Kirchheim
Die Stadt kauft ein Haus zum Uferstreifen

Ökologie Zur Aufwertung der Fließgewässer übt Kirchheim das Vorkaufsrecht bei Ufergrundstücken aus. In Ötlingen übernimmt sie gleich ein Wohnhaus dazu. Von Andreas Volz

Wer ein bebautes Grundstück kauft, freut sich, wenn er zum Gebäude auch noch einen Gartenanteil erwirbt. Die Stadt Kirchheim dagegen will im Ötlinger Steingrubenweg zum Garten ein Haus erwerben. Dort gibt es Grundstücke, die direkt an den Dupiggraben grenzen. Der wird - außer bei Starkregen - jetzt noch in anderer Weise zum Problem: Auch wenn er nicht durchgehend das ganze Jahr über Wasser führt, zählt er doch zu den Gewässern zweiter Ordnung. Genau deshalb kann er nicht so bleiben, wie er ist.

„Wir sind verpflichtet, unsere Gewässer zweiter Ordnung in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen“, sagte Silvia Oesterle, die für Gebäude und Grundstücke zuständige Abteilungsleiterin der Stadt Kirchheim, im Ausschuss für Infrastruktur, Wirtschaft und Umwelt.

Konkret bedeutet das, dass die Stadt Kirchheim an allen diesen Gewässern langfristig die Uferrandstreifen aufwerten will. Die Stadt beginnt vorerst damit, die Grundstücke aufzukaufen. Das ist alles andere als einfach: Kaufen kann sie erst, wenn etwas auf den Markt kommt. Allein der Aufkauf der Flächen ist also eine Generationenaufgabe.

Käufer springen ab

Nun ging es um eines von mehreren Grundstücken, die an den Dupiggraben grenzen. Weil es verkauft werden sollte, konnte die Stadt ihr Vorkaufsrecht ausüben. Zwar hat sie nur Interesse am Gewässerrandstreifen. Aber wenn man diesen vom Grundstück abschneidet, bleibt nicht viel mehr übrig als der Teil, auf dem das Gebäude steht. Käufer springen ab - oder gar nicht erst an. Auch andere Eigentümer fürchten, dass das Inter­esse der Stadt an den Uferstreifen zum Wertverlust führt.

Das Prozedere beschreibt Silvia Oesterle wie folgt: „Unser oberstes Ziel ist es, mit dem Erwerber eine Einigung zu erzielen. Wenn aber keine Verkaufsbereitschaft besteht, müssen wir das Vorkaufsrecht ausüben.“ Das kann auch zu ganz neuen Optionen führen: „Der Verkäufer kann unter Umständen verlangen, dass wir das gesamte Grundstück übernehmen.“ Der Stadt, die eigentlich nur das Grundstück am Gewässerrand kaufen wollte, kann es also plötzlich passieren, dass sie zusätzlich zum Uferstreifen eine ganze Immobilie erwirbt.

Für Thilo Rose (CDU) ist das gesamte Vorgehen ein Unding: „So produzieren wir Schrottimmobilien.“ Allerdings stellte er fest, dass es ein grundsätzlicher Fehler war, Ende der 70er-/Anfang der 80er-Jahre an dieser Stelle überhaupt eine Wohnbebauung zuzulassen. Das Hochwasser-Risiko sei bekannt gewesen. Und tatsächlich habe es 2007, 2011 und 2018 entsprechend große Schäden gegeben. Max Blon (Grüne) hielt dagegen: „Die Hochwasser-Problematik entsteht dadurch, dass unsere Gewässer so sehr eingeengt sind.“ Mehr Platz für Gewässer helfe gegen Hochwasser.

Nach dem Ziel an dieser Stelle fragte SPD-Stadtrat Marc Eisenmann: „Erst wenn wir ein Konzept haben, können wir uns fragen, ob es sinnvoll ist, dieses Grundstück zu kaufen.“ Dieter Franz Hoff (CDU) wollte wissen, ob es nicht einfacher wäre, auf das Gewerbegrundstück gegenüber zu setzen: „Da gibt es nur einen Eigentümer. Wenn der eines Tages verkauft, könnten wir dort gleich im größeren Stil vorgehen.“

Kirchheims Erster Bürgermeister Günter Riemer machte zunächst einmal auf den Unterschied zwischen ökologischen Maßnahmen und Hochwasserschutz aufmerksam: „Das eine hat nicht direkt mit dem anderen zu tun.“ Zum Gewerbegrundstück gegenüber meinte er: „Das haben wir schon einmal versucht. Aber der Eigentümer hatte kein Interesse daran, uns den Streifen zu verkaufen.“

Nach langem Abwägen entschied sich der Ausschuss mit knapper Mehrheit dafür, das Vorkaufsrecht für das zum Verkauf stehende Wohngrundstück tatsächlich auszuüben. Sieben Ja-Stimmen standen fünf Nein-Stimmen gegenüber, bei sechs Enthaltungen. Wegen der Ökologisierung des Dupiggrabens dürfte die Stadt nun also zum Häuslesbesitzer im Steingrubenweg werden.