Kirchheim
Die Hausärzte sind bereit

Impfen Experten sind sich einig: Der Weg aus der Krise führt über die Arztpraxen. Eine in Kirchheim beteiligt sich jetzt an einem landesweiten Pilotprojekt. Von Bernd Köble

Es könnte der Anfang vom Ende der Krise sein: Seit dieser Woche werden in einer Hausarztpraxis in Kirchheim Patienten mit dem Biontech-Wirkstoff gegen das Coronavirus geimpft. Als einzige Praxis im Landkreis und bisher auch nur als sechswöchiges landesweites Pilotprojekt im Auftrag des Sozial­ministeriums. Doch das soll sich ändern. Thomas Löffler, Internist in Kirchheim und einer der Sprecher der Kreisärzteschaft, rechnet damit, dass ab April flächendeckend in den Praxen geimpft werden kann. Für Löffler ein nahe­liegender Schritt. „Sobald die Arztpraxen in der Fläche beteiligt sind“, ist der Mediziner überzeugt, „ist das Problem gelöst.“ Vorbehalte unter Kollegen gebe es keine. Im Gegenteil: „Die wundern sich eher, dass überhaupt darüber diskutiert wird.“ Aus gutem Grund: Impfen ist Alltag in deutschen Praxen. Rund 20 Millionen Patienten werden dort nebenher und problemlos Jahr für Jahr geimpft. „Wir haben die Erfahrung“, sagt Thomas Löffler. „Im Moment geht es nur um die Menge des Impfstoffs und wie sie verteilt wird.“

Daher macht Hoffnung, was seit Montag im Land und auch in Kirchheim läuft. Die Praxis, die auf Wunsch des Ministeriums und aus Furcht vor einer Anruferflut anonym bleiben will, verabreicht den Impfstoff von Biontech. Der galt lange Zeit als ungeeignet für eine dezentrale Versorgung, weil er bei Temperaturen von minus siebzig Grad gelagert werden muss. Inzwischen weiß man: Auch dieser Impfstoff lässt sich nach dem Auftauen bei normalen Kühlschranktemperaturen aufbewahren, solange er innerhalb von fünf Tagen aufgebraucht wird.

Für die Pilotpraxen heißt das: Von Montag bis Freitag wird geimpft. Am Montag kommt die Lieferung für die folgende Woche. Während der Pilotphase geht es um nicht mehr als zehn Impfungen pro Tag. Es ist nur ein Anfang, aber selbst der würde bei rund 70 Haus- und Facharztpraxen im Raum Kirchheim 3500 Injektionen pro Woche bedeuten. Der Testlauf soll den Umgang mit den Besonderheiten der Pandemie in den Praxen erproben. Patienten kontaktieren, aufklären, Transportwege des Impfstoffs sicherstellen. Großhandel, Apotheke, Arztpraxis - diese Lieferkette muss funktionieren.

Trotz maximal 50 Impfungen pro Woche bedeuten die im Moment einen erheblichen Mehraufwand. Die Kichheimer Testpraxis impft nur Patienten, die sie selbst kontaktiert und die zur Risikogruppe der über 85-Jährigen zählen. Das ist deshalb schwierig, weil viele davon bereits geimpft sind. „Nur etwa ein Viertel dieser Altersgruppe ist noch ohne Impfschutz“, sagt Thomas Löffler. „Die gilt es auf diesem Weg zu finden.“

Mehr Optionen schon jetzt

Irgendwann wird Schluss sein mit der Priorisierung, die die Ständige Impfkommission beim Robert-Koch-Institut nur aus einem einzigen Grund empfiehlt: um den Mangel so zu verwalten, dass das gesamte System am Laufen bleibt. Mediziner wie Thomas Löffler vermuten, dass eine solche Priorisierung schon im April überflüssig sein könnte. Bei der Neuzulassung des zusätzlichen Impfstoffs von Johnson & Johnson geht es um Tage, Curevac aus Tübingen geht voraussichtlich im Mai an den Start. Erst gestern wurde die erweiterte Zulassung des Vakzins von Astrazeneca beschlossen. Damit können ab Donnerstag auch über 65-Jährige damit geimpft werden. „In sechs bis acht Wochen wird die Lage eine ganz andere sein“, sagt Löffler. „Was wir dann brauchen, ist Geduld und mehr Durchlässigkeit.“ Es sei klar, dass nicht alle innerhalb einer Woche geimpft werden könnten.

Derweil läuft der Betrieb in den bestehenden Impfzentren weiter. Marc Lippe, Geschäftsführer der Malteser, geht davon aus, dass die beiden zentralen Einrichtungen des Landkreises am Flughafen und in Esslingen auf jeden Fall planmäßig bis Ende Juni geöffnet bleiben werden - egal wie schnell die Arztpraxen übernehmen. Vielleicht sogar länger. Je nachdem, wie schnell man mit den Zweitimpfungen vorankomme. Im Impfzentrum Esslingen standen Ende ­vergangener Woche noch immer mehr als 3500 Hochbetagte auf der Warteliste. Die, so hofft Lippe, werde man in dieser und der nächsten Woche durch Zusatzkontingente abarbeiten können.

Land in Sicht ist derweil in den etwa hundert Senioren- und Pflegeeinrichtungen im Kreis. Ende dieser Woche sei man in den Heimen wie geplant durch, teilt Landratsamts-Sprecherin Andrea Wangner mit. Gleichzeitig wird die Versorgung durch mobile Impfteams in den Gemeinden ausgedehnt. Die Abfrage durch das Landratsamt läuft noch bis Freitag. Bisher haben 14 von 44 Kommunen Interesse bekundet.