Kirchheim
Die Zukunft bleibt ungeklärt

Gebäude Der Kirchheimer Gemeinderat will das Wachthaus weder verkaufen noch im Erbbaurecht an Investoren weitergeben. Eine Sanierung ist nicht in Sicht. Von Andreas Volz

Neue Runde im Kampf um die Zukunft des Kirchheimer Wachthauses: Der Gemeinderat hat nicht nur intensiv über die dringend notwendige Sanierung diskutiert, sondern auch über einen möglichen Verkauf des Gebäudes. Ein Kompromiss wäre eine Erbbaurecht-Lösung. Die Stadt hätte weiterhin das 
 

Gibt es denn überhaupt Investoren, die da mitmachen würden?
Ulrich Kreyscher
stellt die entscheidende Frage zur Erbbaurecht-Lösung beim Wachthaus

Eigentum am Grundstück. Investoren, die das Gebäude im Erbbaurecht übernehmen, könnten Sonderabschreibungen in Anspruch nehmen, was die Sanierung für sie unter Umständen attraktiv werden ließe.

Das Ergebnis der langen Diskussion: Alles bleibt, wie es ist. Die Stadt selbst kann aber die Sanierung aber auf längere Sicht nicht stemmen – weder finanziell noch personell. Eine wirkliche Lösung des Problems lässt also nach wie vor auf sich warten.

Zur Bedeutung des Wachthauses sagte Oberbürgermeister Pascal Bader: „Die historische Gebäudesubstanz zeichnet Kirchheim aus.“ Eines der stadtbildprägenden Gebäude sei das Wachthaus, das dringend saniert werden müsse. 2,8 Millionen Euro seien dafür im laufenden Doppel-Haushalt bereitgestellt. „Aber wir haben zusätzliche Kosten, die im Haushalt noch nicht vorgesehen sind. Wir brauchen 16 Millionen Euro für den Neubau von Kindertagesstätten und sechs Millionen Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen.“ Seine Botschaft zum Wachthaus war also keine frohe: „Das schaffen wir nicht.“

Silvia Oesterle, die Leiterin der Abteilung Nachhaltige Entwicklung, nannte die „zeitliche Verschiebung der Vollschließung“ des Wachthauses um ein Jahr – bis ins vierte Quartal 2023. Allerdings dürften die Sanierungsarbeiten nicht länger aufgeschoben werden. Das Erbbaurecht biete beste Voraussetzungen, um die Interessen der Stadt zu wahren, ohne dass die Stadt die Kosten für die Renovierung übernehmen müsste: „Wir könnten dann aber auf jeden Fall Einfluss nehmen – auf die Sanierung, auf den Erhalt und auf die Nutzung.“ Das Modell sei zwar noch Neuland für die Stadt. „Aber es ist auch eine Chance für uns, etwas Neues anzugehen.“

Das Gebäude könnte verkommen

Die CDU-Fraktionsvorsitzende Natalie Pfau-Weller nannte als positive Beispiele für den Erhalt stadtbildprägender Gebäude durch private Investoren das Alte Haus oder das Alte Forstamt. So etwas könne auch beim Wachthaus gelingen. „Die Alternative wäre eine viel zu hohe Verschuldung der Stadt. Oder aber das Wachthaus verkommt, bis es kein Denkmal mehr ist.“

Manfred Machoczek, der Vorsitzende der Grünen-Fraktion, konnte sich für das Erbbau-Modell erwärmen: „So würden wir das Grundstück behalten und könnten trotzdem Einfluss nehmen auf das, was mit dem Wachthaus passiert. Und im Blick auf unsere Haushaltslage könnten wir die Sanierungskosten einsparen.“

Das diese Kosten zwischen 2019 und 2022 von 1,7 Millionen auf 2,8 Millionen Euro gestiegen sind, führt SPD-Stadtrat Kenner auf die Tatsache zurück, „dass wir drei Jahre lang nichts gemacht haben. Wenn wir die nächsten fünf Jahre immer noch nichts tun, wird es eben noch teurer.“

Für Ralf Gerber (Freie Wähler) ist das Wachthaus ein Symbol für „identitätsstiftende Heimat“ in Kirchheim – „und kein x-beliebiges Gebäude, bei dem wir sparen wollen“. Die Stadt könne sich dann außer vom Spital und vom Vogthaus auch vom Kornhaus und vom Max-Eyth-Haus trennen. Er hält es aber für falsch, das architektonische Erbe zu verscherbeln.

Wegen der stadtbildprägenden Bedeutung des Wachthaues, aber auch angesichts der Haushaltslage sprachen sich Heinrich Brinker (Linke) und Gerd Mogler (CIK) für das Erbbaurecht aus, zu dem Ulrich Kreyscher (FDP/KiBü) die entscheidende Frage stellte: „Gibt es denn überhaupt Investoren, die da mitmachen würden?“

Keine weiteren Gespräche

Oberbürgermeister Bader sprach von Kaufinteressenten, mit denen es Gespräche gegeben habe. „Zur Erbpacht haben wir bis jetzt keine Gespräche geführt.“ Aber grundsätzlich gebe es Investoren, für die das Wachthaus lukrativ sein könnte. Nach aktueller Beschlusslage des Gemeinderats wird es vorerst keine weiteren Gespräche geben: Mit 20 zu 14 Stimmen hat das Gremium bei einer Enthaltung beschlossen, das Wachthaus nicht zu verkaufen. Damit ist auch das Erbbau-Modell vorläufig vom Tisch.

 

Das Gebäude ist zu retten

Und weiter geht’s: Die Stadt behält das Wachthaus in ihrem Eigentum. Sanieren kann sie es allerdings nicht. Was das bedeutet, scheint allen Verantwortlichen klar zu sein. Sie haben es im Gemeinderat auch auf den Punkt gebracht: Der Zustand des Gebäudes, dessen prägende Bedeutung für das Stadtbild alle hervorgehoben haben, wird sich immer weiter verschlechtern. Es ist nicht anzunehmen, dass sich die Stadt in fünf oder auch in zehn Jahren den „Luxus“ erlauben kann, irgendwann für möglicherweise fünf bis sechs Millionen Euro ein Gebäude zu sanieren, das keine richtige städtische Funktion hat. Das Horrorszenario sieht also so aus: Eines Tages ist das Gebäude so marode, dass es zum Abbruch freigegeben wird. Das wäre die denkbar schlechteste Lösung.

Aber nicht nur am architektonischen Kleinod muss die Stadt ein Interesse haben. Auch die gastronomische Nutzung samt Biergarten tut der Innenstadt gut. Wenn die Stadt mit Leben gefüllt sein soll, braucht es das Miteinander von Handel und Gastronomie: Beide sind aufeinander angewiesen und voneinander abhängig. Das sind die Lehren aus der Pandemie und aus zeitversetzten Lockdowns im November und Dezember 2020.

Auch deshalb muss es der Stadt am Herzen liegen, dass das Wachthaus ein attraktiver Gastronomiestandort bleibt – selbst wenn die Gastronomie nicht zu dem gehört, was unter dem Stichwort „Daseinsvorsorge“ zum Pflichtprogramm zählt. Natürlich muss eine Kommune kein Gebäude für die Gastronomie zur Verfügung stellen. Aber sie muss sich darum kümmern, dass es das gibt. Ohne eine funktionierende Innenstadt würde Kirchheim zur „Schlafstadt“ verkommen – und das kann niemand ernsthaft wollen.

Wie lässt sich die Kuh also vom Eis kriegen? Das Wachthaus ist schnellstmöglich zu sanieren. Ob es hinterher noch sichtbare Fachwerkbalken aufweist oder komplett verputzt ist, spielt dabei keine Rolle. Letzteres wäre sogar sinnvoller für den dauerhaften Erhalt des Gebäudes.

Wer aber soll das Wachthaus sanieren? Die Stadt sicher nicht, denn sie schiebt bereits die Kornhaussanierung vor sich her. Die Idee, dass jemand private Gelder zur Verfügung stellt, ist also mehr als verlockend. Nur dürfte kaum einer so freundlich sein, der Stadt die Kosten abzunehmen, ohne wirklich mitreden zu können. Das gilt es also auszutarieren: Bevor die Stadtverwaltung nächstes Mal mit Vorschlägen für ein Erbbaurecht kommt, muss sie konkrete Gespräche mit Investoren geführt haben. Den Auftrag dafür hat ihr der Gemeinderat aber nicht erteilt – das ist das Dilemma.

Kommentar von Andreas Volz
zur Sanierung des Wachthauses