Kirchheim
Die Krise zieht E-Autos den Stecker

Infrastruktur Viele wünschen sich ein klimafreundliches Fahrerlebnis. Doch Autohäuser kämpfen zur Zeit mit Lieferengpässen, und die Kundinnen und Kunden müssen auf gewohnte Prämien verzichten. Von Sarah Polzer

Im Jahr 2015 gab es unter 658 neu zugelassenen Pkw nur ein einziges Elektroauto in Kirchheim. Sechs Jahre später hat die Einsamkeit des batteriebetriebenen Wagens auf den Straßen der Stadt ein Ende: Die Neuanmeldungen für E-Autos haben stark zugenommen. Laut Angaben des Esslinger Landratsamtes lagen die Neuzulassungen in Kirchheim im vergangenen Jahr bei 1818, darunter 247 elektrisch betriebene Pkw und 405 Plug-in-Hybride.

Kürzung der Subventionen

Galt E-Mobilität in den 2010er Jahren noch als schwer erschwinglich, so hat sich seit dem Umweltbonus und der Innovationsprämie von 2016 ein Wandel vollzogen: Niedrige Preise und das Versprechen von Klimafreundlichkeit locken die Bürgerinnen und Bürger zum Kauf. Die Ampel-Koalition hat nun beschlossen, die Subventionen für den Kauf eines elektronisch betriebenen Neuwagens zu senken. Statt der ursprünglichen 6000 Euro können die Käuferinnen und Käufer im kommenden Jahr je nach Listenpreis nur noch mit einem Zuschuss von 3000 bis 4500 Euro rechnen. Für E-Autos ab einem Nettolistenpreis von 45 000 Euro entfällt der Umweltbonus ab dem ersten Januar 2024 vollständig. Noch härter trifft es diejenigen, die auf einen Hybrid gesetzt haben: Die Förderung dafür soll schon Endes dieses Jahres auslaufen. Was hingegen bleibt, sind Steuervorteile bei der Dienstwagenregelung, das betrifft sowohl Hybride als auch Elektroautos.

Auto oder Ausstattung

„E-Autos werden einen Rückschlag erleben, beim Kunden herrscht Unsicherheit“, prophezeit Andreas Gruber, Prokurist im Autohaus Ramsperger in Kirchheim. „Bis nächstes Jahr sind alle E-Autos ausverkauft. Wir haben mit großen Lieferschwierigkeiten zu kämpfen.“ Der Kunde stehe vor der Wahl, ob er länger auf das gewünschte Fahrzeug warte oder teilweise auf Ausstattung verzichte. „Probleme gibt es bei allen Modellen, weil Mikrochips fehlen, da wir sie aus China und Taiwan geliefert bekommen“, erläutert er. Schon seit Monaten können Millionen von E-Autos deshalb nicht gebaut werden können. 

Über Lieferengpässe klagt auch der Filialleiter Andreas Wirth von BMW Entenmann in Kirchheim: „Das betrifft die komplette Produktpalette. Uns fehlen zum Beispiel Kabelbäume, die zum Teil aus Südamerika geliefert werden.“ 

Der Preis entscheidet

Die durch die Inflation steigenden Preise beeinflussen die Kaufentscheidung bei einem Neuwagen. „Bei einem E-Auto achten die Kunden am meisten auf den Preis und die Reichweite. Viele trauen sich nicht und haben Angst, dass sie nicht mehr von der Stelle kommen“, erzählt Giuseppe Cacciatore, der Verkaufsleiter von Russ Jesinger. „Vor zwei Jahren war das Netz an Ladesäulen noch nicht so ausgebaut. Um 250 Kilometer fahren zu können, musste sechs Stunden geladen werden, mittlerweile kommt ein Elektroauto 400 Kilometer weit und lädt dabei an einer Schnellladesäule nur noch 30 Minuten. Ich denke, wir sind in zwei Jahren viel weiter“, meint der Sales Manager aus Nürtingen.

Wohin die Steuergelder fließen

In den vergangenen fünf Jahren investierte das Land Baden-Württemberg mehr als eine halbe Milliarde Euro in Elektrofahrzeuge und in den Aufbau von Ladesäulen. Das geht aus einer Anfrage an das Verkehrsministerium des Landes hervor. Für das Haushaltsjahr 2022 sind ​​​29 Millionen eingeplant.

Fünf Millionen fließen in urbane Schnellladehubs, 14 Millionen in die Errichtung von E-Quartierhubs. Geplant ist ein weiteres Programm: „Elektromobilität IV“. „Ein Schwerpunkt soll auf dem Ausbau der Ladeinfrastruktur in Baden-Württemberg liegen“, teilt Edgar Neumann, Leiter der Pressestelle mit. Die Förderung sei als Anschubfinanzierung zu verstehen. Im Laufe der Zeit soll sie jedoch reduziert werden. Privatwirtschaftliche Geschäftsmodelle sollen sich nach und nach selbst finanzieren. Wo der Markt nicht alleine für Lösungen sorgt, wolle die Politik nachhelfen.