Kirchheim

Der gerapte Erlkönig

Beim Konzert des „Swing Fagottets“ spielen vier Musiker zehn Instrumente

Kirchheim. Zwei Violinen, drei Tenöre, Streichquartett und so weiter, vom Quintett bis zum Oktett: das ist der Hintergrund des Swing Fagot­tets, dass am vergangenen

Ernst Leuze

Sonntag in der Kirchheimer Stadthalle nun schon zum dritten Mal zu hören war – im Abo-Konzert des Kulturrings.

Den werbewirksamen Beinamen Swing ersetzen wir besser durch den deutschen Schwung. Zwar können die vier Rundfunk-Musiker ganz gut swingen, wenn’s sein muss, doch was durch das abwechslungsreiche Programm getragen hat, war der Schwung, die unbändige Lust am Musizieren. Keineswegs nur auf Fagotten, diesen seltsamen Bass-Ins­trumenten, die Orchesterbläser irgendwo im Hintergrund vor sich hin brummen und nur selten solistisch hervortreten.

Verständlich, wenn Fagottisten auch einmal die Hauptrolle spielen wollen und gleich zu viert zum Rampenlicht drängen. Doch wie soll das zusammengehen: vier Bass-Instrumente, die unten schwach, in der Höhe eher gequält, nur in der Mittellage wirklich angenehm klingen. In diesem eng begrenzten Tonraum vier Stimmen unterzubringen, ist fast unmöglich, abgesehen davon, dass in der großen Oktave, der tiefsten Lage, eine harmoniebildende Terz für das menschliche Ohr nur schwer erkennbar bis unerträglich klingt.

Deshalb fand sich auch keine einzige Originalkomposition im Programm der vier Virtuosen – vielleicht gibt es auch gar keine, die publikumswirksam wäre. Dafür erklangen äußerst raffinierte, nein, wirklich gekonnte Arrangements, die meisten vom Ensemble-Mitglied Georg ter Voert senior geschrieben, besser gesagt, auf den Leib geschneidert. Dieser Tausendsassa wechselte auch ans Klavier. Übertroffen wurde er nur von seinem Sohn, Georg ter Voert junior, der neben Fagott auch noch Xylofon, Piccoloflöte und Saxofon spielte und damit die Zuhörer zum Rasen brachte.

Vier Spieler, doch zehn verschiedene Instrumente: neben Fagott auch Kontrafagott, Alt- und Sopransaxofon, Piccolo, Xylophon, Klavier, Akkordeon und selbst Cajon samt E‑Bass – in allen erdenklichen Kombinationen. Es ist die alte Stadtpfeifertradition, wo jeder Spieler selbstverständlich mehrere Instrumente beherrschen musste.

Angesichts dieser betörenden Vielfalt wäre es ja nicht nötig gewesen, mit so zweifelhaften Slogans wie „Fagott around the world, eine musikalische Weltreise“, um sich zu werfen. Der Moderator Wolfgang Milde (ein Sohn übrigens des legendären Solo-Oboisten Friedrich Milde) führte gekonnt kurzweilig durchs Programm. Das begann, leicht kalauernd, mit Bruchstücken aus Eurovisionsfanfare und Eurohymne und kam zum Schluss mit einem verswingten Deutschlandlied. Ohne Klamauk scheint es bei Bläsern heutzutage ja nicht mehr zu gehen. Trotzdem war's ganz nett.

Spielten die vier ausnahmsweise alle ihr Fagott, zauberten sie zwar nicht die publikumswirksamsten Momente, aber es gab am meisten zu bewundern: tadellose Intonation, atemberaubende rhythmische Präzision, perfekte dynamische Ausgewogenheit in genialen Arrangements. Dass für den verhinderten Hanno Dönneweg der Kollege Christof Buschmann eingesprungen war, merkte kein Mensch. Ein Hoch auf diese Leistung! genauso wie auf den noch nicht genannten Kollegen Libor Sima, der nicht nur auf dem Fagott, sondern auch auf Xylofon und Bassgitarre glänzte. Dazu hin arrangierte er äußerst gekonnt Schuberts „Erlkönig“. Damit bot er dem Moderator Gelegenheit, mit einer selbst gedichteten Rap-Version des Goethegedichts zu glänzen. Toll!