Kirchheim

Der Kreis leistet Gehhilfe

Gesamtkonzept für Integration soll aus Zuwanderern chancengleiche Bürger machen

Ein Konzept – viele Beteiligte: Die Esslinger Kreisverwaltung will bei der Integration von Zuwanderern nichts dem Zufall überlassen.

Türöffner zum selbstbestimmten Leben: Junge Flüchtlinge bereiten sich in Sprach- und Integrationskursen auf Ausbildung und Beruf
Türöffner zum selbstbestimmten Leben: Junge Flüchtlinge bereiten sich in Sprach- und Integrationskursen auf Ausbildung und Beruf vor.Foto: Jean-Luc Jacques

Esslingen. Etwa 5 800 Menschen, die auf der Flucht sind, leben zurzeit in Gemeinschaftsunterkünften im Kreis Esslingen. Rund die Hälfte davon, so die Schätzungen, wird bleiben dürfen. Sie brauchen Wohnungen, Arbeit, Zugang zu medizinischer Versorgung und vor allem Sprachkenntnisse. Die wichtigsten Säulen, die eine Integration ermöglichen, will die Esslinger Kreisverwaltung nun kurzschließen und damit erreichen, dass die Eingliederung besser und schneller gelingt.

Mit dem jetzt vorgelegten Entwurf für einen groß angelegten Integrationsplan, der 2017 umgesetzt werden soll, ist der Kreis Esslingen einer der ersten im Land, der den vom Bund vorgegebenen Rahmen auf lange Sicht gestaltet. Der Zeitpunkt ist günstig. Nach mehr als einem Jahr mit ständig wachsenden Flüchtlingszahlen hat sich die Lage im Frühjahr beruhigt. Zwar weiß immer noch niemand, was 2016 bringen wird. Landrat Heinz Eininger rechnet jedoch damit, dass die 570 Unterkunftsplätze, mit denen man beim Land derzeit noch in der Schuld steht, bis Ende August zur Verfügung stehen werden. Gleichzeitig sollen bis Jahresende sämtliche Sporthallen im Kreis geräumt sein. Mobile Arbeitsgruppen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sind derzeit dabei, die 850 bisher noch nicht registrierten Flüchtlinge im Kreis an Ort und Stelle zu erfassen, um Verfahren zu beschleunigen. Zeit also, die Weichen zu stellen, für den zweiten Schritt: die Begleitung der Menschen in dauerhaftes Wohnen.

Wie dringend nötig ein Masterplan ist, zeigt allein die Fülle an Angeboten und Akteuren in der Flüchtlingshilfe. So vielfältig wie ihre Klientel. Sozialberater, Sprachförderer, Arbeitsinitiativen, Mediziner und ein Heer von Ehrenamtlichen arbeiten schon seit September vorigen Jahres im „Netzwerk Flüchtlinge“ zusammen. Der Landkreis führt Regie und bezuschusst zudem 15 Koordinationsstellen in den Kommunen für die Hilfe vor Ort. Das Leitmotiv „keiner soll verloren gehen“ ist leichter formuliert als in die Tat umgesetzt. Vom Kind bis zum Greis, vom Akademiker bis zum Jugendlichen ohne Schulbildung, dazu traumatisierte Gewaltopfer. Sie alle suchen ihren Platz. Es geht um Ausbildung und Beruf aber auch um Themen wie kultursensible Altenpflege. Immerhin sind etwa 16 Prozent aller Kreisbewohner mit Migrationshintergrund inzwischen älter als 65 Jahre.

Eine engere Vernetzung der Hilfen, regelmäßiger Austausch und zusätzliche Arbeitsebenen sollen nun dafür sorgen, dass jeder Topf seinen Deckel findet und doppelte Arbeit vermieden wird. Vor allem: dass sich Menschen, die fremd sind, möglichst rasch alleine im Alltag zurecht finden.

Eine Hauptaufgabe schon in diesem Jahr wird die zweimonatige Nachbetreuung beim Übergang von der Gemeinschaftsunterkunft in die eigene Wohnung sein. „Wir müssen dieses Jahr nutzen, um zu sehen, wo wir nachregeln müssen“, betonte Landrat Heinz Eininger bei der Vorstellung des Rahmenkonzeptes gestern im Sozialausschuss.

Was die Umsetzung eines künftigen Integrationsplans den Kreis kosten wird, ist offen. Die Konzeption habe man mit bestehendem Personal erarbeitet, sagte Eininger. „Die Kosten, die sich daraus ergeben, werden wir im Haushalt jedoch irgendwann abbilden müssen." Wieviel davon hängen bleibt, werden Bund und Land entscheiden, die den künftigen Gesetzesrahmen vorgeben.

Buntes Baden-Württemberg

Was ist ein Migrationshintergrund? Zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund zählen alle in Deutschland lebenden Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Zudem alle Deutschen, die nach 1950 zugewandert sind sowie deren Kinder.

Jeder Dritte mit fremden Wurzeln 2013 lebten fast drei Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Baden-Württemberg. Das sind 28 Prozent der Bevölkerung, was in etwa auch dem Anteil im Landkreis Esslingen entspricht. Davon besaßen rund 1,2 Millionen Baden-Württemberger eine ausländische Staatsangehörigkeit. Alle Ausländer und Spätaussiedler, die innerhalb der letzten Jahre nach Deutschland eingewandert sind, also auch alle Asylbewerber und Flüchtlinge, gelten als Neuzuwanderer.

Wachstum durch Zuwanderung Der Grad der Zuwanderung spiegelt sich auch in der Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Esslingen wider. Zwischen den Jahren 2011 und 2015 ist die Bevölkerungszahl im Kreis um drei Prozent gewachsen. Im gleichen Zeitraum stieg der Ausländeranteil um zwei Prozent.bk