Kirchheim

Ein Aufklärer in der Traumlandschaft

Natur Schäfer Hans-Dieter Wahl sorgt mit seinen tierischen Helfern dafür, dass der Teckberg weiterhin so aussieht, wie er seit Generationen vom Menschen geschaffen wurde und trägt damit zur Artenvielfalt bei. Von Iris Häfner

Um den steilen Teckberg am Hörnle baumfrei zu halten, ist Beweidung nötig.
Um den steilen Teckberg am Hörnle baumfrei zu halten, ist Beweidung nötig. Foto: Carsten Riedl

Alles nur ein trügerischer Schein - zumindest wenn einem die „Stuagerter Luftschnapper“ und ähnlich gelagerte Konsorten am Teckberg regelmäßig in die Quere kommen: Der Schäferberuf ist alles andere als ein romantischer Arbeitsplatz, auch wenn es auf den ersten Blick diesen Anschein haben mag.

Hans-Dieter Wahl, Schäfer in vierter Generation aus dem Welzheimer Wald, weiß, wovon er spricht. Seit rund 30 Jahren kommt er mit seiner 850-Mutterschaf starken „Frau“-Schaft an den Teckberg, um die Landschaft so zu erhalten, wie man sie kennt. Zwischen Wald- und Streuobstwiesengürtel soll sie schön offen sein, um seltenen Tier- und Pflanzenarten weiterhin eine Heimat zu bieten. Es ist eine Kulturlandschaft, also ein durch den Menschen geschaffenes Habitat, das es so „natürlich“ nicht geben würde.

„Mein Großvater hat von der Wolle von 200 Schafen gut gelebt“, sagt Hans-Dieter Wahl. Davon kann er nur träumen. Ein gutes Geschäft ist heute, wenn er das „Abfallprodukt“ Wolle so verkaufen kann, damit der Lohn der Schafscherer gedeckt und die Wolle vom Hof ist. Die Scherer arbeiten im Akkord und befreien in acht Stunden zwischen 150 und 180 Tiere vom Haarkleid, je nachdem, wie kooperativ sich die Schafdamen verhalten. Die Wolle der schwäbischen Merinoschafe ist nicht als wärmender Winterpulli gefragt, zu rau ist ihre Wolle-Struktur im Gegensatz zur neuseeländischen Konkurrenz. Diese Beschaffenheit ist jedoch notwendig, um den klimatischen Begebenheiten auf der Alb trotzen zu können. Die neue Hoffnung der Schäfer sind deshalb Wolle-Düngepellets, die Pflanzen im Garten sprießen lassen. Geld erwirtschaftet der Schäfer heute über den Fleischertrag. Dafür sind jedoch weitaus mehr Mutterschafe nötig, um einen Betrieb wirtschaftlich über Wasser halten zu können.

Hans-Dieter Wahl und Schäfer Johannes haben die Verantwortung für 850 Muttertiere samt Nachwuchs. Dazu kommen noch 60 Burenziegen, die im Gegensatz zu den Schafen auch Gehölz anknabbern, und so die Verbuschung in Grenzen halten. Haben sich erst die Brombeeren an Steilhängen festgesetzt, ist der nächste Schritt nicht mehr weit. Unter ihrem Schutz keimen Sämlinge von Buchen, Eichen und Co. und so würde sich der Wald immer weiter über den Hang ausbreiten.

Esther Gerhards vom Landschaftserhaltungsverband Landkreis Esslingen macht auf die sensiblen Zusammenhänge in den Ökosystemen aufmerksam, die durch die Schafe in den Streuobstwiesen, Wacholderheiden und Kalkmagerrasenflächen geschaffen werden. „Durch den selektiven Fraß der Schafe konnten sich botanische Raritäten durchsetzen, etwa Silberdisteln, Orchideen und Thymian“, erklärt sie. Diese Pflanzen sind den Tieren entweder zu stachelig, bitter oder aromatisch. Deshalb würde es ohne die Schafe am Teckberg keinen Thymian-Ameisenbläuling geben. Diese Schmetterlingsart legt ihre Eier in der Thymianblüte ab, die wiederum Ameisen nicht als Raupen erkennen und sie deshalb mit in ihren Bau schleppen. „Dort fressen sich die Raupen durch - und fett - und entwickeln sich zu Schmetterlingen“, beschreibt Esther Gerhards diesen komplizierten Fortpflanzungsmechanismus.

Die Schafe und Ziegen von Hans-Dieter Wahl sind für den Erhalt der Kulturlandschaft auf Bissinger Markung zuständig, also den östlichen Teckberg samt der Eichhalde unterhalb der Ochsenwanger Steige. Zwei weitere Schäferbetriebe kümmern sich um die anderen Flächen, damit dort ebenfalls die hohe Artenvielfalt erhalten bleibt. Insgesamt hat der Landkreis Esslingen rund 500 Hektar Schafweide unter Vertrag. Allein am Teckberg sind es 160 Hektar.

Hans-Dieter Wahl weidet dort nicht nur seine Schafe, sondern hat noch eine weitere, wichtige Funktion: Er klärt auf - und zwar über all die Zusammenhänge, die früheren Generationen ohne viel Aufhebens geläufig waren. Dabei braucht er neben seiner Kommunikationsfähigkeit vor allem gute Nerven. Der Teckberg ist ein touristisches Highlight in der Region, dementsprechend wird er nicht nur am Wochenende stark frequentiert. Die Ruhe, die die Schafe zum Weiden brauchen, ist schnell vorbei, wenn Mountain-Biker oder Hunde durch die Herde rasen. Auch Kinder, die einfach nur mal die Tiere streicheln wollen, bringen alles durcheinander und sorgen dafür, dass der Schäfer länger arbeiten muss. Schafe ernähren sich von Gras - und die Menge bleibt gleich, egal in welchem Zeitraum sie sich das frische Grün einverleiben.

Ohne sie könnte Schäfer Hans-Dieter Wahl seinen Job nicht machen: Die Hütehunde Emy und Barry sind unverzichtbar, um die Schafe
Ohne sie könnte Schäfer Hans-Dieter Wahl seinen Job nicht machen: Die Hütehunde Emy und Barry sind unverzichtbar, um die Schafe in die gewünschte Richtung zu dirigieren. Foto: Carsten Riedl