Traditionsgelände in Dettingen aus. Oldies wie Schulgleiter SG 38, Gö1 Wolf, Gö3 Minimoa, Gö4, SHK, Grunau-Baby, Slingsby S21 sind am Boden und in der Luft zu bewundern. Publikum ist herzlich willkommen, und wer Mut und Lust hat, kann vielleicht auch einen Flug mit einem der inzwischen seltenen Doppelsitzer ergattern. Die Dettinger Fliegerfreunde bieten Gaumengenüsse in fester und flüssiger Form, und so darf man sich auf ein rundes Jubiläums-Fliegerfest freuen.