Kirchheim

Die Tücke steckt im Detail

Finanzen Der Kreisdiakonieverband begrüßt die Verkürzung der Restschuldbefreiung. Erfahrene Schuldner- und Insolvenzberater sehen jedoch an mehreren Stellen Verbesserungsbedarf. Von Peter Dietrich

Ursula Krömer (links) und Lena Stumpp vom Kreisdiakonieverband sprechen über die geplanten Änderungen beim Restschuldbefreiungsv
Ursula Krömer (links) und Lena Stumpp vom Kreisdiakonieverband sprechen über die geplanten Änderungen beim Restschuldbefreiungsverfahren.Foto: Peter Dietrich

Die öffentlich geförderte Schuldner- und Insolvenzberatung, wie sie unter anderem der Kreisdia­konieverband anbietet, ist ein Erfolg. Denn dort wird nicht nur finanziell beraten, sondern umfassend, mit Blick auf das gesamte Leben. Diese Hilfe wirkt dauerhaft. Von denjenigen, die so beraten werden und ein Restschuldbefreiungsverfahren durchlaufen, passiert das praktisch niemandem zum zweiten Mal. „Der größte Teil der Klienten kommt nie wieder“, sagt die Beraterin Ursula Krömer.

Bisher erfordert das Verfahren viel Geduld und Ausdauer: Bis zur Restschuldbefreiung - und damit bis zum Ende der Pfändung - vergehen sechs Jahre, nur unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Verkürzung möglich. Der negative Schufa-Eintrag bleibt aber drei weitere Jahre bestehen, das erschwert unter anderem die Wohnungssuche, da manche Vermieter eine Schufa-Auskunft verlangen.

„In anderen Ländern sind die Fristen viel kürzer“, sagt Andrea Wohlfahrt, Leiterin der Diakonischen Bezirksstelle Filder. „Wir sind in Deutschland sehr streng. Da steckt der Gedanke drin, man muss die Leute bestrafen.“ Durch EU-Vorgaben musste Deutschland sich nun bewegen. Während aber die Verkürzung für Selbstständige dauerhaft gelten soll, ist sie für Verbraucher bis zum Juni 2025 befristet. Dann ist eine Überprüfung geplant. Das könne schiefgehen und zu Rechtsunsicherheit führen, befürchtet Lena Stumpp: „In einem anderen Fall sollte es 2017 eine Evaluierung geben, bis zum neuen Gesetz hat es aber bis 2020 gedauert.“

Die Beraterinnen haben noch weitere Kritikpunkte. Sie waren im ursprünglichen Referentenentwurf des neuen Gesetzes nicht enthalten, wurden aber im jetzigen Regierungsentwurf hinzugefügt. Dazu gehört die neue Pflicht des Schuldners, während des Verfahrens keine „unangemessenen“ neuen Schulden zu machen. „Was ‚unangemessen‘ bedeutet, ist aber nicht definiert, der Gesetzgeber lehnt sich zurück und überlässt das den Gerichten“, sagt Lena Stumpp. „Ist ein Kredit für ein neues Auto unangemessen? Es kann sein, dass der Schuldner dieses Auto für eine neue, einträgliche Berufstätigkeit einsetzt.“ Mit der Prüfung neuer Kredite seien die ohnehin stark belasteten Gerichte beauftragt.

Lose sind keine Lösung

Neu ist auch, dass der Schuldner alle Gewinne aus Lotterien herausgeben muss. Die Beraterinnen kritisieren das Vorgehen nicht bei großen Gewinnen, auch wenn ein solcher bei ihren Klienten noch nie vorkam: „Wenn einer plötzlich Millionär wird, kann er auch seine Schulden bezahlen“, sagt Ursula Krömer. Eher geht es um den gewonnenen Teddybären vom Markttag und Kleinbeträge: „Da muss eine Bagatellgrenze ins Gesetz“, ist Lena Stumpp überzeugt.Sie ärgert noch etwas: Im Referentenentwurf war eine Kürzung des Schufa-Eintrags auf ein Jahr vorgesehen, also drei Jahre Verfahren plus ein Jahr Eintrag. Nun sollen es wieder drei Jahre sein, das Gesamtverfahren liefe also statt vier Jahre über sechs Jahre. „Da fehlt die Verhältnismäßigkeit“, findet Lena Stumpp. Sie weist auf die Nebenwirkung hin: „Das drängt die Leute in die Fänge von dubiosen Anbietern, die einen Kredit ohne Schufa versprechen. Die sind aber die teuersten.“

Bei einem Besuch des CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich beim Kreisdiakonieverband wurden diese Bedenken besprochen. Er versprach, die Anliegen direkt an die entsprechenden Stellen weiterzuleiten, denn es sei noch Bewegung drin. „Ich bin dankbar, dass jemand von der Regierung uns anhört“, sagt Andrea Wohlfahrt. Das Gesetz werde wohl erst Ende Oktober verabschiedet und gelte dann rückwirkend. Das bringe nochmals ein paar Wochen Unsicherheit. „Aber Hauptsache, das Gesetz wird gut.“