Kirchheim

Die Schmetterlinge machen die Flatter

Natur Die Zahl der Tagfalterarten ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig zurückgegangen. Rings um Kirchheim gibt es noch intakte Lebensräume. Von Daniela Haußmann

Ein erwachsener Schwalbenschwanz. Foto: Walter Schön

Schmetterlinge, die mit ihren farbenfrohen Flügeln auf der Wiese von Blüte zu Blüte tanzen - kaum ein anderes Bild prägt die Vorstellung vom Sommer auf derart malerische Weise. Missen möchte die Insekten keiner, doch Fakt ist, dass Monokulturen, Flächenverbrauch, Bodenversiegelung, Pestizideinsatz und Klimawandel ihren Lebensraum zerstören. Von den etwa 190 in Deutschland vorkommenden Tagfalterarten geht es der Umweltorganisation BUND zufolge nur einem Fünftel noch richtig gut, während das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung mitteilt, dass sich der europaweite Schmetterlingsbestand in den letzten zwanzig Jahren halbiert hat.

Walter Schön, der sich seit mehr als drei Jahrzehnten intensiv mit der Insektengruppe beschäftigt, berichtet, dass es rings um Kirchheim und auf der Alb noch knapp 100 Tagfalterarten gibt. „Um diesen Bestand werden wir beneidet“, erzählt der Fachmann, der betont, dass es im Bereich von Teckstadt und Schwäbischer Alb um das Schmetterlingsvorkommen gar nicht so schlecht bestellt ist. Auch seltene Falter, wie Russischer Bär oder Großer Fuchs, lassen sich laut Walter Schön bei einem Spaziergang durchaus beobachten. Für den Experten ein Zeichen dafür, dass in der Gegend noch Refugien vorhanden sind, die vielen Schmetterlingen Lebensraum bieten.

Trotzdem gibt es unter ihnen Vertreter, die schon bessere Zeiten gesehen haben. „Dazu gehört“, für Walter Schön, „beispielsweise der Apollofalter.“ Um 1900 zählten Experten 60 Fundstellen, an denen die Art in Baden-Württemberg zu finden war. Seit Ende der 1980er-Jahre beschränkt sich ihr Vorkommen noch auf einen einzigen Standort in der Nähe von Ulm. Viele Schmetterlinge sind nach BUND-Angaben hoch spezialisiert und reagieren sensibel auf kleinste Veränderungen ihres Lebensraumes. Vom Ei bis zum fertigen Falter durchlaufen sie verschiedene Entwicklungsphasen, in denen sie laut Walter Schön wechselnde Ansprüche an ihr Umfeld stellt. „Das fängt bei den Eiern an, die nur auf bestimmten Pflanzen mit einem speziellen Mikroklima abgelegt werden, und setzt sich bei den Raupen fort, von denen viele zur Ernährung auf eine oder zwei Pflanzenarten angewiesen sind, während sie später als Falter in ganz anderen Lebensräumen auf Futtersuche gehen“, erklärt Walter Schön.

Im Verlauf ihres Daseins stellen Schmetterlinge also ganz unterschiedliche Anforderungen an die Qualität und Vielfalt der Refugien, in denen sie sich aufhalten. Nach Auskunft von Walter Schön sind sie hervorragende Zeigerarten, die Erkenntnisse über den ökologischen Zustand von Auen oder den Übergangsbereichen von Wald und Offenland liefern. So lassen sich auch Rückschlüsse auf die Situation anderer Insekten ziehen, die einen wertvollen Beitrag zur Bestäubung leisten.

75 Prozent der Nutzpflanzen und 90 Prozent der Wildblumenarten sind nach Angaben des Weltrates für biologische Vielfalt (IPBES) auf die Pollenübertragung durch Insekten angewiesen. Neben Schmetterlingen und Bienen sind beispielsweise auch Motten, Käfer und Wespen an der Bestäubung beteiligt. Der Rückgang von Insekten steht deshalb in einem engen Zusammenhang mit der Nahrungsmittelsicherheit, wie die Experten betonen. Immerhin sorgten sie im Jahr 2015 weltweit für Ernten im Wert von 235 bis 577 Milliarden Dollar. Die kleinen Lebewesen tragen in nicht unerheblichem Maße dazu bei, dass Millionen Menschen rund um den Globus etwas zu essen auf den Tisch bekommen.

Auch wenn laut Walter Schön Schmetterlingsarten, wie zum Beispiel der aus Afrika stammende Totenkopfschwärmer, infolge des Klimaumschwungs vermehrt einwandern, können Garten- und Gütlesbesitzer allerhand für die einheimischen Falter tun. „Es genügt schon, einen kleinen Teil des Gartens auf die Bedürfnisse von Schmetterlingen abzustimmen“, erklärt der Kirchheimer, der da­rauf hinweist, dass bei der Grünflächengestaltung den unterschiedlichen Entwicklungsstadien der Schmetterlinge Rechnung getragen werden sollte. Sommerflieder, Disteln, Blaukissen oder Minze sind Beispiele für Pflanzen, die von Faltern gerne angeflogen werden. Vor allem die Kätzchenweide zieht nach Auskunft von Walter Schön im Frühjahr viele Schmetterlingsarten an.

Wer Falter in seinen Garten locken will, sollte auf blühende Pflanzen zurückgreifen. Hobbygärtner, die auch Möglichkeiten zur Eiablage und Raupen Nahrung bieten möchten, können beispielsweise Dill und Fenchel für den Schwalbenschwanz anbauen. Für Walter Schön stellen Privatgärten somit einen wertvollen Baustein bei der Förderung lokaler Schmetterlingsarten dar. Bundesweit bringen es die Gärten auf eine Gesamtfläche von 6 800 Quadratkilometern. Damit bietet sich jede Menge Potenzial zur Schmetterlings- und Insektenförderung.

Das Ei des Schwalbenschwanzes. Foto: Walter Schön
Schwalbenschwanzraupe. Foto: Walter Schön
Die Puppe. Foto: Walter Schön