Kirchheim
Ein großer Müllberg verschandelt die Landschaft auf der Hahnweide und den Blick zur Teck   

Umwelt Unbekannte haben auf einer Wiese auf der Kirchheimer Hahnweide rund zwei Dutzend Müllsäcke illegal entsorgt. Der Eigentümer fand Hinweise auf die Identität der Verursacher, die nun zahlen müssen. Von Iris Häfner
 

Plötzlich klingelt es, die Polizei steht vor der Tür – und Martin Bihr aus Kirchheim am Pranger. Dabei ist er sich keiner Schuld bewusst. Doch weit gefehlt: Auf seinem Grundstück auf der Hahnweide hat ein Unbekannter rund zwei Dutzend Müllsäcke abgeladen. Als Eigentümer ist Martin Bihr per Gesetz dazu verpflichtet, sie zu entfernen.

Die Polizei war Streife Richtung Flugplatz gefahren und hatte dabei den auffälligen Haufen entdeckt. Ein paar Wiesen weiter war ein Landwirt mit Grasmähen beschäftigt, der wurde prompt gefragt, ob er wisse, wem das Grundstück gehört, auf dem die Müllsäcke lagen. Der Bauer konnte Auskunft geben, und so fuhren die Beamten zu Martin Bihr. „Du machst die Haustür auf – und dann steht da die Polizei. Sie informierten mich, dass auf meiner Wiese Müll liegt und ob ich was darüber wisse“, erzählt er. Für ihn stand fest: Er macht eine Anzeige. „Die läuft in der Regel in die Leere“, bekam er darauf die Antwort von den Beamten. Sie machten ihm wenig Hoffnung, im Müll Hinweise auf den oder die Verursacher zu finden.

 

„Seinen Müll auf einer fremden Wiese abzuladen,
ist eine Unverschämtheit.
Martin Bihr
 

„Aber das Ganze hat mir keine Ruhe gelassen“, sagt er. Die Tatsache, dass er den Müll zu entsorgen hatte, wollte er nicht so einfach hinnehmen. „Das ist eine Unverschämtheit, einfach seinen Müll auf einer fremden Wiese abzuladen“, sagt Martin Bihr wütend. Mit zwei Bekannten, allesamt mit stabilen Handschuhen ausgerüstet, machte er sich an das unappetitliche Werk, die Müllsäcke aufzureißen und im Inhalt nach Hinweisen zu suchen, um so die Übeltäter überführen zu können. Die Säcke waren überwiegend mit Laub, Grünschnitt, Papier und ganz vereinzelt auch mit Restmüll gefüllt. Doch die Mühe hat sich im wahrsten Sinn des Wortes ausgezahlt, sie fanden Hinweise auf die Identität der Naturfrevler – und hatten damit außergewöhnliches Glück.

Mit diesen Beweismitteln ging Martin Bihr zur Polizei, doch damit war die Sache noch lange nicht erledigt. Es folgte ein langes Hin und Her. Die Polizei musste wieder raus zu den Müllsäcken, damit eine Amtsperson die Beweise sichten und sichern konnte. Somit, meinte Martin Bihr, habe sich die Sache erledigt. Er ging davon aus, dass der Bauhof den Müll entsorgt, doch dem war nicht so. Am Ende ging für den Kirchheimer alles gut aus, das Amt für Abfallwirtschaft im Landratsamt hat nach rund vier Wochen den Unrat entsorgen lassen. Die Verursacher bekommen die Rechnung zugeschickt.

In solchen Fällen wird wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz ermittelt. Nur wenn beispielsweise gefährliche Stoffe illegal entsorgt werden, handelt es sich um Straftaten, die in der polizeilichen Kriminalstatistik auftauchen. „Im Jahr 2020 wurden im Landkreis Esslingen keine solchen Straftaten im Zusammenhang mit illegaler Müllablagerung zur Anzeige gebracht“, erklärt Ramona Noller, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Reutlingen. Ordnungswidrigkeiten werden im Gegensatz zu Straftaten nicht statistisch erfasst.

„Ein planmäßiges oder gar festgelegtes Vorgehen gibt es in solchen Fällen nicht“, sagt sie. Dies hänge von den Umständen des jeweiligen Falls ab, manchmal würden auch mögliche Zeugen befragt. „Nach Abschluss der Ermittlungen wird die Anzeige beziehungsweise werden die Akten je nach vorliegendem Delikt an die Bußgeldstelle – bei einer Ordnungswidrigkeit – oder bei einer Straftat an die Staatsanwaltschaft übergeben“, so Ramona Noller. Sie bestätigt, dass in der Regel der Eigentümer die Entsorgung des illegal hinterlassenen Abfalls auf Privatgrundstücken übernehmen muss. „Mögliche anfallende Kosten können gegebenenfalls nach der Ermittlung eines Verursachers auf zivilrechtlichem Weg geltend gemacht werden“, erläutert sie.
Da keine akute Gefahrenlage vorlag, hat das Kirchheimer Ordnungsamt Martin Bihr keine Frist gesetzt. „Ein Bußgeld oder eine sonstige Strafe droht ihm mangels Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aktuell nicht“, erklärt Jana Reichle, Pressesprecherin der Stadt Kirchheim.

 

Der Grundstückseigentümer muss wilden Müll auf seine Kosten entsorgen

Die wilde Ablagerung von Müll ist verboten und schadet der Umwelt. „Wenn jemand Müll auf Straßen, Plätzen oder neben den dafür vorgesehenen Containern ablegt und liegen lässt, begeht er – je nach Umfang und Art der Abfälle und den Umständen der Ablagerung – eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat und kann dementsprechend mit Bußgeld oder einer Geldstrafe rechnen“, erklärt Robert Berndt, Pressesprecher der Stadt Kirchheim.
Je nach Schwere des Verstoßes muss der Verursacher oder die Verursacherin mit einer Strafe zwischen 50 und 2500 Euro rechnen. In besonders schweren Fällen wie beispielsweise die Entsorgung von extrem gesundheits- oder umweltschädlichen Stoffen sind es deutlich höhere Summen – bis zu 10 000 Euro.
Auf öffentlichen Grundstücken wie Straßen, Wegen oder Parks können Ablagerungen von Müll über den Schadensmelder www.kirchheim-teck.de/schadensmelder an die Stadtverwaltung gemeldet werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des städtischen Baubetriebshofs kümmern sich dann um die Entsorgung.
Geht Gefahr von wildem Müll auf einem Grundstück aus, kann die Behörde gegen den Eigentümer vorgehen. „Sie muss dabei im Rahmen ihrer Ermessensausübung entscheiden, ob nicht vorrangig der Verursacher der Gefahr in Anspruch zu nehmen ist. In der Praxis kommt in vielen Fällen ein Vorgehen gegen den Verursacher aber nicht in Betracht, weil dieser unbekannt ist und nicht ermittelt werden kann“, so Robert Berndt.
Der betroffene Grundstückseigentümer wird in solchen Fällen von der Stadt kontaktiert. „In der Regel wird zunächst eine mehrwöchige Frist festgesetzt. Wird die jedoch ignoriert, gibt es eine zweite, aber kürzere, innerhalb welcher der bemängelte Zustand auf eigene Kosten beseitigt werden muss“, erläutert Robert Berndt. Wird dieser Anordnung nicht Folge geleistet, kann der städtische Bauhof ausrücken und den Müll beseitigen – die Kosten für den Einsatz werden dem Grundstückseigentümer in Rechnung gestellt. „Dieser Fall kommt jedoch nur sehr selten vor, in den vergangenen drei Jahren beispielsweise nur zwei Mal“, so der Pressesprecher. ih