Kirchheim

Die Region sucht junge Vorbilder

Interview Im Ehrenamtspreis „Starke Helfer“ werden jugendliche Helden ausgezeichnet. Landrat Heinz Eininger und Burkhard Wittmacher, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse, erläutern das Projekt. Von Christian Dörmann

Dass sich junge Menschen fürs Allgemeinwohl einsetzen, ist nicht selbstverständlich.Foto: pr
Dass sich junge Menschen fürs Allgemeinwohl einsetzen, ist nicht selbstverständlich.Foto: pr

Jung und engagiert. So lautet das Thema des diesjährigen Ehrenamtspreises „Starke Helfer“, für den sich Ehrenamtliche zwischen 14 und 30 Jahren noch bis Sonntag, 17. Juni, entweder selbst bewerben können oder von Lesern des Teckboten für diese Auszeichnung vorgeschlagen werden. Schirmherr des Ehrenamtspreises ist Landrat Heinz Eininger, dem es ebenso wie Burkhard Wittmacher, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, wichtig ist, die zentrale Rolle junger Menschen für das ehrenamtliche Engagement hervorzuheben. Bei dieser Gelegenheit räumen sie mit so manchem Vorurteil auf und erinnern sich an die Zeit, da sie selbst in der Situation waren, als junge Generation die Gesellschaft zu prägen.

Heinz Eininger, Landrat des Landkreises Esslingen.
Heinz Eininger, Landrat des Landkreises Esslingen.

Früher waren nicht nur die Zeiten besser, auch die Jugend war besser und engagierter als heute. Solche Vorurteile hört man immer wieder. Wie empfinden Sie das?

Heinz Eininger: Auf 5000 Jahre alten Tontafeln der Sumerer wird schon beklagt: „Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte.“ Die Klage über die schlechte Jugend ist so alt wie die Menschheitsgeschichte selbst, und trotzdem existiert die Menschheit noch. Jugend ist anders, ja muss sogar anders sein dürfen als die Erwachsenen. Ihr gehört die Zukunft, die anders sein wird als das Heute. Junge Menschen werden sie so gestalten, wie sie es können und wollen. Man nennt dies auch Fortschritt.

Die Kreissparkasse geht mit vielen Informationsangeboten gezielt auf junge Leute zu. Wie ist Ihre Erfahrung, wenn es darum geht, junge Menschen für Themen und Projekte zu begeistern?

Burkhard Wittmacher: Wenn sich junge Menschen auf ein Thema einlassen, dann erlebe ich sie sehr engagiert und mit Feuereifer dabei. Ich denke da an die von der Stiftung der Kreissparkasse geförderten Projekte „Zeitung in der Schule“, an den „Lesepreis“ für die dritten Grundschulklassen oder an die Umweltworkshops zu Wasser und Energie.

Internet, Soziale Netzwerke und Smartphone: Das sind die drei Säulen, auf denen die Freizeit vieler junger Leute steht. Ist das nicht gefährlich?

Eininger: Die Digitalisierung ist Teil des technischen Fortschritts. Natürlich birgt diese Entwicklung auch Risiken. Wir müssen aber auch die Chancen erkennen. Die Digitalisierung wird unser Leben verändern, genauso wie das Auto, das Telefon oder der Buchdruck. Errungenschaften, die heute unseren Alltag ganz selbstverständlich prägen.

Wittmacher: Natürlich wünsche ich mir manchmal, dass junge Menschen zwei Stunden auf dem Sportplatz verbringen anstatt zwei Stunden mit ihrem Smartphone. Aber nur Schlechtreden gilt nicht. Schließlich kann man auch viel Kreatives im Netz tun. Wichtig ist ein souveräner Umgang mit den neuen Medien. Für unsere Workshops „Internet aber sicher“ verzeichnen wir seit Jahren eine überwältigende Nachfrage bei Schülern und Eltern. Das Projekt vermittelt Medienkompetenz, indem es Chancen und Risiken der neuen Medien aufzeigt.

Im Landkreis leben viele Initiativen und Projekte nur deshalb, weil sich Menschen dafür ehrenamtlich engagieren. Sie kommen viel herum und sehen, was da geleistet wird. Welche Rolle spielt dabei die jüngere Generation, und können Sie konkret einige solcher Projekte nennen?

Eininger: Ich erlebe, dass unsere Jugend sich vielfältig engagiert, trotz Tablet und Smartphone. So zum Beispiel im Sport als Trainer und Betreuer, in der Musikkapelle, in der Politik als Jugendgemeinderäte, in der kirchlichen Jugendarbeit und auch in vielen anderen Bereichen.

Seit 15 Jahren trägt die Stiftung Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen zusammen mit den Kreiszeitungen den Ehrenamtspreis „Starke Helfer“ mit dem Ziel, freiwilliges Engagement in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken und Nachahmer zu finden. Wird der Preis diesen Ansprüchen gerecht?

Wittmacher: Ja, durchaus. Die Kreissparkasse hat allein mit der Eßlinger Zeitung in den vergangenen 15 Jahren mehr als 120 Projekte und die Menschen, die dahinterstehen, vorgestellt und ausgezeichnet; im gesamten Landkreis waren es rund 500. Die „Starken Helfer“ sind mittlerweile zu einer Marke geworden, die nachgefragt wird.

Nun kann es ja nicht nur darum gehen, dass die Gesellschaft etwas von der Jugend „fordert“. Versetzen Sie sich einmal in die Zeit hinein, in der Sie jung waren. Was waren damals die Forderungen der Jüngeren an die Gesellschaft? Und was wäre Ihnen heute wichtig?

Eininger: Als Nach-68er wurden wir geprägt von der damaligen Studentenbewegung, die viele Dinge forderte, die wir heute für selbstverständlich erachten. So etwa die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Partizipation an demokratischen Prozessen. Heute sind die vorher genannten Beispiele ja immer noch in aller Munde. Zentral ist zudem die Frage, wie gesellschaftlicher Zusammenhalt erzielt werden kann. Denn: Individualinteressen dividieren unsere Gesellschaft mehr und mehr auseinander. Die Summe aller Individualinteressen entspricht nun einmal nicht dem gesamtgesellschaftlichen Interesse. Das Ehrenamt, das Engagement für andere, das Einsetzen für die Gemeinschaft, ist ein wichtiger Ansatz, um das Gemeinsame in den Vordergrund zu rücken.

Wittmacher: Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der das deutsche Wirtschaftswunder endete. Gleichzeitig waren in den 1970er-Jahren die neuen Technologien auf dem Vormarsch. Diese änderten die Arbeits- und Lebenswelt grundlegend. Auch heute erleben wir mit der Digitalisierung eine grundlegende Änderung von Arbeits- und Lebenswelt. Hier gilt es, die Chancen der Technologie zu nutzen und gleichzeitig den Menschen im Blick zu behalten.

Bitte nennen Sie gute Gründe, weshalb es wichtig ist, sich am Ehrenamtspreis zum Thema „Jung und engagiert“ zu beteiligen.

Eininger: Ehrenamt braucht Würdigung, Anerkennung und Öffentlichkeit. Mit guten Beispielen bringen wir unsere Gesellschaft weiter; junge Menschen brauchen Vorbilder. Mit dem Preisgeld kann ich mehr erreichen.

Wittmacher: Um dem Ehrenamt Namen und Gesichter zu geben. Um Mitstreiter, Unterstützer und einen finanziellen Zuschuss für das eigene Projekt zu finden. Um andere anzuregen, sich ehrenamtlich für die Gesellschaft zu engagieren.