Kirchheim
Die Stadt Kirchheim zahlt in jedem Fall 75 Prozent

ÖPNV-Zuschuss Wenn zum 1. Mai das 49-Euro-Ticket kommt, gibt es unterschiedliche Modelle, wie Arbeitgeber im öffentlichen Dienst damit umgehen. Die Stadt Stuttgart übernimmt die Kosten in voller Höhe. Von Andreas Volz

Für die Baby-Boomer-Generation ist das etwas völlig Ungewohntes: Waren sie es ein Leben lang gewohnt, dass es für jede freie Stelle gefühlt mindestens 100 Mitbewerber gab, sieht es mittlerweile ganz anders aus. Die Stellen, von denen aus sich die „Boomer“ allmählich in den Ruhestand zurückziehen, bleiben oftmals unbesetzt. Das liegt aber nicht daran, dass diese Stellen nicht mehr ausgeschrieben werden – was früher auch oft der Fall war. Es liegt vielmehr daran, dass sich keine Bewerber mehr finden. Die Folge: Arbeit, die dringend erledigt werden müsste, bleibt liegen, quer durch alle Branchen.

Auch die Personalchefs der öffentlichen Hand können ein Lied davon singen, wie schwierig es inzwischen geworden ist, Mitarbeiter zu finden. Nicht nur gutes Personal ist schwer zu finden, sondern Personal insgesamt. Längst sind nicht mehr nur die Einser-Kandidaten gesucht. War es also lange Zeit üblich, dass Arbeitgeber in Bewerbungsgesprächen nach Zusatzqualifikationen gefragt haben, geschieht es nun immer häufiger, dass die Bewerber nach Zusatzangeboten fragen. Nicht die Arbeitnehmer müssen sich als besonders attraktiv „verkaufen“, sondern die Arbeitgeber sind hier neuerdings in der Bringschuld.

Deshalb versuchen auch die Behörden vermehrt, sich als attraktive Arbeitgeber zu vermarkten. So hat die Stadt Stuttgart verkündet, für alle städtischen Mitarbeiter die Kosten für das 49-Euro-Ticket zu übernehmen, wenn dieses ab 1. Mai eingeführt ist. Wer bei der Stadt Stuttgart beschäftigt ist, kann sich also auf ein „Null-Euro-Ticket“ freuen, und selbiges taugt nicht nur den täglichen Pendelweg zur Arbeit und zurück nach Hause. Es kann sogar in ganz Deutschland genutzt werden. Sehr viel attraktiver geht es tatsächlich nicht mehr – vor allem, was den ÖPNV betrifft. Anstatt sich also in einer fremden Stadt im jeweiligen Tarifdschungel herumzuschlagen, lässt sich die beabsichtigte Fahrt in Bus und Bahn bequem mit dem heimischen Ticket absolvieren.

Müssen nun andere Kommunen im Stuttgarter Umland ernsthaft befürchten, dass ihnen dadurch die Fachkräfte abgeworben werden? Wohl eher nicht. Die Stadt Kirchheim hat ohnehin schon seit längerer Zeit die Regelung, dass 75 Prozent der Kosten für ein Monatsticket mit dem Gehalt vergütet werden können. Beim 49-Euro-Ticket würde sich der Zuschuss für städtische Mitarbeiter somit automatisch auf 36,75 Euro belaufen.

Das günstigste Monatsticket im Geltungsbereich des VVS kostet derzeit nämlich 75,70 Euro. Davon wiederum sind 75 Prozent 56,78 Euro – also über ein Siebtel mehr als die Gesamtkosten für das 49-Euro-Ticket.

Der Gemeinderat müsste entscheiden

Die Stadt Kirchheim könnte demnach anbieten, die Kosten für das neue Ticket tatsächlich zu 100 Prozent zu übernehmen, und würde dadurch dennoch die Stadtkasse entlasten. Bei rund 850 Mitarbeitern käme es zu Ausgaben von knapp 42 000 Euro. Aber ganz so einfach ist die Sache nicht, wie Oberbürgermeister Pascal Bader dem Teckboten gegenüber erklärt: „Das müsste der Gemeinderat entscheiden.“ Aktuell steht das zwar nicht auf der Tagesordnung – aber was nicht ist, kann ja noch werden.

 

Das 49-Euro-Ticket im Landratsamt und im Esslinger Rathaus

Ähnlich wie in Kirchheim ist die Lage im Esslinger Landratsamt. Die Personallage ist angespannt, weil acht Prozent der Vollzeitstellen nicht besetzt sind. Pressesprecherin Andrea Wangner informiert: „Wir schnüren derzeit ein Paket an Personalgewinnungsmaßnahmen, wobei überlegt wird, inwieweit das Deutschland-Ticket eine Rolle spielen kann.“ Wie in Kirchheim auch, lässt sich die Entscheidung aber nicht einfach per Federstrich treffen: Der Kreistag muss über das geplante Paket letztlich entscheiden.

Im Esslinger Rathaus gibt es derzeit keine konkreten Gedanken, die Kosten für das Deutschland-Ticket komplett zu bezuschussen. Man denke „aufgrund der aktuell angespannten Haushaltslage nicht über ein solches Modell nach“, sagt der Sprecher der Stadt, Niclas Schlecht. Trotzdem gehen die rund 3 200 Beschäftigten der Stadt Esslingen nicht leer aus. Der monatliche ÖPNV-Zuschuss soll von 22 auf 25 Euro steigen. Beim 49-Euro-Ticket wäre also etwas mehr als die „halbe Miete“ drin. eh