Kirchheim

Der Galgenberg bleibt, wie er ist

Großprojekt Der Kirchheimer Gemeinderat hat mit deutlicher Mehrheit beschlossen, die Ausdehnung des Wohngebiets Galgenberg in Richtung Autobahn nicht mehr weiterzuverfolgen. Von Andreas Volz

Diese Momentaufnahme zeigt, dass die Hahnweidstraße auch ohne neue Wohnbebauung schon gut ausgelastet ist.Foto: Jean-Luc Jacques
Diese Momentaufnahme zeigt, dass die Hahnweidstraße auch ohne neue Wohnbebauung schon gut ausgelastet ist. Foto: Jean-Luc Jacques

Viel Lärm um nichts? Diese Frage ließe sich beim Kirchheimer Thema „Regionaler Wohnungsbauschwerpunkt Galgenberg“ sofort bejahen - vor allem im Wortsinn: Es geht um viel Lärm, in erster Linie um den Verkehrslärm der nahen Autobahn. Und letztlich geht es um nichts: Der Gemeinderat ist dem Vorschlag der Verwaltung gefolgt und hat beschlossen, alle Planungen für die Bebauung des Gebiets zwischen „Lange Morgen“ und Autobahn einzustellen.

Damit lässt sich auch im übertragenen Sinn auf „viel Lärm“ verweisen, der da um „nichts“ gemacht wurde. Jahrelang hatten sich Verwaltung und Gemeinderat mit der Idee befasst, auf der freien Fläche am Galgenberg Wohnraum für rund 1 200 Menschen zu schaffen. Die vorbereitenden Untersuchungen waren bereits weit fortgeschritten, bevor die Stadtverwaltung die Sache nun zum endgültigen Stillstand gebracht hat.

Kirchheims oberster Stadtplaner Gernot Pohl fasst zusammen, woran das Projekt bereits in der Anfangsphase gescheitert ist: „Der Lärm der Autobahn setzt schwierige Rahmenbedingungen.“ Deswegen war vorgesehen, am Rand der Neubebauung hohe Wohngebäude hochzuziehen, die das übrige Gebiet gegen den Lärm der Autobahn hätten abschirmen sollen.

Ein weiteres großes Problem wäre die Erschließung des Areals gewesen: „Mit dem bestehenden Straßensystem führt das zu Schwierigkeiten.“ Es hätte weitere Erschließungsstraßen gebraucht, die „teilweise abenteuerlich“ verlaufen wären. Aus beiden Gründen - Autobahnlärm und Verkehrserschließung - war das eigentliche Ausmaß des möglichen neuen Wohngebiets schon frühzeitig um die Hälfte reduziert worden.

Außerdem hat sich die Befürchtung, dass die Stadt die Entwicklung des Areals auf eigene Rechnung hätte vorfinanzieren müssen, mittlerweile vollauf bestätigt: Von 25 Millionen Euro ist in diesem Zusammenhang die Rede - Geld, das erst einmal aufgebracht werden will, auch wenn sich das Projekt im Nachhinein durch Grundstücksverkäufe refinanzieren lässt.

Die Stadt will indessen nicht ganz auf vergleichbare Großprojekte verzichten. Statt auf den Galgenberg setzt sie jetzt auf die Weiterentwicklung des Wohngebiets Berg-Ost in Ötlingen. Zumindest beim Autobahnlärm ist der Unterschied zwischen beiden Gebieten aber nicht allzu groß.

Im Gemeinderat stieß der Plan, die Pläne für den Galgenberg aufzugeben, auf breite Zustimmung. Enorm groß war auch die Zahl derjenigen, die von Anfang an skeptisch gewesen sein wollen. Deswegen erinnerte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker daran, dass der Beschluss für die vorbereitenden Untersuchungen nahezu einstimmig gefallen war. Allerdings kann man die Untersuchungen ja durchaus beschließen - auch in der Erwartung, dass sie am Ende empfehlen könnten, das Projekt aufzugeben.

Andreas Kenner (SPD) und Reinhold Ambacher (Freie Wähler) schlugen vor, den Plan doch zu verwirklichen, aber vielleicht ganz langsam, Stück für Stück, oder auch nur minimal, indem alle vorhandenen Straßen wenigstens beidseitig bebaut werden.

Beide Vorschläge würden nicht funktionieren, stellte Gernot Pohl fest: „Der Lärm von der Autobahn ist ja immer da. Deswegen müssten wir mit den großen Gebäuden ganz am Rand beginnen.“ Und die Arrondierung des Areals im kleinen Stil habe ja gerade den Anstoß für den gesamten Wohnbauschwerpunkt gegeben: Auch für ein paar wenige Häuser wären aufwendige Kanalerschließungen nötig, die sich vor allem dann rentieren würden, wenn die ganz große Lösung folgt.

Die Argumente der Verwaltung haben den Gemeinderat überzeugt, sich vom regionalen Wohnungsbauschwerpunkt Galgenberg komplett zu lösen. Der entsprechende Beschluss fiel mit großer Mehrheit. Lediglich die SPD-Fraktion steuerte sechs Gegenstimmen bei.

Kommentar: Nichts für die Annalen

In die Annalen gehen fast immer nur Taten ein - egal ob eine Unternehmung gelungen oder grandios gescheitert ist. Beides scheint der Erinnerung wert zu sein, denn beides hat Folgen, so oder so. Bei hochfliegenden Plänen ist das anders. Solange diese Pläne nur Schubladen füllen, um irgendwann wieder aussortiert zu werden, sind sie allenfalls hypothetisch interessant, unter der Fragestellung: „Was wäre gewesen, wenn . . .?“ Dabei ließen sich mit einer Aufzählung von Projekten, die nie verwirklicht wurden, wahrscheinlich weitaus größere Annalen-Bände füllen.

In diese Nicht-Annalen wird jetzt jedenfalls der regionale Wohnungsbauschwerpunkt Galgenberg eingehen, und das ist auch gut so. Zu groß wären die Schwierigkeiten gewesen, die einer Umsetzung des ehrgeizigen Projekts im Weg standen. Dem Milcherberg und dem Galgenberg hätte der Verkehrskollaps gedroht, von der Finanzierung einmal ganz abgesehen.

Hätte man das alles vorher schon sehen und erkennen können, bevor man Zeit und Geld in Beratungen, Planungen und Voruntersuchungen steckt? Ja: Sehen und erkennen hätte es sich durchaus lassen. Skeptische Stimmen haben das städtebauliche Großprojekt denn auch von Anfang an begleitet.

Aber Kassandrarufe allein genügen heute eben nicht mehr. Es geht darum, der Sache auf den Grund zu gehen und klare Argumente dafür zu liefern, ob es sich lohnt, den Galgenberg stark zu erweitern, oder eben nicht. Wenn nun die Voruntersuchungen zu dem Ergebnis geführt haben, dass es sich nicht lohnt, dann heißt das nicht automatisch, dass sich deswegen auch die Voruntersuchungen nicht gelohnt haben.

Es war in diesem Fall besser, Geld in die Theorie des Projekts zu stecken, als es in die Praxis zu versenken - und sich am Ende verwundert die Augen zu reiben, weil es nicht funktioniert. Von Andreas Volz