Kirchheim
Die Jurten auf dem Schafhof kosten 5,6 Millionen Euro

Kindergarten In einer Kombination aus fester Bebauung und Betreuung in freier Natur sollen in weniger als einem Jahr am Fuß des Kirchheimer Schafhofs Plätze für 75 Kinder geschaffen werden. Von Andreas Volz

Am Schafhof in Kirchheim entsteht ein Jurten-Kindergarten. In vier Gruppen sollen insgesamt 75 Kinder unterkommen. Die gute Nachricht: Es geht ziemlich schnell. Wenn alles nach Plan läuft, stehen die Jurten bereits im September 2023 im Vollbetrieb zur Verfügung. Die weniger gute Nachricht: Es geht trotzdem ins Geld. Der Gemeinderat hat für die Anlage jetzt außerplanmäßige Ausgaben in Höhe von 5,6 Millionen Euro genehmigt.

Christoph Kerner, Leiter der Abteilung Technische Infrastruktur der Stadt Kirchheim, ist nachhaltig begeistert von dem Konzept, das er als eine Mischung aus herkömmlicher Kindertageseinrichtung und Waldkindergarten beschrieb.
 

Später einmal lässt sich alles restlos zurückbauen.
Christoph Kerner
über das recycelfähige Material des Jurten-Kindergartens

Technik und Pädagogik gehen Hand in Hand: „Für die Jurten werden fast ausschließlich nachwachsende Rohstoffe verwendet. Alles andere ist zumindest problemlos recycelbar. Und das wird den Kindern auch nachvollziehbar vermittelt.“

Als Beispiel nannte er das Wasser, das nicht einfach nur aus einer Leitung kommt und nach Gebrauch wieder in einer Abwasserleitung verschwindet: „Das Wasser steht in Karaffen bereit, und die Reinigung erfolgt durch Pflanzenkläranlagen.“ Auch das Essen ist Bestandteil des pädagogischen Konzepts: „Die Nahrungsmittel werden größtenteils vor Ort selbst angebaut.“ Geheizt wird über Pelletöfen. Die Kinder sind daran beteiligt, die Pellets aus den Tanks zu holen, sodass sie ein besseres Gespür für den Aufwand bekommen, den man für Wärme betreiben muss. Der Strom wird vor Ort durch Solarenergie erzeugt.

Nicht einmal für das Fundament wird Beton benötigt: „Wir arbeiten mit Schraubfundamenten, sodass sich wirklich alles einmal restlos zurückbauen lässt. Es ist auch möglich, diesen Jurten-Kindergarten komplett an einen anderen Ort zu versetzen.“ Dass sich nicht alle Gruppen barrierefrei gestalten lassen, ist der Hanglage geschuldet. Aber grundsätzlich besteht am Standort die Möglichkeit barrierefreier Zugänge.

Die einzelnen Fraktionen betonten als Vorteil vor allem die Schnelligkeit, mit der hier dringend benötigte Betreuungsplätze geschaffen werden können. Stadtrat Rainer Kneile (Freie Wähler) beklagte allerdings die hohen Kos­ten. Von maximal 1,2 Millionen Euro pro Gruppe sei einmal die Rede gewesen, jetzt gehe es um 1,4 Millionen Euro. Christoph Kerner nannte 800 000 Euro als Kosten für das Grundmodul. „Unsere Anforderungen sind aber höher. Wegen der Ganztagsbetreuung brauchen wir nicht nur Schlafräume, sondern auch eine Großküche.“ Außerdem seien Kostensteigerungen von 20 Prozent seit dem Frühjahr bei allen Bauprojekten üblich.

Parken wird erst noch geregelt

Ein großer Streitpunkt war das Parkierungskonzept: Während die eine Seite nicht mehr als die baurechtlich geforderten fünf Stellplätze erstellen will, weil die Kinder ja zu Fuß, per Rad oder mit dem Bus zu den Jurten gelangen können, erinnerte die andere Seite an die Realität. Die sehe nun einmal so aus, dass die Eltern – erst recht bei Regenwetter – ihre Kinder mit dem Auto bringen. Oberbürgermeister Pascal Bader versuchte, diese Debatte zu unterbinden: „Das Parkierungskonzept folgt später, unabhängig vom jetzigen Baubeschluss. Dazu kommen wir also noch früh genug.“

Eine andere Debatte war die, ob es denn genügend Fachpersonal für den Jurten-Kindergarten gibt. Hier herrschte die allgemeine Überzeugung, dass das innovative Konzept attraktiv genug sei, um Erzieherinnen anwerben zu können. Trotzdem wollte Sabine Lauterwasser (Grüne) die Stellen möglichst schnell ausschreiben lassen. Gerd Mogler von der Christlichen Initiative Kirchheim (CIK) fürchtete einen ganz anderen Effekt des attraktiven Konzepts: „Hoffentlich bewerben sich da nicht diejenigen weg, die jetzt schon an unseren anderen Kindergärten tätig sind.“ Immerhin hatte der SPD-Fraktionsvorsitzende Marc Eisenmann geunkt, dass man unter Umständen „Kindertagesstätten erster und zweiter Klasse“ einrichte.

 

Anfang 2025 steht der Kindergarten Tannenbergstraße

Kirchheim. Der nächste Kindergarten kommt bestimmt: Die Stadt Kirchheim forciert ihre Anstrengungen, neue Betreuungsplätze für Kinder zu schaffen. An der Tannenbergstraße, parallel zur Umgehungsstraße soll ein neuer Kindergarten für fünf Gruppen entstehen. Zwei dieser Gruppen stehen für Kinder unter drei Jahren zur Verfügung. Vorgesehen sind derzeit Kosten in Höhe von sieben Millionen Euro – was exakt den 1,4 Millionen Euro pro Gruppe entspricht, die auch für den Jurten-Kindergarten auf dem Schafhof aufzuwenden sind.

Birgit Spann, die Leiterin des Sachgebiets Hochbau, spricht von PV-Anlagen auf dem Dach, die den Strom erzeugen sollen, der im Kindergarten verbraucht wird. Außerdem habe das Lärmschutzgutachten ergeben, dass es im Anschluss an das L-förmige Gebäude jeweils Schallschutzwände als Verlängerung geben muss, parallel zur Tannenbergstraße wie auch zur Umgehungsstraße. Zwischen den Gruppen für die Kinder unter drei Jahren und denen für die älteren Kinder gibt es strikte räumliche Trennungen – innen wie außen.

Bereits im Januar 2025 soll der neue Kindergarten in Betrieb gehen. Der Lichtenstein-Kindergarten auf der anderen Seite der Umgehungsstraße, den der Neubau unter anderem ersetzt, werde auf jeden Fall bis Ende 2024 in Betrieb bleiben, wie Oberbürgermeis­ter Pascal Bader im Gemeinderat versicherte. „Sollten dann Interimskosten entstehen, bleiben wir aber nicht darauf sitzen. Wir kriegen das erstattet.“

Sinken die Kosten schon wieder?

Zu den Kosten generell fragte Stadtrat Ulrich Kübler (Freie Wähler) nach: „Wenn im Frühjahr schon von sieben Millionen Euro für den Neubau die Rede war, müssten die Kosten nach der allgemeinen Preissteigerung jetzt doch bei mindestens 8,5 Millionen Euro liegen. Warum sind wir da immer noch bei der gleichen Summe?“ Birgit Spann erklärte, dass die Preise teilweise schon wieder sinken würden. „Wo es aber genau hingeht, lässt sich im Moment nicht sagen.“

Dieter Franz Hoff (CDU) lobte den geplanten Bau als ressourcenschonend. Einen weiteren Vorteil sieht er darin, dass sich das Gebäude gut dafür eignet, notfalls auch einmal aufgestockt zu werden.

Sollte eine solche Aufstockung nötig werden, verschärft sich die Debatte um die Parkplätze. Auch in der Tannenbergstraße geht es um die Frage, wo Eltern ihre Kinder aus- und einsteigen lassen können. Kirchheims Erster Bürgermeis­ter Günter Riemer kündigte dazu ein Konzept an, das sich auf alle vergleichbaren Bauten übertragen lässt. Er ließ aber bereits durchblicken, dass nicht mit allzu großen Parkflächen zu rechnen sein wird: „Wir wollen ja möglichst kostengünstig bauen. Dann erstellen wir nicht auch noch eine Menge neuer Parkplätze – erst recht keine Dauerparkplätze. Die Autos stehen da ja nur jeweils für ein paar Minuten.“     Andreas Volz

 

Eine „wichtige Säule“ sind Tageseltern

Kirchheim. Bei der Kinderbetreuung setzt die Stadt Kirchheim auch auf private Initiativen und Einrichtungen. Ein bedeutender Partner sind Tageseltern, wie Bürgermeisterin Christine Kullen im Gemeinderat betonte: „Tageseltern sind eine wichtige Säule im Betreuungsangebot in Kirchheim. Deshalb wollen wir die Zuschüsse deutlich erhöhen.“ Trotz steigender Zuschüsse handle es sich bei der Tagespflege um „eine relativ kostengünstige Betreuungsform für uns als Stadt“.

Christine Kullen sprach von derzeit 93 Kindern, die in der Obhut von Tageseltern sind, 63 davon seien Unter-Drei-Jährige. Dem zunehmenden Bedarf an Plätzen stehe eine andere Entwicklung entgegen: „Die Pflegepersonen werden eher weniger, nicht mehr.“ Deshalb wolle die Stadt Kirchheim aktiver dafür werben, sich in dieser Art der Kinderbetreuung zu engagieren. Bei der Zuschusserhöhung, die in vielen einzelnen Details mit dem Tageselternverein Kreis Esslingen, ausgehandelt worden ist, dürfte es sich um einen wichtigen Teil dieser Werbung handeln.

Die Stadt fördert „TiagR“-Gruppen

Eine besondere Form der Tagespflege ist unter der Abkürzung „TiagR“ bekannt: „Tagespflege in anderen geeigneten Räumen“. Die „TiagR“-Tageseltern sind nicht in ihrer eigenen Wohnung tätig, sondern in eben jenen „anderen Räumen“, die sie extra für diesen Zweck anmieten und herrichten. Für solche „TiagR“-Gruppen sieht die Kooperationsvereinbarung zwischen Stadt und Tageselternverein unter anderem einen einmaligen Zuschuss von bis 10 000 Euro für Investitions- und Ausstattungskosten vor. Außerdem übernimmt die Stadt die „ortsübliche Kaltmiete“ und übernimmt anteilig auch Nebenkosten.

Drei „TiagR“-Gruppen gibt es in Kirchheim bislang: eine in der Hindenburgstraße und zwei weitere am Rand des Steingau-Quartiers. Weitere zwei Gruppen sind bereits fest in der Bohnau geplant, in der Gaußstraße. Die Einrichtung einer sechsten Gruppe, in Jesingen, befindet sich derzeit in der Prüfungsphase. Sinn und Zweck der neuen Fördervereinbarung ist es, dass zu den vorhandenen „TiagR“-Projekten noch zwölf weitere hinzukommen.

Auch am Thema „Tagespflege“ entzündete sich im Gemeinderat bereits eine Debatte über das Personal. Stadtrat Ralf Gerber (Freie Wähler) meinte sarkastisch: „Wenn wir für unsere neuen Kindergärten keine Erzieherinnen bekommen, müssen wir die Gebäude vielleicht zur Unterbringung nutzen.“ Oberbürgermeister Pascal Bader zeigte sich dennoch zuversichtlich, dank attraktiver Arbeitsplätze Personal bekommen zu können.   Andreas Volz