Kirchheim

Der Schwabe, der Hollywood „erfand“

Geschichte Michael Niemetz hat in der Stadtbücherei über die jüdische Gemeinde in Laupheim, den jüdischen Filmproduzenten Carl Laemmle und den Dichter Erich Maria Remarque gesprochen. Von Ulrich Staehle

Referent Michael Niemetz beleuchtet verschiedene Etappen der jüdischen Vergangenheit.Foto: Marcel Heckel
Referent Michael Niemetz beleuchtet verschiedene Etappen der jüdischen Vergangenheit.Foto: Marcel Heckel

Der 10. Mai ist ein besonderes Datum: An diesem Tag bietet der Literaturbeirat jährlich eine Veranstaltung an, um an die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 durch die Nazis zu erinnern - als Mahnung für die Gegenwart.

Einer der Schriftsteller, deren Werke verbrannt wurden, ist Erich Maria Remarque. Er ist einen Tag nach Hitlers Machtergreifung emigriert und amerikanischer Staatsbürger geworden. Vor allem sein pazifistischer Roman, der Welterfolg „Im Westen nichts Neues“, wurde mit dem Feuerspruch „Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkriegs, für die Erziehung des Volkes im Geist der Wehrhaftigkeit“ in die Flammen geworfen.

Der Ärger über diesen Roman war noch gewachsen durch die Verfilmung in den USA 1930. Der Film wurde eine Woche nach seiner Premiere in Deutschland verboten. Erst 1984 hat ihn das ZDF ausgestrahlt. Und eben diesen Film hat in den USA ein gewisser Carl Laemmle produziert. Laemmle, das klingt schwäbisch - und das hat seinen Grund. Eben jener Carl Laemmle, 1867 in Laupheim geboren und jüdischer Abstammung, wanderte 1884 nach Amerika aus und arbeitete sich vom Laufburschen zu einem der ersten Hollywood-Filmproduzenten hoch.

In Laupheim gibt es seit knapp zwanzig Jahren ein Museum zur Geschichte von Juden und Christen, das mit dem Stuttgarter „Haus der Geschichte“ in Kooperation steht. In diesem Museum ist eine Abteilung Carl Laemmle gewidmet. Der Leiter dieses Museums ist Michael Niemetz, und diesen konnte Gastgeberin Barbara Haiart im Vorlesesaal der Kirchheimer Stadtbücherei als Referenten begrüßen.

Es ist naheliegend, dass Niemetz als promovierter Historiker zuerst sein Museum im historischen Kontext vorstellt. Die Geschichte Laupheims, das dieses Jahr sein 150-jähriges Stadtjubiläum feiert, weist als Besonderheit aus, dass es auf eine dreihundertjährige Geschichte des Zusammenlebens von Juden und Christen zurückblicken kann. Niemetz gliederte die Geschichte der Juden in Jahrhunderte, unterstützt durch Bildprojektionen.

1724 gehörte Laupheim zum österreichischen Kaiserreich. In diesem Jahr bewilligte ein Reichsfreiherr von Welden 20 jüdischen Familien für 20 Jahre die Ansiedelung in Laupheim. Das geschah nicht aus humanitären Gründen, sondern aus finanziellen. Der Freiherr war pleite. Die Juden halfen ihm mit hohen Steuerzahlungen und waren nützlich für den Handel. Der Referent spricht von einer „Erfolgsgeschichte“ für Juden und Christen in Laupheim. Die Schutzbriefe für die Juden wurden immer wieder verlängert. Sie bekamen eine Synagoge und einen Friedhof. Schließlich lebten 50 jüdische Familien in Laupheim.

Appetit gemacht aufs Museum

Das 19. Jahrhundert ist geprägt durch die Gleichstellung der Juden im Königreich Württemberg durch den erstaunlich liberalen König Wilhelm I., die sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes auswirkte. Jüdische Unternehmer machten das Dorf Laupheim reich, sodass es 1869 zur Stadt erhoben wurde. Die Zahl der Juden nahm allerdings kontinuierlich ab.

Das 20. Jahrhundert ist anfangs durch die Assimilierung der Juden gekennzeichnet. Auch Juden zogen mit Begeisterung in den Krieg, einige traten sogar in die NSDAP ein. In die Synagogen wurden Glocken eingebaut. Aufgrund dieser Assimilierung konnten die Nazis keine religiösen Ressentiments mehr schüren. Stattdessen wurden rassistische angeheizt und dem Judentum ein grausames und jähes Ende gesetzt.

Der Referent baute zur Abwechslung eine Fragerunde ein, bevor er auf Carl Laemmle und Remarque einging. Man erfuhr, dass der gebürtige Laupheimer die Verbindung zu seiner Heimatstadt immer aufrecht erhielt, sie materiell unterstützte und durch Bürgschaften vielen Juden die Ausreise in die USA ermöglichte. Bei der Verfilmung von Remarques Roman habe sich aber vor allem sein Sohn und Nachfolger verdient gemacht, was zu wenig bekannt sei.

Der Vortrag des Museumsleiters war geprägt durch souveräne Sachkenntnis, klare Gliederung und Anschaulichkeit. Er hat Appetit gemacht, das schmucke Städtchen Laupheim zu besuchen mit seinem Museum und seinem großen Judenfriedhof.