Kirchheim

Der lautlose Angriff von hinten

Natur Auch unter Bussarden gibt es Helikopter-Eltern, die ihre Zöglinge mit ganzem Einsatz schützen. Manchmal geraten deshalb auch Freizeitsportler ins Visier der Greifvögel. Von Daniela Haußmann

Bussarde legen es nicht darauf an, Menschen zu verletzen. Angriffe gegen Jogger sollen lediglich den gefiederten Nachwuchs schüt
Bussarde legen es nicht darauf an, Menschen zu verletzen. Angriffe gegen Jogger sollen lediglich den gefiederten Nachwuchs schützen. Foto: Carsten Riedl

Von Mai bis Juli wird der Bussard-Nachwuchs flügge. Begleitet von den Eltern unternimmt er erste Flugversuche. Der Schutz der Jungen steht für die Alttiere in dieser Zeit an erster Stelle. Deshalb kann es laut Sascha Richter immer wieder einmal zu unangenehmen Begegnungen zwischen Mensch und Tier kommen. Vermeintliche Feinde werden in einem Abstand von etwa 30 Metern um das Nest durch Scheinangriffe in die Flucht geschlagen, wie der Wildtierbeauftragte des Landratsamtes Esslingen erklärt: „Die Greifvögel nähern sich lautlos und ausschließlich von hinten.“ Freizeitsportler sind nach einer Attacke in aller Regel erst einmal irritiert und verunsichert, denn genauso schnell wie der Bussard auftaucht, verschwindet er nach Auskunft des Wildtierbeauftragten auch wieder.

„Die Opfer registrieren lediglich einen Schlag am Kopf oder das Rauschen der Flügel, wenn das Tier direkt an ihnen vorbeizieht“, so Sascha Richter. „Das Ganze läuft sehr schnell ab. Den rücklings anfliegenden Angreifer bekommen die Betroffenen in den wenigsten Fällen zu Gesicht.“ Vogelexperte Dr. Wulf Gatter betont, dass es der Bussard in der Regel bei einem Scheinangriff belässt, bei dem er in letzter Sekunde abdreht. Auch wenn solche Vorkommnisse, die in den Medien derzeit gehäuft aufgegriffen werden, Erinnerungen an Alfred Hitchcocks Horror-Klassiker „Die Vögel“ hervorrufen, besteht kein Grund zur Panik.

Bei den Attacken handelt es sich laut dem Ornithologen Wulf Gatter um Einzelfälle. Meist ist der Schrecken bei einem solchen Angriff größer als der tatsächliche Schaden. Der Experte räumt ein, dass eine derartige Begegnung mit dem Bussard bedrohlich wirkt. Er weist aber deutlich darauf hin, dass die Greifvögel ihre Krallen nirgendwo hineinrammen, keinen Intensivangriff starten und auch nicht die Verfolgung aufnehmen.

„Angst, dass die Bussarde krank sind und Tollwut übertragen, muss niemand haben. Genau wie beim Menschen gibt es auch unter ihnen Exemplare, die einen außergewöhnlichen Beschützerinstinkt an den Tag legen, wenn es um ihren Nachwuchs geht,“ erklärt Sascha Richter. Wer ins Visier der Raubvögel gerät, sollte Ruhe bewahren und sich in normalem Schritttempo entfernen. Nach Erfahrung des Wildtierbeauftragten sind es fast ausschließlich Jogger, gegen die Bussarde Scheinangriffe fliegen. Da sie sich relativ schnell bewegen, werden sie im Gegensatz zu Spaziergängern als Bedrohung wahrgenommen, wie der Wildtierbeauftragte erklärt. „Radfahrer, die mit relativ hohem Tempo durch den Wald fahren, passieren den kritischen Nestbereich so schnell, dass die Alttiere in ihnen keine Gefahr sehen“, weiß Sascha Richter. Mountainbikern, die abseits der Wege quer durch den Forst fahren, können dagegen ebenfalls in den Fokus der Bussarde geraten.

„In besonders unwegsamen Bereichen sind sie langsamer unterwegs als Radler, die auf den Wegen bleiben“, so der Fachmann, der darauf hinweist, dass abseits der Hauptpfade zudem die Wahrscheinlichkeit, in die Nähe eines Greifvogelnestes zu geraten, noch größer ist.

„Abgesehen davon ist es gesetzlich verboten, die befestigten Waldwege zu verlassen“, betont Richter. Eine Ordnungswidrigkeit, für die der Gesetzgeber Geldbußen in Höhen von 2 500 bis 10 000 Euro vorsieht. Gleiches gilt auch, wenn Räder auf Wegen gefahren werden, die weniger als zwei Meter breit sind. Familien, die in den nächsten Wochen den Wald aufsuchen, müssen um ihre Kinder keine Angst haben. Um Gruppen fliegen die Greifvögel laut Richter nämlich einen großen Bogen. Grundsätzlich steuern Bussarde immer den höchsten Punkt an, beim Menschen ist das der Kopf.

Um Zwischenfälle mit Bussarden präventiv zu vermeiden, rät Sascha Richter deshalb, Schildmützen zu tragen, auf denen große Augen aufgedruckt oder aufgemalt sind.

Aus seiner Sicht lässt sich der Greifvogel, der eine Flügelspannweite von rund einem Meter aufweist, auch mit einem Regenschirm, der bei einer Attacke abrupt geöffnet wird, effektiv vertreiben. Da Bussarde unter Naturschutz stehen, weist Sascha Richter ausdrücklich darauf hin, dass der Schirm nicht als Waffe gegen das Tier eingesetzt werden darf. Besondere Schwerpunktgebiete für unangenehme Begegnungen mit dem Bussard sind nach seinem Wissen Aichwald und Esslingen-Berkheim. Generell gilt: Wird ein Jogger auf seiner Laufstrecke von einem Greifvogel angegriffen, sollte er die betreffende Stelle in den kommenden Wochen meiden. „Zwischenfälle mit den Vögeln können dem zuständigen Forstamt oder dem Wildtierbeauftragten gemeldet werden“, so Sascha Richter, der versichert, dass allen Hinweisen nachgegangen wird.