Kirchheim

Ein echtes Energiebündel

Konzert Die australische Songwriterin Ronnie Taheny begeistert in der Kirchheimer Bastion. Solo auf der Bühne zu stehen, ist eine ganz besondere Herausforderung. Von Günter Kahlert

Die australische Liedermacherin Ronnie Taheny in der Kirchheimer Bastion.Foto: Günter Kahlert
Die australische Liedermacherin Ronnie Taheny in der Kirchheimer Bastion.Foto: Günter Kahlert

Die Frau ist ein Erlebnis. Ganz allein steht ­Ronnie Taheny auf der Bastionsbühne - flankiert von zwei Gitarren und einem E-Piano. Sie unterhält die Besucher von der ersten Sekunde an. Taheny sucht sofort Kontakt, spricht die Menschen an, erzählt Geschichten und moderiert zwischen ihren Liedern. Das imponiert auch dem Kirchheimer Musiker Günther Scheuring, der Ronnie in die Bastion geholt hat: „Sich allein auf der Bühne zu präsentieren, ist unheimlich schwer, du kannst dich keinen Moment bei deinen Mitmusikern ausruhen.“ Ronnie Taheny meistert diese Solo-Situation souverän: Die Besucher sind auf sie konzentriert, hören zu, lachen, klatschen begeistert, keine Hänger, keine Sekunde Leerlauf. So was nennt man Vollprofi.

Das australische Energiebündel liebt kleine Clubs wie die Bastion: „Die Leute sind sehr konzentriert auf das, was auf der Bühne geschieht. Sie unterhalten sich nicht während des Konzerts und holen auch nicht ständig irgendwelche Getränke.“ Ein Phänomen, das sie besonders in Deutschland kennengelernt hat. Bei „Pub-Concerts“ in ihrer Heimat Australien oder in Irland - ein weiterer Schwerpunkt ihrer Aktivitäten - ist die Sache ganz anders, erzählt sie. Aber die zierliche, quirlige Musikerin kommt mit jeder Situation klar, ob 30 Zuhörer oder 30 000 bei Festivals.

In der Bastion spielt sie einen kleinen Querschnitt aus ihren mittlerweile neun CDs. Lieder, die oft nachdenklich, witzig, ungewöhnlich oder reflektierend sind, aber nie in Selbstmitleid ausarten. Ein Beispiel: „Photograph“ ist ein Lied über die schwierige Suche nach dem richtigen Selbstbild mit Zeilen wie: „Wenn ich behaupte, ich sei zivilisiert, bin ich doch nur eine unzivilisierte Wilde, die sich verkleidet hat.“ Und sie beherrscht Ironie, vor allem Selbstironie. Das zeigt auch der Untertitel zu ihrem aktuellen Programm: „Smart-arse songs for minds that move“ heißt in etwa „Klugscheißer-Lieder für Leute, die auch mal nachdenken.“ Das charakterisiert ziemlich gut ihre Texte: „Ich möchte die Menschen animieren, auch mal die Perspektive zu wechseln, andere Gedanken zuzulassen“, erläutert sie im Gespräch ihre Motivation.

Musikalisch könnte man Ronnie Taheny schnell in die Schublade Folk-Rock stecken. Eine Liedermacherin, die ihre Songs mal mit sechssaitiger, mal mit zwölfsaitiger Gitarre begleitet, das passt schon. Passt aber doch nicht, wenn sie an das E-Piano wechselt. Dann wird es zwischendurch fast lyrisch. Die Lieder am Piano sind ihr besonders wichtig: „Ich habe einfach mehr musikalische Möglichkeiten, und ich will auch nicht nur eines von vielen ‚Mädchen‘ sein, die ihre Lieder zur Gitarre singen.“

Patti Smith und Pippi Langstrumpf

Und wie ist das mit dem Sticker, den ihr ein britischer Journalist einst anheftete: „Eine Mischung zwischen Patti Smith und Pippi Langstrumpf“? Ronnie Taheny lacht, „das finde ich absolut okay, Patti beobachtet scharf und schreibt wundervolle Texte, und Pippi lehnt sich gegen jegliche Konventionen auf.“ Ein bisschen passt ihr Äußeres dazu, hochgesteckte Dreadlocks beim Auftritt sind ihr optisches Erkennungszeichen. „Ich trage das seit 20 Jahren, und für die Bühne stecke ich sie einfach hoch. Das dauert keine drei Minuten.“

Nicht nur diese Dinge nimmt die Australierin selbst in die Hand. Tour, Planungen, Honorarverhandlungen und Vertrieb ihrer Platten macht sie in Eigenregie. Alles läuft letztlich über ihre eigene Firma „arty records“, die sie bereits 1994 gegründet hat. Und sie kümmert sich seit Jahren um den musikalischen Nachwuchs. Mit ihrem Netzwerk und ihren Erfahrungen will sie jungen Künstlern unter die Arme greifen. Dazu gehört auch eine Dozentenstelle für „Music and business“ an der Universität ihrer Heimatstadt Ade­laide. Dass Ronnie Taheny nach dem Konzert ihre Instrumente und Verstärker selbst einpackt und die Kabel zusammenrollt, passt in dieses Bild der ungewöhnlichen und bodenständigen Künstlerin.

Was ihren Fans gar nicht gefällt: Es soll die definitiv „letzte Europa-Tour“ der Australierin sein. Da muss Günther Scheuring schmunzeln: „Das hat sie beim letzten Mal 2012 auch schon gesagt.“ Sie selbst meint dazu nur augenzwinkernd: „Ich will einfach öfter an den Strand und vielleicht auch wieder surfen.“ Weit hat es Ronnie Taheny nicht - sie wohnt direkt am Christies Beach in Adelaide.