Kirchheim

Der Krieg der Geheimdienste

Der Nah-Ost-Experte Michael Lüders stellt in der Buchhandlung Zimmermann seinen neuen Thriller vor

Der Islam- und Orientexperte Michael Lüders arbeitete als Nahostkorrespondent. In der Buchhandlung Zimmermann hat er seinen neue
Der Islam- und Orientexperte Michael Lüders arbeitete als Nahostkorrespondent. In der Buchhandlung Zimmermann hat er seinen neuen Thriller „Never Say Anything“ vorgestellt und handsigniert.Foto: Andrea Barner

Kirchheim. Eine junge Frau aus Berlin zwischen Drohnen und schmutzigem Krieg auf Guerilla-Basis, gesteuert aus Deutschland durch die USA. – „Never Say Anything“ heißt

der neue Bestseller von Michael Lüders. In der Kirchheimer Buchhandlung Zimmermann ging es nicht nur um den Thriller, sondern auch um handfeste Informationen, Politik und grausame Details aus der Realität im arabischen Raum.

Der Autor, Jahrgang 1959, ist keiner, der alles schluckt, was Pressestellen und Medien über Krisen und Kriege im Nahen Osten glauben machen. Als Islamwissenschaftler kennt Michael Lüders den „Orient“ wie kaum ein Zweiter. Er ist unter anderem als Nachfolger von Peter Scholl-Latour Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, ein gefragter Sachbuchautor und Kommentator. Ein Mann, der weiß, wie Menschen in diesen Regionen ticken und was hinter den Kulissen abläuft. Seine Romanfigur Sophie Schelling hat davon keine Ahnung, sie will als Journalistin lediglich von einem mystischen Bauwerk in der Wüste Marokkos berichten. Dabei wird sie zufällig Zeugin eines amerikanischen Drohnenangriffs, bei dem alle Bewohner eines kleinen Dorfes ausgelöscht werden. Sie überlebt als Einzige und setzt alles daran, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, dass es sich keinesfalls um ein Al-Qaida-Massaker gehandelt hat, wie allgemein berichtet wird. Sie entschließt sich, mutig den Kampf „David gegen Goliath“ aufzunehmen und muss bald am eigenen Leib erfahren, dass sich keiner ungestraft mit dem Imperium anlegt.

„Ich glaube, das Wesen dieses Romans ist wirklich, dass er ein Thriller ist, der aber viele Elemente enthält, die der Wirklichkeit entlehnt sind“, so charakterisiert Michael Lüders sein jüngstes Werk. „Was hier beschrieben wird über Drohnenangriffe beispielsweise, das gibt es täglich in Ländern der Dritten Welt, wir erfahren davon nur sehr wenig.“ Seiner Heldin Sophie stellt er einen amerikanischen Enthüllungsjournalisten zur Seite, der an Michael Hastings erinnert. Das war ein wirklicher US-Journalist, der gegen den amerikanischen Geheimdienst und das Militär ermittelt hat und dabei auf rätselhafte Weise ums Leben kam. Für Sophie stellt sich die Frage, ob sie ihr eigenes Leben riskieren will, um die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Michael Lüders verrät den Zuhörern im voll besetzten Lesesaal der Buchhandlung natürlich nicht, wie die Geschichte ausgeht. Aber: „Es ist in der Tat so, dass die Realität noch viel schlimmer ist, als was man sich in seiner schmutzigsten Fantasie ausdenken kann. In vielen Ländern der arabischen, der islamischen Welt gehört der Drohnenkrieg zum Alltag.“ Die westlichen Geheimdienste spielen eine wichtige Rolle. „Never Say Anything“ heißt der Roman nicht ohne Hintergedanken, die Anspielung ist offensichtlich. Lüders bestätigt: „Wenn man sich die drei Anfangsbuchstaben hintereinander geschrieben vorstellt, dann hat man eine Vorstellung davon, mit wem sich Sophie Schelling hier anlegt.“

Diverse kurze Textpassagen, die der Schriftsteller vorliest, machen Laune, das Buch zu kaufen und zu lesen. Es ist als Taschenbuch durchaus erschwinglich und verspricht mit 367 Seiten stundenlanges, spannendes Lesevergnügen. Der Leser spürt auf jeder Seite die ungeheure Sachkenntnis des Autors. Die Grenzen zwischen Fantasie und Wirklichkeit verschwimmen bis zur Unkenntlichkeit.

Die Diskussion im Anschluss an die Lesung gerät gewollt sehr schnell zum politischen Frage- und Antwort-Spiel zwischen Publikum und Autor mit zahlreichen Informationen. Ein Grundproblem in den Krisenregionen des Nahen Ostens scheint zu sein, dass „westliche Denke“ dort nicht greift. Teilweise herrscht noch Stammesdenken und „man nimmt halt einfach keinen Syrer auf“, selbst wenn er ein Glaubensbruder ist. Nach Saudi-Arabien will offenbar keiner aus den Nachbarstaaten, viele glauben, das Land habe den Krieg in Syrien angezettelt. Die Rolle der USA sei nach Ansicht von Michael Lüders noch viel bedeutsamer und nicht immer so „sauber“ wie allgemein bekannt. So soll Hillary Clinton eine wichtige Rolle beim Sturz Muammar al-Gaddafis gespielt und die USA durch Politik und militärische Interventionen mächtige Keile zwischen die arabischen Staaten, Iran und Afghanistan getrieben haben. Der Tod komme „per Knopfdruck“ aus den US-Hauptquartieren in Stuttgart und Ramstein beziehungsweise für andere Krisenregionen im Mittleren Osten aus Katar.

Die geheimdienstlichen Vorgehensweisen der USA, die Michael Lüders anprangert, sind nach Ansicht des Autors überall auf der Welt ganz ähnlich: „Das ist ja auch etwas, das immer wieder durch die Medien geistert, nämlich dass die Geheimdienste sehr viel mehr Macht ausüben, als es ihnen von Gesetz wegen zusteht“. Sein Ziel sei, das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu schärfen und Gegenwind zu erzeugen.