Kirchheim

Der Rat der Grundschule ist wieder hoch im Kurs

Bildung Gymnasium, Real- oder Hauptschule? Grundschulempfehlungen erleichtern oft die Entscheidung und sollen bald wieder in den Schulen vorgezeigt werden. Von Melissa Seitz

Schlechte Laune und schlechte Noten: Das soll es mit der neuen Regelung nicht mehr geben.  Durch das Vorlegen der Grundschulempf
Schlechte Laune und schlechte Noten: Das soll es mit der neuen Regelung nicht mehr geben. Durch das Vorlegen der Grundschulempfehlung können Schulen die Kinder von Anfang an gezielt fördern.Foto: Jean-Luc Jacques

Mit dem Ende der vierten Klasse folgt nicht nur ein neuer Lebensabschnitt für die Kinder, sondern auch die Qual der Wahl für die Eltern. Denn sie müssen nun eine Entscheidung treffen, die das Leben ihrer Kinder bestimmt: Gymnasium, Real- oder Hauptschule? Eigentlich will man ja nur das Beste für sein Kind, es nicht überfordern, aber auch nicht unterfordern.

„Gymnasium - das schafft mein Kind doch locker“, denken da wohl viele Eltern. Aber die Realität sieht leider ganz oft ganz anders aus. Viele Kinder werden auf Schulen geschickt, in denen sie einfach nicht mitkommen und auf der Strecke bleiben. Eine neue Regelung soll die Eltern in ihrer Wahl der weiterführenden Schule stärker beeinflussen und Schulen mehr Infos über ihre neuen Schützlinge geben.

Empfehlung der Schule vorlegen

Eltern können für ihre Kinder selbst entscheiden, auf welche weiterführende Schule sie gehen. So ist es seit circa fünf Jahren. Doch bald soll sich etwas ändern: Die Empfehlung, die der Grundschullehrer dem Kind mit auf den Weg gibt, muss künftig bei der Anmeldung vorgelegt werden. Die Weichen für diese Gesetzesänderung hat die grün-schwarze Landesregierung im November gestellt. Ab dem Schuljahr 2018 soll sie in Kraft treten.

Passt es oder passt es nicht?

„Wir haben bisher nie etwas von den Empfehlungen mitbekommen,“ sagt Georg Braun, Schulleiter des Ludwig-Uhland-Gymnasiums in Kirchheim. Dass sich das bald ändert, freut ihn, denn „im Moment ist es oft so, dass wir erst innerhalb des Schuljahres merken, ob die Wahl des Gymnasiums für das Kind passt oder nicht.“ Wenn die Grundschulempfehlung aber vorab dem Rektor vorliegt, kann er mit den Eltern und dem Schüler in Kontakt treten, um über die beste Lösung für das Kind zu sprechen.

Die weiterführende Schule kann ein Kind aber nicht wegen einer „falschen“ Empfehlung ablehnen. „Wenn ein Kind eine Realschulempfehlung hat, aber sich für das Gymnasium anmeldet, ist es seine Entscheidung oder die der Eltern“, sagt Schulleiter Georg Braun. Beratungsangebote sollen helfen, den richtigen Weg zu finden. „Außerdem gibt es zusätzliche Tests, um festzustellen, auf was für eine Schule das Kind gehört“, erklärt Rektor Braun. Denn auch ihm ist bewusst, dass manchmal Eltern mit der Wahl der weiterführenden Schule überfordert sind.

Die Eltern der Viertklässler entscheiden sich laut Lucia Heffner, Rektorin des Schlossgymnasiums, in den meisten Fällen verantwortungsvoll. „Doch manchmal lassen sie auch ihre Kinder entscheiden“, sagt Lucia Heffner. In solchen Fällen wünscht sie sich die verbindliche Empfehlung zurück: „Die Grundschullehrer haben einen guten Blick. Sie können beurteilen, wo ein Kind am besten aufgehoben ist.“ Doch die Rektorin des Schlossgymnasiums fügt hinzu: „Aber Grundschullehrer sind natürlich keine Götter.“

Kinder brauchen Erfolgserlebnis

Wie Lucia Heffner betont, unterrichtet man im Gymnasium auf sogenanntem erweiterten Niveau. „Die Schüler müssen dem gewachsen sein“, erklärt sie. Am besten sei es, wenn Kinder sich in ihren individuellen Fähigkeiten entwickeln. „Sie sollten auch einige Erfolgserlebnisse haben und nicht nur Sechser kassieren“, erklärt Rektorin Heffner.

Merkt ein Schüler, dass der Anspruch auf dem Gymnasium zu hoch für ihn ist, bleibt ihm nichts anderes übrig, als auf die Realschule zu wechseln. Doch auch hier gibt es Tücken. Die Rektorin des Schlossgymnasiums weiß: „Wenn die Realschulen in der Umgebung voll sind, wird es schwierig.“ Wünschen kann dann oft nicht nachgegangen werden, und auch Absagen sind keine Seltenheit. Rektor Georg Braun sagt: „Der Schüler muss dann auf die Schule gehen, in der es noch genügend Platz gibt.“

Noten nicht ausschlaggebend

Was die Noten und ihre Bedeutung betrifft, sind die beiden Rektoren geteilter Meinung. Für Georg Braun sind Noten nur ein Kriterium von vielen. „Es ist auch wichtig, dass die Eltern sich ein Bild von dem Lernverhalten ihrer Kinder machen“, betont der Rektor des Lugs. Der Notenschnitt und die Einschätzung der Eltern sind laut ihm eine gute Basis, um die weiterführende Schule auszusuchen. Für Lucia Heffner ist klar: „Wenn ein Kind nicht für das Gymnasium eingestuft ist, dann wird es einen schweren Schulalltag haben.“ Der Notenschnitt sei ein wichtiges Kriterium, an dem sich Eltern orientieren können.

„Wir brauchen nicht nur Abiturienten“

Kirchheim. Im Musiksaal des Ludwig-Uhland-Gymnasiums stehen die Töne gewöhnlich im Mittelpunkt des Interesses. Am Montagabend ging es hingegen um Argumente. Andreas Kenner (SPD), Ulrich Kuhn (FDP), Andreas Schwarz (Grüne) und Karl Zimmermann (CDU) diskutierten über den Sinn oder Unsinn der Gemeinschaftsschule, über Ganztagesschulen oder die Frage, ob das G8-Gymnasium die richtige Wahl ist oder nicht doch G9 die bessere Alternative.

Einig waren sich die Kandidaten in der Frage zum G8 beziehungsweise G9: Keiner von ihnen würde das „Rad wieder zurückdrehen“. Für Andreas Schwarz reicht es aus, dass in jedem Landkreis ein allgemeinbildendes Gymnasium einen G9-Zug anbieten darf, Zimmermann outete sich als „G8-Befürworter“, für Kuhn sind die heutigen G9-Züge nur „ein aufgeblasenes G8“ und Kenner will keine permanenten Reformen der Reformen und daher keine weiteren G9-Versuche. „Wer G9 will, kann auf die Realschule gehen und danach über ein Fachgymnasium das Abitur machen“, so der allgemeine Tenor. Einigkeit auch darin, dass der Beruf des Grundschullehrers besser vergütet werden muss, damit mehr Männer diesen Beruf ergreifen. Nur Kuhn wunderte sich über die entsprechende Frage des Ersten Vorsitzenden des Gesamtelternbeirates, Thomas Brinz, ob es nicht Ausdruck eines überkommenen Rollenbildes sei, unbedingt Männer als Grundschullehrer gewinnen zu wollen. „Die Lehrerinnen machen doch einen prima Job, warum müssen wir dafür sorgen, dass hier unbedingt Männer hinkommen?“

Deutliche Unterschiede gab es erwartungsgemäß in der Einschätzung der Gemeinschaftsschule. Während Schwarz und Kenner dieses Modell in den höchsten Tönen lobten und als die zukunftsweisende Schulform neben dem Gymnasium priesen, waren Zimmermann und Kuhn hier wesentlich zurückhaltender. Der CDU-Landtagsabgeordnete mutmaßte, dass die Landesregierung auch die Realschulen infrage stellt und sie zur Gemeinschaftsschule „weiterentwickeln“ will, was Schwarz deutlich verneinte. Kuhn kritisierte, dass viele Gemeinden sich nur deshalb für eine Gemeinschaftsschule entschieden hätten, weil es dafür Geld gebe und nicht, weil sie hinter dem Konzept stünden.

Differenzierte Antworten gaben die Kandidaten auf die Frage, wo aus ihrer Sicht die Grenze für den Erhalt der kleinen Grundschulen in den Teilorten sei? Für alle Kandidaten steht außer Frage, dass diese Schulen erhalten bleiben müssen. Konzepte wie jahrgangsübergreifender Unterricht etwa seien hier eine mögliche Lösung. Kenner verwies auf die großen Bemühungen des Gemeinderats zum Erhalt der kleinen Grundschulen, stellte aber klar, dass er nicht garantieren könne, dass alle aktuellen Kirchheimer Grundschulen auch in zehn Jahren noch existierten. „Es gibt einfach Grenzen, ab denen es schwierig wird, da dann auch pädagogische Konzepte oder etwa eine Ganztagsschule nicht mehr angeboten werden können.“ Für Zimmermann sind dann auch Kooperationen zwischen den Gemeinden gefragt, beispielsweise in Zusammenarbeit mit anderen Schularten. Kuhn brachte in diesem Zusammenhang eine Aufhebung der Schulbezirke ins Spiel. Schwarz forderte, dass die Grundschule insgesamt stärker in den Fokus der Bildungspolitik rücken soll und verwies auf die zusätzlichen Stellen, die die Landesregierung auch für die Grundschulen zur Verfügung stellt.

Alle Kandidaten lobten die Vielfalt und die Durchlässigkeit des Schulsystems sowie die duale Ausbildung, die weltweit als vorbildlich gilt. Neben dem aktuellen Stand der Schulpolitik wurden aber auch die Herausforderungen für das Bildungssystem deutlich. So stellt der starke Zulauf an die Gymnasien die Frage nach der Bedeutung der anderen Schulabschlüsse. „Wir brauchen nicht nur Abiturienten, sondern auch Facharbeiter“, waren sich die vier Politiker einig. Vor allem auch vor dem Hintergrund sinkender Schülerzahlen muss diese Frage betrachtet werden. Und natürlich stellen auch die Flüchtlinge das Bildungssystem vor neue Herausforderungen. kas