Kirchheim

Die alte Dame im Schlossgymnasium

Theater-AG führt bekanntes Dürrenmatt-Stück mit aktuellem Bezug auf – Ist wirklich alles käuflich?

Kirchheim. Mit der Tragikomödie „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt widmete sich das Oberstufentheater des

Schlossgymnasiums am Donnerstagabend im Foyer der Schule einem anspruchsvollen Stück, das so unterhaltsam wie nachdenklich war.

Grotesk wirkt die alte Dame mit ihren neun Kurzzeit-Ehen, ihren seltsamen Begleitern mit den lächerlichen Namen und ihren absurden Spleens wie etwa einem schwarzen Panther als Hauskätzchen. Aber sie hat unglaublich viel Geld, und ihr gehört praktisch ganz Güllen, die Kleinstadt, in der sie aufwuchs. Das macht sie dort schnurstracks zur Herrscherin über Leben und Tod.

Selbst Albert Ills Familie, die humanistisch gebildete Lehrerin und der Pfarrer beteiligen sich am neuen Wohlstand auf Kosten von Alberts Kopf. Denn die alte Dame Claire Zachanassian machte den Güllenern ein so unmoralisches wie perfides Angebot: das verarmte Städtchen bekäme eine Milliarde, wenn jemand ihren Jugendfreund Albert tötet, der sie einst schwanger sitzen ließ, die Vaterschaft abstritt und so ihre Vertreibung aus der Heimat verursachte. Natürlich lehnen die braven Bürger sofort empört ab. Doch die alte Dame wartet ab. Sie sinniert auf einem Balkon über ihr Leben, ihre Ehen und ihre Macht, während sich in Simultanszenen die Schlinge immer enger um Alberts Hals zieht.

„Die Welt machte mich zu einer Hure. Nun mache ich sie zu einem Bordell“, verkündet Claire Zachanassian kalt. Alles im Stück der Theater-AG ist käuflich, Gerechtigkeit, die Liebe, die Zukunft, das Leben eines Menschen. Rache, Hinterhalt, Heuchelei und Käuflichkeit gegen Moral und humanistische Ideale – den finanziellen Aufstieg von Güllen bei gleichzeitigem moralischem Verfall wurde von den Schülern unter Leitung von Sebastian Gekeler und Katharina Reiff trotz des ernsten Themas unterhaltsam auf die Bühne gebracht. Immer wieder lachte das Publikum über den schrägen Humor des Originaltextes, doch auch die Bearbeitungen der Inszenierung kommen sehr gut an. Zahlreiche Bezüge zu Kirchheim und seiner Umgebung wie die Sanierung der Teck, die Rettung verschiedener regionaler Firmen oder das Schlossgymnasium selbst brachen die Illusion der Dramenhandlung und ermöglichten den Zuschauern erleichterndes Gelächter inmitten der bitterbösen Gesellschaftskritik. Mit vielen musikalischen Einlagen und Tanzszenen wurden die Kerninhalte des Stücks immer wieder neu und abwechslungsreich vermittelt.

Nach intensiver Auseinandersetzung mit der Tragikomödie, welche die Schüler selbst unter Vorschlägen auswählten, bearbeiteten sie gemeinsam mit den Lehrern in langer Probenarbeit das Stück zur erfolgreichen Inszenierung. Dabei stellte die Theater-AG auch die Aktualität des Themas Käuflichkeit versus Moral fest, was auf der Bühne hervorgehoben wurde.

Die Schüler stemmten nicht nur das schwierige, auf intellektuell hohem Niveau stehende Stück, sondern auch die Technik und die Pausenbewirtung selbst. Besondere Erwähnung verdient auch die von Andrea Allmendinger-Lahn geleitete Tanz-AG. Mit ausdrucksstarken Bewegungen fasste sie das Drama am Ende zusammen. Sie versinnbildlichte den schwarzen Panther, der sowohl für Albert Ill als auch für die Macht der alten Dame steht, und fügte dem Theaterstück so eine weitere Bedeutungsebene hinzu.

Wer das Oberstufentheater in Aktion erleben möchte, kann das Stück noch am heutigen Samstag um 19  Uhr im Foyer des Schlossgymnasiums sehen.