Kirchheim

Die Sache mit dem Sex

Kabarett Barhocker und Bistrotisch genügen Martina Brandl als Kulisse für einen amüsanten Abend in der Naberner Zehntscheuer. Die platzt fast aus allen Nähten. Von Andrea Barner

Bei Martina Brandl platzt die Zehntscheuer aus allen Nähten. Was da los ist? „Irgendwas mit Sex“ halt. Foto: Günther Kahlert
Bei Martina Brandl platzt die Zehntscheuer aus allen Nähten. Was da los ist? „Irgendwas mit Sex“ halt. Foto: Günther Kahlert

Logisch, jedes Kabarett-Programm startet mit einem guten Gag. Also fragt Martina Brandl als Erstes gleich mal: „Ist es eigentlich etwas Anstößiges, zu nabern?“ Kurzes Stutzen im Publikum, dann biegt sich die Zehntscheuer vor Lachen. Auf die Idee ist bisher noch keiner gekommen. Martina Brandl legt einen drauf: „Na, das Vorspiel läuft ja super.“ Wieder Lachen. Dann schiebt sie doppeldeutig nach „Wie viele Männer wurden eigentlich zum Kommen überredet?“. Derselbe Effekt.

„Irgendwas mit Sex“ ist der Titel des aktuellen Programms von Martina Brandl. Aber den ganzen Abend über Sex sprechen, nein, das hat sie nicht vor. „Darüber redet man nicht. Man hat ihn.“ Soso. Da steht sie also auf der Bühne, trägt ein dunkelblaues Hausfrauen-Kleid aus den 50er-Jahren, mit schneeweißen Manschetten, Turnschuhen an den Füßen und Ballonmütze auf dem Kopf. Ihr „Alleinstellungsmerkmal“ erklärt sie augenzwinkernd, die Branche verlangt das.

In unserer Gesellschaft geht es ausschließlich um den Wettbewerb, findet Martina Brandl. Und alle machen mit. „Im Fernsehen darfst du für 50 Cent mitbestimmen, wer am schönsten singt.“ Komisch, zur Bundestagswahl geht höchstens die Hälfte aller Menschen, aber „da kriegt man ja auch keinen Gegenwert geboten.“ Jetzt wird die Show für einen Moment gesellschaftskritisch, da geht’s um die böse Rundfunkgebühr, es geht um den Rentner, der nach Pfandflaschen wühlt. Und darum, dass Kabarett auch mal zwei Sätze lang ohne Pointe auskommt.

Die preisgekrönte Künstlerin ist die einzige Frau unter mehreren Männern, die den „Quatsch Comedy Club“ moderieren darf. Von dessen Erfinder Thomas Hermanns wird sie als „Göttin aus Geislingen“ bezeichnet. Dort ist sie aufgewachsen, dort wohnt sie heute wieder. Dazwischen liegen 20 Hauptstadtjahre, die abgefärbt haben. Sie berlinert zwischendurch und brilliert als Angela-Merkel-Double. Nicht nur auf der Naberner Bühne: In Berlin hat sie eine eigene Radio-Show.

Als eines der Highlights gibt sie sich als eine gewisse „Soraya-Kimberley“ – das Mädel ist ein bissl einfältig, aber ganz nett. Die schwäbische Schülerin will nach dem Abi erst mal nach Indien, „irgendein soziales Projekt halt“, aber natürlich mit Hotel im ­Beach-Viertel. Die Eltern zahlen. Die Soraya-Kimberley erinnert an Chantal aus „Fack you Goethe“ – einem Kassenschlager.

Martina „brandelt“ über die Bühne, reißt Sprüche, verwickelt das Publikum in Dialoge und umkreist das Thema Sex – irgendwie. Dabei gibt sie Einblicke in die weibliche Seele. Ein flotter „Reiner“ hat sich „in ihr Herz geputzt“ – denn frau will vor allem eines: ein sauberes Nest. Und Reiners Sex-Appeal beim Saubermachen erst. „Was törnt dich an? Ein Mann, der richtig gut putzen kann!“ singt sie. Dann philosophiert sie über Vor- und Nachteile langer Fingernägel beim Sex, Hitzewallungen in den Wechseljahren, Sprüche, die gerade total „in“ sind und Soziale Netzwerke. Deftiger Clou: „Ich lass mir einen QR-Code auf den Arsch tätowieren“, der dann auf „www.am-arsch-der-welt.de“ hochgeladen wird. Was für eine schräge Idee! Und oben drauf gibt’s noch das Märchen vom „Hartz-Vierchen und den sieben Mini-Jobbern“, eine Kostprobe aus ihrer Merkel-Parodie.

Die Zuschauer erfahren: An ihre schönen blonden Haare lässt Martina Brandl nur den Berliner Starfriseur Gerry – ok: eigentlich Gerhard aus Schwäbisch Gmünd. Was für ein Theater rund um den lang geplanten Schicki-Micki-Friseurtag mit Folterqualen, Sekt und Selters. Mit dem Ergebnis, dass ihr Mann sie am Abend lapidar fragt: „Wo warst du eigentlich die ganze Zeit!“ Da sie nicht nur Kabarettistin und Schriftstellerin, sondern auch Sängerin ist, streut Brandl selbst getextete Songs in ihr Programm. Die sind vordergründig witzig und voller Wortspiele. Manchmal machen sie auch nachdenklich, da schlägt sie dann leisere Töne an, thematisiert gesellschaftliche Probleme. Doch vor allem wird in der Zehntscheuer an dem Abend gelacht.