Kirchheim
Des Schwaben heiligstes Backwerk

Backkunst Lockerer Bauch, knusprige Ärmchen: Die Menschen in der Teckregion lieben die Brezel. Für die Bäckereien ist das Laugengebäck gleichzeitig auch das Aushängeschild schlechthin. Von Heike Siegemund

Ob zum Frühstück, als Snack zwischendurch, bei Veranstaltungen aller Art oder auch zur Resteverwertung in der Küche: Die Brezel ist dem Schwaben heilig und im Ländle nicht wegzudenken. Dem beliebten Gebäck ist sogar ein Tag im Kalender gewidmet: Am 26. April findet jedes Jahr der „Tag der Brezel“ statt.

„Die Brezel gehört bei uns zu den meistgekauften Produkten. Viele Kunden sagen: An der Brezel sieht man, wie gut der Bäcker ist“, betont Sandra Klamt, Bäckermeisterin bei der Bäckerei Salcher in Unterlenningen und Tochter des Inhabers Kurt Salcher. Das bestätigt Dennis Huttenlocher, Inhaber der gleichnamigen Bäckerei in Jesingen mit Filialen auf dem Schafhof und in Holzmaden: „Die Brezel ist das A und O. Sie ist ein Aushängeschild für den Bäcker und auch ein Mitnahmeartikel.“ Will heißen: Kauft ein Kunde zum Beispiel einen Laib Brot oder ein Stück Kuchen, kommen meist noch zwei Brezeln dazu – denn das Laugengebäck geht immer, mit oder ohne Butter bestrichen und auch für den Nachwuchs im Kinderwagen.

In der Meisterschule habe sein Lehrer zu ihm gesagt: „Ein Bäcker, der keine g’scheite Brezel hat, ist kein guter Bäcker“, erinnert sich Dennis Huttenlocher. Das geschlungene Backwerk „spiegelt das Ländle wider und gehört einfach zu uns“, ergänzt Sandra Klamt. Vergleicht man die schwäbische mit der bayerischen Brezel, so ist Letztere „viel fester und nicht so locker“. Vom restlichen Deutschland und von anderen Ländern ganz zu schweigen: „Dort kann man darauf verzichten, eine Brezel zu essen“, konstatiert Sandra Klamt. Das bestätigen viele ihrer Kunden: „Wenn sie im Urlaub waren, freuen sie sich zu Hause auf eine Brezel. Bei uns im Ländle sind sie halt am besten.“

Doch was macht „unsere“ Brezel so besonders? Die bayerische Variante sei selten hell, habe wenig Volumen und sei ringsum knusprig gebacken, sagt Huttenlocher. „Wenn wir eine solche Brezel verkaufen würden, wäre das fatal.“ Die schwäbische Version hingegen verführe mit ihrem lockeren Bauch und den knusprigen Ärmchen.

Die Grundrezeptur für die Brezel sei zwar bei jedem Bäcker ähnlich, sagt Huttenlocher. Aber manche schwören auf Milch statt Wasser, andere auf Butter statt Margarine, wieder andere auf Schweineschmalz. Letzteres wurde auch in der Bäckerei Salcher vor mehr als 20 Jahren verwendet. „Dann hatten wir einen Azubi, der Moslem war. Deshalb stellten wir auf pflanzliches Fett um“, erzählt Sandra Klamt. In der Salcher‘schen Brezel sind außerdem Weizenmehl, Wasser, Salz, Hefe, Gerstenmalz und ein Vorteig enthalten. Letzterer halte die Brezel saftig und produziere Aromastoffe, sagt die Bäckermeisterin. Dennis Huttenlocher verwendet für seine Brezel Weizenmehl, Wasser, Salz, Hefe, Margarine und Backmittel. Durch die unterschiedlichen Quellmehle im Backmittel, das auch Malze enthält, werde der Teig plastischer und lasse sich leichter ausrollen.

„Bis zur fertigen Brezel gibt es viele Wege“, sagt Dennis Huttenlocher. Nach der Herstellung des Teiges folgen das Schlingen der Brezel und die Gare, die sowohl bei der Bäckerei Salcher als auch bei Dennis Huttenlocher in einem Gärraum erfolgt. Anschließend wird der Teigling gekühlt, belaugt, am Bauch eingeschnitten und mit Salz bestreut. Dann geht es ab damit in den Ofen. Beide Bäckereien schwören darauf, ihre Brezeln im Ofen direkt auf der Herdfläche zu backen, in der Regel für zwölf Minuten. „So ist die Brezel knusprig und innen saftig“, sagt Sandra Klamt. Sie und Dennis Huttenlocher betonen außerdem unisono: Die Brezeln werden in ihren Betrieben jeden Tag frisch in Handarbeit hergestellt; es wird über den Tag verteilt mehrmals gebacken. Eingefrostete Teiglinge gibt es nicht.

600 Brezeln backt die Bäckerei Salcher am Tag, samstags sogar doppelt so viele. Dennis Huttenlocher will keine Zahl nennen, spricht aber auch von mehreren hundert Stück pro Tag und samstags von einer vierstelligen Ziffer.

Die Bäckereien Salcher und Huttenlocher bieten übrigens beide eine große Brezel-Variante an, die sehr gut bei den Kunden ankommt: Diese ist etwa 40 auf 60 Zentimeter groß, wird in der Mitte durchgeschnitten und – je nach Kundenwunsch – zum Beispiel mit Wurst, Käse, Salat, Ei oder Tomate und Mozzarella belegt. „Die Riesen-Brezel gewinnt immer mehr an Beliebtheit“, sagt Sandra Klamt. Vor allem für Geburtstagsfeste oder andere Veranstaltungen kaufen die Kunden diese Party-Brezel.

Wissenswertes rund um die Brezel

Wie bewahrt man Brezeln richtig auf, sodass sie auch am nächsten Tag noch gut schmecken? Sandra Klamt und Dennis Huttenlocher empfehlen, das Gebäck in der Papiertüte in einem Brotbehälter aufzubewahren. Am nächsten Tag könne man die Brezel auf einen Toaster legen oder kurz im Backofen erwärmen. Huttenlocher betont aber: „Eine Brezel ist ein Produkt für denselben Tag. Also gleich essen – am besten warm und frisch.“

Und woher stammt eigentlich die Brezel? Dazu gibt es unterschiedliche Erzählungen. Eine Überlieferung besagt, dass die typische Brezelform mit den gekreuzten Ärmchen im Jahr 610 von einem Mönch erfunden wurde. Dieser hatte, inspiriert durch die zum Gebet gekreuzten Arme seiner Mitbrüder, übrig gebliebene Teigstränge zu geschlungenen Ärmchen verarbeitet. Laut einer anderen Sage erfand der Hofbäcker des Grafen Eberhard von Urach vor einigen Hundert Jahren die Brezel. Dieser hatte für den Grafen ein Gebäck kreieren sollen, durch das drei Mal die Sonne scheint. Die Frau des Grafen, eine Prinzessin aus Italien, gab dem Gebäck dann seinen Namen: Sie erinnerte sich an das lateinische Wort für „Ärmchen“, bracchia. Daraus wurde später die Brezel. hei

Gedicht über die Laugenbrezel

Der Schwaben Klugheit? Dieses Rätsel,
die Lösung heißt: die Laugenbrezel.
Schon trocken gibt dem Hirn sie Kraft, mit Butter wirkt sie fabelhaft,
erleuchtet mit der Weisheit Fackel,
noch das Gehirn vom größten
Dackel!“

Manfred Rommel
ehemaliger Oberbürgermeister von Stuttgart

Verwendungstipps für alte Brezeln

Rezepte von Ursula Sander, Vorsitzende der Landfrauen Owen

Brezelsuppe

Zutaten: 3 bis 4 Brezeln, altbacken, 1 l Brühe – Gemüse oder Fleisch, 1 kleine Zwiebel, Butter, eventuell etwas Sahne, Gewürze

Zubereitung: Brezeln klein schneiden. Sind sie schon etwas hart, in der kalten Brühe etwa 30 Minuten einweichen. Zwiebel klein schneiden. Butter im Topf erhitzen und Zwiebeln darin glasig dünsten. Mit der Brezelbrühe ablöschen und aufkochen lassen, bis die Brezeln ganz weich sind. Mit dem Pürierstab mixen. Wenn nötig, mit Salz und Pfeffer abschmecken. Wer mag, kann eine zerdrückte Knoblauchzehe einrühren. Ist die Suppe zu sämig, kann sie mit Brühe noch etwas verdünnt werden. Ist sie zu würzig, etwas Sahne einrühren. Zum Servieren mit Petersilie oder Schnittlauch bestreuen. „Diese Suppe macht satt und ist eine gute Möglichkeit, Reste zu verwerten“, sagt Ursula Sander. Arbeitszeit: Etwa eine Stunde mit Einweichen.

Brezelknödel

Zutaten: 4 altbackene Brezeln, 300 ml Milch, 2 bis 3 Eier, 1 Zwiebel, Butter, 1 Bund Petersilie, Gewürze

Zubereitung: Brezeln sehr fein schneiden und in eine Schüssel geben. 300 ml Milch erhitzen und kochend heiß über die Brezeln geben. Abgedeckt etwa 30 Minuten „weichen“ lassen. Die Zwiebel sehr fein schneiden und in der Butter glasig dünsten. Kleingeschnittene Petersilie zufügen und kurz weiter dünsten. Abkühlen lassen. Nach der Einweichzeit Eier, die Zwiebelmasse und Gewürze zufügen, mit Salz und Pfeffer oder etwas Muskat abschmecken. In einem großen Topf Wasser erhitzen und Salz zugeben. Aus dem Brezelteig mit nassen Händen Knödel formen und diese in das heiße Wasser geben. Nicht mehr kochen. Nach etwa 20 Minuten sind die Knödel fertig. Ursula Sander: „Die Brezelknödel passen zu Salat genauso gut wie zu einem Braten“. Arbeitszeit mit Einweichen: 70 Minuten