Kirchheim

Die Tandems sind der Renner

Aktion Der gestrige Talenttag für junge Menschen mit Behinderung am Bewegungszentrum Pfulb war ein Erfolg. Behinderte und nicht behinderte Schüler konnten viele Sportarten ausprobieren. Von Anke Kirsammer

Im Tandem-Parcour zeigten Jung und Alt ihr Können.

Kinder, Helfer, Trainer, Lehrer und die Besucher strahlten in Schopfloch mit der Sonne um die Wette. Der Talenttag für Behindertensportler am Bewegungszentrum Pfulb ging gestern bei Kaiserwetter über die Bühne. Mindestens wie Könige fühlten sich manche Schüler, als sie auf Tandems mit einem erwachsenen Piloten um Hindernisse kurvten und sich den Fahrtwind um die Nase wehen ließen. „Noch‘ ne Runde, noch‘ ne Runde!“, ruft Chiara ausgelassen. „Das ist schon meine achte. Yippie!“ Zusammen mit anderen Schopflocher Grundschülern nahm sie an dem Event teil, mit dem Gabi Kazmaier das neu gegründete inklusive Bewegungszentrum eröffnete. Neben Kindern mit Behinderung der Nürtinger Bodelschwinghschule und der Esslinger Rohräckerschule waren auch Kinder verschiedener Lenninger Schulen mit von der Partie. Um eine Ahnung davon zu bekommen, wie sich beispielsweise ein sehbehinderter Mensch fühlt, durften sich die Schüler ohne Handicap mit schwarzen Augenmasken vorwärtstasten oder auf einem der zehn nagelneuen Tandems in die Pedale treten, die von der Katarina-Witt-Stiftung gefördert wurden. Ein Angebot, das auch der Kirchheimer CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich annahm. Auf einer Tour durchs Lenninger Tal mit Gesprächen bei „Unser Netz“ und in verschiedenen Betrieben hatte er am Vormittag auch einen Abstecher auf die Schopflocher Alb gemacht.

Wo sich bei Schnee im kommenden Winter wieder die Liftbügel drehen werden, hatten die Schüler bei verschiedenen Lauf-Staffeln gestern auf frisch gemähten Wiesen ihren Spaß. „Ihr seid ja Raketen!“, so feuerte Maximiliane Hegemann vom Württembergischen Leichtathletik-Verband die Jungen und Mädchen an. Beim Rennen, Purzelbaumschlagen, Werfen und Balancieren lief mächtig der Schweiß. Am meisten ins Schwitzen geriet jedoch Leon Adriaans: Der Landestrainer für den Nachwuchs im Bereich Ski nordisch im Württembergischen Behinderten- und Rehabilitationssportverband (WBRS) mischte sich im Plüschanzug als Skitty-Maskottchen der Skischulen des Deutschen Skiverbands – unter die Kinder. „Ich bin ein lebendes Vorbild“, sagte der Trainer mit Hinweis auf seinen fehlenden Unterarm. Für ihn war es keine Frage, bei dem Talenttag dabei zu sein. Bei den letzten Paralympics hatten Schützlinge, die er früher unter seinen Fittichen hatte, im Biathlon und Langlauf Gold beziehungsweise Bronze geholt. „Da habe ich schon ein paar Tränchen verdrückt, und es motiviert mich, weiterzumachen.“

Nicht lange überlegen musste auch Waltraud Lenhart, Geschäftsführerin von Leki, als Gabi Kazmaier sie darum gebeten hatte, als Mitbegründerin und Gesellschafterin in das Bewegungszentrum Pfulb einzusteigen. „Das ist eine tolle Sache. Die Pfulb braucht einen neuen Impuls. Wenn man sieht, wie sich Kinder heute anderweitig beschäftigen, ist es toll, sie in Bewegung zu bringen“, betont die Chefin des Kirchheimer Sportausrüsters, dessen weithin rot-gelb leuchtende Pavillons gestern beim Essen für wohltuenden Schatten sorgten.

Doch erst einmal ist Sporteln angesagt: Die Organsiatorin Gabi Kazmaier und Joachim Rieker, Fachwart Kinder und Jugend im WBRS, animieren die Kinder, die Geräte auszuprobieren und mit den Behindertensportlern das Gespräch zu suchen. Dann gibt es kein Halten mehr: Manche schnallen sich die Inliner an, andere rollen auf dem Handbike Richtung Hasental. „Das ist mega anstrengend für die Arme“, stellt Moris fest, findet das Sportgerät wie seine Mitschüler aber trotzdem „cool“. Sofia und Franziska kommen gerade völlig außer Puste von ihren „Strafrunden“ zurück, die sie beim Para-Biathlon absolvieren mussten. Voller Stolz erzählen sie, dass sie mit dem Laser einmal getroffen hatten. Nach Gehör wird dabei die Zielscheibe ins Visier genommen. Ein schrilles Fiepen, das an surrende Stechmücken erinnert, signalisiert ein perfekt ausgerichtetes Gewehr. „Das macht voll Spaß, sagt Franzi strahlend“, und stellt sich mit ihrer Freundin gleich noch einmal in der Schlange an.

Es ging nicht um Bestmarken, sondern ums Dabeisein. Jeder Teilnehmer freute sich über die Urkunde.



Wer sich für Tischtennis interessierte, ging in die Gemeindehalle. Dort hatten Anika Müller, Trainerin im Landeskader des WBRS, Kira Blankenhorn vom TTV Dettingen und Thomas Brüchle, Mannschafts-Silbermedaillengewinner bei den Paralympics in London und Rio, einen Parcours aufgebaut. Erst einmal durfte mit verschiedenen Bällen balanciert werden. Wer sich noch ein bisschen schwer damit tat, einen Tischtennisschläger zu halten, konnte mit umgemodelten Glättkellen den Ball über die Platte rollen, und „Profis“ bekamen die Zelluloidbälle von Thomas Brüchle passgenau serviert. Das spielerische Element stand auch hier im Vordergrund: Wer keinen der Raben auf der Tischtennisplatte traf, wurde von dem Paralympioniken zum „Ackerpflügen“ auf die Weichbodenmatte geschickt.

Von allen Seiten gab es großes Lob für die Veranstaltung, die Gabi Kazmaier als Kooperationspartnerin des WBRS und der Deutschen Behindertensportjugend (DBSJ) organisiert hatte. „Sie hat viele Klinken geputzt“, sagte Michael Huhn, Nachwuchsbundestrainer im Para-Ski nordisch mit Blick auf die zahlreichen Repräsentanten der Sportverbände, die an die Pfulb gekommen waren, anerkennend. Heinz Rieker, Vizepräsident des WBRS, war insbesondere begeistert von der Kooperation mit den Schulen.

„Du kannst mehr als du denkst“, so lautete das Motto des Tages, das manches Kind über sich hinauswachsen ließ und zum Nachdenken brachte. Auf Bestmarken kam es gestern indes nicht an. Fürs Dabeisein durfte jeder Schüler eine Urkunde mit nach Hause nehmen.

Am Nachmittag konnten behinderte und nicht behinderte Besucher die verschiedenen Sportgeräte ausprobieren.