Kirchheim
Die „Unterhaltungsmaschine“  ist hundert Jahre alt

Jubiläum Das Kirchheimer Museum wurde Ende Oktober 1922 gegründet. Derzeit stellt es trotz einer Verpuppungsphase 94 ausgewählte Objekte aus.  Von Andreas Volz

Ein Fest zum hundertsten Geburtstag – auch wenn sich der Jubilar selbst wegen Unpässlichkeit entschuldigen musste: Kirchheim hat in der ehemaligen Schlosskapelle das hundertjährige Bestehen des städtischen Museums gefeiert.
 

Das Museum ist ein Werk, 
das uns überdauert.
Stefanie Schwarzenbek
Kirchheims Museumsleiterin zitiert Museumsgründer Otto Lau 

Der Ort war gut gewählt – zum einen, weil das Kornhaus wegen bevorstehender Sanierungen auf unbestimmte Zeit geschlossen bleibt, und zum anderen, weil genau dort hundert Jahre zuvor die erste Ausstellung und damit das Museum selbst eröffnet worden war.

Kultur-Bürgermeisterin Christine Kullen stellte beim Festakt Eckdaten aus der Geschichte des Museums vor. Unter dem Vorsitz von Otto Lau war 1922 zunächst
ein Verein und anschließend das Museum gegründet worden. Ziel war es demnach, „wahre Bildung zu pflegen und echte Heimatliebe zu wecken“. Außerdem ging es darum, für die Schulen Anschauungsmaterial zu bieten.

1932 hat das Kirchheimer Museum die Bestände des Gutenberger Höhlenmuseums übernommen und kam so zu einem seiner bekanntesten Exponate: zum Höhlenbar aus der Sibyllenhöhle. Auf eine erste Schließung 1937 folgte die Neueröffnung 1939 – allerdings dem damaligen politischen Ungeist entsprechend eingefärbt. 1943 kam es zur nächsten Schließung: Wegen der Zerstörungsgefahr gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die wertvollsten Bestandteile nach Schlattstall ausgelagert. 1953 wurde das Museum wiedereröffnet, und zwar an anderer Stelle: Es war ins Kornhaus umgezogen.

Die bislang letzte Sanierung des Kornhauses hatte in den 1970er-Jahren für eine erneute Schließung gesorgt. „Jetzt stehen wir wieder am Anfang eines neuen Kapitels“, verbreitete Christine Kullen Zuversicht und den festen Glauben daran, dass auch die aktuelle Durststrecke irgendwann überwunden sein wird: „Wir stellen das Museum für die kommenden hundert Jahre neu auf.“

„Speicher des kulturellen Erbes“

Passend dazu, zitierte Museumsleiterin Stefanie Schwarzenbek ihren allerersten Amtsvorgänger Otto Lau, der vor hundert Jahren gesagt hatte: „Das Stadtmuseum wird ein Werk sein, das uns überdauert.“ Die zwei Grundbedingungen dafür, die Otto Lau genannt hatte, gelten nach wie vor: Das Museum ist angewiesen auf das Wohlwollen der Stadtverwaltung und des Gemeinderats sowie auf Förderung seitens der Bürgerschaft. Bis heute speise sich der „Speicher des kulturellen Erbes“ aus Spenden und Leihgaben von Kirchheimer Bürgern. Ein Museum könne aber immer nur einen kleinen Teil seiner Sammlung präsentieren, betonte Stefanie Schwarzenbek. Deswegen gebe es jetzt zum Jubiläum Führungen durchs Depot – einerseits, um beim Blick hinter die Kulissen die Vielfalt der Sammlung zeigen zu können, und andererseits, um die sanierungsbedingte Schließung zu kompensieren.

Zusätzlich zeigen das Max-Eyth-Haus und die Stadtbücherei 94 Objekte, die das Museum in den vergangenen hundert Jahren als Zugang verzeichnen konnte. Dazu gehört auch ein Exponat, das inzwischen ausgedient hat: das erste Radarmessgerät zur Geschwindigkeitsüberwachung. Die Stadt Kirchheim hatte es 1985 erstmals in Gebrauch.

Das zeigt, wie sich die „Altertümersammlung“ Otto Laus über die Gegenwart immer mehr der Zukunft annähert. Jan Merk, der Präsident des Museumsverbands Baden-Württemberg, bescheinigte dem Städtischen Museum Kirchheim eine „lange, ehrwürdige Tradition“. Nicht viele Museen könnten eine solch alte Sammlung aufweisen, deren Anfänge bereits mehr als 120 Jahre zurückliegen: „Später wäre das so gar nicht mehr möglich gewesen, weil archäologische Funde längst schon ausnahmslos dem Land zu übergeben sind.“

Die Aufgaben von Museen beschrieb Jan Merk anhand von Schlagwörtern des italienischen Forschers Pier Luigi Sacco: Ein Museum ist demnach nicht nur ein „Tempel des Wissens“, sondern auch eine „Unterhaltungsmaschine“. Der notwendige Kompromiss zwischen Wissensvermittlung und Unterhaltung wird mit dem englischen Kunstwort als „Edutainment“ bezeichnet. Außerdem solle ein Museum „Plattform der Partizipation“ sein. Die Besucher sollen sich also beteiligen – was in Kirchheim von Anfang an dazugehört, und was durch das Format „Meine Ausstellung“ in Zukunft fortgesetzt werden soll.