Kirchheim

Der Kreis schärft die Sinne

Klimaschutz Die Verwaltung legt ein 200 Seiten starkes Papier mit Maßnahmen und Zielen vor. Um die zu erreichen, müssen auch die Kommunen mitziehen. Von Bernd Köble

Solarstrom vom Dach des Kirchheimer Kompostwerkes: Bei erneuerbaren Energien hat der Kreis Nachholbedarf.Foto: Jean-Luc Jacques
Solarstrom vom Dach des Kirchheimer Kompostwerkes: Bei erneuerbaren Energien hat der Kreis Nachholbedarf. Foto: Jean-Luc Jacques

Die Esslinger Kreisverwaltung hat zum ersten Mal ein konkretes Maßnahmenpaket für mehr Klimaschutz geschnürt und darin auch klare Ziele formuliert. ­Gemeinsam mit den Städten und Gemeinden im Kreis soll es gelingen, den Ausstoß an Treib­hausgasen bis 2050 um mindestens 60 Prozent gegenüber 2017 zu senken. Bis zum Jahr 2030 will man eine Reduzierung von 35 Prozent erreichen. „Es geht darum, ein gemeinsames Ziel vor Augen zu haben, an dem wir uns messen lassen wollen“, sagt die Erste Landesbeamtin im Landratsamt, Marion Leuze-Mohr, zum jetzt vorgestellten Klimaschutzkonzept, dessen erster Band 200 Seiten umfasst. Ein zweiter soll im März nächs­ten Jahres folgen.

Ein Jahr lang hat das Heidelberger ifeu-Institut im Auftrag des Landkreises Daten gesammelt, Workshops abgehalten und Wissenschaftler und Kommunalpolitiker an einen Tisch gebracht. Im neuen Jahr geht es nun um erste konkrete Schritte wie die Einstellung eines Klimaschutzmanagers als Koordinationsstelle im Landratsamt oder den Umbau der bestehenden Energieagentur in eine Klimaagentur. Die gibt es seit 2007 in Nürtingen und war zunächst als Beratungsstelle für Privatpersonen gedacht, die beim Hausbau oder der energetischen Sanierung von Wohngebäuden Tipps bekommen sollten, was sinnvoll ist und wie man an entsprechende Fördermittel kommt. Vor zwei Jahren hat die Energieagentur de facto ihre Arbeit eingestellt, weil Personal und Geld fehlte. Jetzt soll das Aufgabengebiet deutlich ausgedehnt, die neue Klimaagentur zum Servicepartner für Kommunen werden. Dreieinhalb Stellen sind dafür vorgesehen, die drei Jahre lang zu 65 Prozent vom Bund gefördert werden.

Doch worum geht es überhaupt? Das Konzept enthält fast 100 Einzelmaßnahmen, die von energieeffizientem Wohnungsbau oder dem Energiemanagement kommunaler Gebäude über nachhaltige Mobilität bis hin zur Landwirtschaft reichen. Der Landkreis will dabei Vorbild sein, wie Leuze-Mohr betont. Deshalb sind der Neubau des Landratsamtes nach strengen Klimakriterien und das Klimaschutzmanagement der Medius-Kliniken zwei von mehreren Leuchturmprojekten.

Steckbriefe für 26 Kommunen

Klar ist aber auch: Die Ziele sind nur erreichbar, wenn möglichst viele an einem Strang ziehen. 26 von insgesamt 44 Städten und Gemeinden im Kreis beteiligen sich am Klimaschutzkonzept. Jede dieser Kommunen erhält zurzeit einen auf sie zugeschnittenen Steckbrief mit entsprechenden Handlungsempfehlungen, die dann Anfang März im zweiten Band des Klimaschutzkonzeptes enthalten sein sollen. Die Großen Kreisstädte, darunter auch Kirchheim, betreiben Vergleichbares bereits in eigener Regie. Zehn Kommunen haben sich weder dem Kreis angeschlossen noch verfügen sie über ein eigenes Konzept. Zu ihnen gehört neben den Gemeinden Notzingen und Ohmden auch die Stadt Weilheim.

Viel Lob von politischer Seite gibt es schon jetzt, obwohl das Gesamtkonzept am 2. April noch vom Kreistag abgesegnet werden muss. „Dieses Papier ist bärenstark, sehr konkret und zeigt uns einen pragmatischen Weg für die nächsten Jahre auf“, meint Jürgen Menzel, umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Kreistag. Menzel ist im Hauptberuf Geschäftsführer der Energieagentur im benachbarten Rems-Murr-Kreis.

Die für das Klimaschutzkonzept vorgesehenen 100 000 Euro im Kreishaushalt 2020 hält auch Kirchheims Bürgermeister Günter Riemer (Freie Wähler) für gut angelegtes Geld. Auch deshalb, weil neue Technologien zum Klimaschutz eine Chance für Industrie und Gewerbe in der Region darstellten, wie er betont. Die neu im Kreistag vertretene AfD hatte im Umweltausschuss Zweifel an der Deutung erdgeschichtlicher Zusammenhänge angemeldet. Warmphasen hätten sich auf den Menschen stets positiver ausgewirkt als Kälteperioden, wandte ihr Sprecher Manfred Kovarik ein. Dass Klimaschutz sinnvoll sei, wollte aber auch er nicht bestreiten.