Kirchheim
Die Bundeswehr bekämpft das Virus

Corona Seit zwei Wochen helfen Soldaten im Landratsamt bei der Verständigung infizierter Personen und der Ermittlung von Kontaktpersonen. Der Bedarf wird wohl noch steigen. Von Thomas Zapp

Allein 127 Meldungen von positiven Corona-Tests sind in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag beim Landratsamt Esslingen eingegangen. „Die bislang höchste Zahl waren knapp 200“, sagt Landrat Heinz Eininger. Die steigenden Zahlen bedeuten für die Mitarbeiter einen zunehmenden Aufwand für die Nachverfolgung der Kontakte von infizierten Menschen. „Ich hab mal überlegt, allein heute Morgen kam ich auf elf Kontakte“, sagt der Landrat. Pro Tag habe eine Person im Schnitt 30 Kontakte. Da kommen die „Kontaktjäger“ schnell an ihre Grenzen.

Mittlerweile helfen 150 Menschen von außerhalb, seit dem 14. Oktober auch Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. „Wir haben als erster Landkreis in Baden-Württemberg ein Aushilfeersuchen beantragt“, sagt der Landrat. Pro Woche stellt das Artilleriebataillon 295 der deutsch-französischen Brigade in Stetten am kalten Markt 15 Bundeswehrsoldaten ab. Die wechseln zwar alle sieben Tage. Viele von ihnen kommen aber wieder nach Esslingen. „Wir versuchen, eine Kontiniuität zu erhalten“, erklärt Eininger. So müssten die Aufgaben und Abläufe nicht jedesmal neu erklärt werden.

„Das größte Problem sind die Sprachen“, sagt Bundeswehrsoldatin Hauptgefreite Stephanie Faßbender. Es gebe Menschen, die sprechen nur arabisch oder russisch, sagt sie. Da wird eine Kommunikation so gut wie unmöglich. Die Reaktionen seien aber überwiegend positiv. „Die allermeisten sind nett, höflich und haben Verständnis.“ Zu ihrer Arbeit gehört auch, fehlende Daten zu recherchieren, ab wann sich jemand infiziert hat, die sogenannte „infektiöse Phase“ herausfinden und Kontaktlisten vervollständigen. „Man muss auch Detektiv spielen.“ Die täglichen Anrufe zählt sie nicht. „Eigentlich telefonieren wir die ganze Zeit“, sagt sie lachend.

Ein Gespräch könne bis zu einer halben Stunde dauern“, sagt ihr Kollege, Stabsgefreiter Levin Kammerer. Vor allem wenn es ein älterer Mensch sei, der gerne reden möchte. Kammerer nimmt mit der positiv getesteten Person Kontakt auf, befragt sie nach Symptomen, ob sie ein Risikopatient ist und kategorisiert sie. Danach stellt er sogenannte „Quarantäne-Anordnungen“ aus. Das geschieht alles am ersten Tag nach Eingang der Meldung. Für ihn ist die Erreichbarkeit der Personen ein Problem. Viele riefen zurück, bei vielen müsse man auch nachhaken. Er schätzt seine Telefonate auf 80 bis 100 am Tag.

„Da ist noch Luft“

Landrat Heinz Eininger und Dr. Dominique Scheuermann schauen sich die Arbeit der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr an.Foto
Landrat Heinz Eininger und Dr. Dominique Scheuermann schauen sich die Arbeit der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr an. Fotos: Carsten Riedl

Wenn sich Stephanie Faßbender etwas wünschen könnte, was ihre Arbeit erleichtern würde: „mehr Leute.“ Leute stünden zur Verfügung. Aktuell hilft die Bundeswehr in 24 Landkreisen in Baden-Württemberg mit Personal. Bundesweit stünden 15 000 Soldaten bereit, im Einsatz bei der Kontaktverfolgung seien 3200. „Da ist noch Luft“, sagt Oberstleutnant Kirchenbauer.

Allerdings seien Räume und Computer ein „limitierender Faktor“, sagt der Landrat. Ihn besorgt die Zunahme der Fälle ebenso wie die Leiterin des Gesundheitsamtes, Dr. Dominique Scheuermann, und Gesundheitsdezernent Christian Baron. „Wir haben jetzt wöchentlich eine Verdoppelung. Die Bundesregierung hat den Rahmen gesetzt, das müssen die Behörden vor Ort umsetzen. Aber wenn die Leute keine Disziplin halten, dann wird‘s nix“, sagt Landrat Eininger. Für die Leute gelte: „Kontakte minimieren.“ Kritik übte er jedoch an Äußerungen des SPD-Politikers Karl Lauterbach, dass Kontrollen zu Hause möglich sein müssten. „Der hat offensichtlich noch nie etwas vom Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gehört.“ Dominique Scheuermann empfiehlt das Führen eines Tagebuchs, in das man seine Kontakte einträgt. Im Moment dauere es zwei bis drei Tage, bis alle Kontakte ermittelt seien. Im Unterschied zur ersten Welle stellt sie fest, dass der Ton der Befragten kritischer werde, die Leute hinterfragen die Maßnahmen mehr. „Wir haben Verständnis, wenn Gespräche nicht immer freundlich ablaufen“, sagt sie.

Das Landratsamt steht auch so genug unter Strom: In den Corona-Hotlines für Kommunen und Privatpersonen arbeiten 15 Personen und für die nahe Zukunft werden noch weitere „Kontaktpersonenmanager“ benötigt. „Wir stehen mit dem Flughafen Stuttgart in Gesprächen“, sagt Landrat Eininger. Von dort werden, so seine Hoffnung, auch mehr Leute mit Kenntnissen verschiedenster Fremdsprachen kommen.