Kirchheim
Ein Kinderwagen, der Leben rettet

Kindermedizin Dank eines Fördervereins und eines Großspenders gibt es im Landkreis Esslingen wieder einen Baby-Notarztwagen. In nur zwei Jahren hat der Verein rund 200 000 Euro gesammelt. Von Peter Dietrich

Wie erreicht jemand ein großes Ziel? Er braucht ein klare Vision, also eine Initialzündung, und anschließend viel Ausdauer. Der Rettungsassistent Harald Weith hatte beides. Die Initialzündung war bei ihm die Nacht, in der im Landkreis Esslingen gleich drei Babys zur Esslinger Kinderklinik zu transportieren waren. Weil es keinen speziellen Baby-Notarztwagen gab, musste jedes Mal ein normaler Notarztwagen verwendet werden. So darf das nicht bleiben, sagte sich Weith.

 

Wenn ein einziges Kind gerettet wird, ist das Geld egal.
Harald Weith, Rettungsassistent

 

Dabei war es nicht immer so. In den 1970er-Jahren hatte Esslingen als einer der ersten Landkreise in Deutschland einen Baby-Notarztwagen. Auf den VW Bulli folgte später ein T4. Schweren Herzens musste ihn das Deutsche Rote Kreuz (DRK) vor etwa zehn Jahren aus Altersgründen außer Dienst nehmen, diesmal ohne Nachfolger. Auch in anderen Regionen werden solche Baby-Notarztwagen immer mehr zur Rarität. Denn sie sind weder vorgeschrieben noch „rechnen“ sie sich wirtschaftlich. Im Kreis Esslingen gab es 2021 ganze 122 Einsätze, bei denen so ein Spezialfahrzeug gefragt gewesen wäre.

Für Weith war das kein Argument: „Wenn ein einziges Kind gerettet wird, ist das Geld egal“, sagt er. Also sprach er mit dem DRK und der Esslinger Kinderklinik, ob sie sich ein solches Fahrzeug wünschten. Nach ihrem begeisterten „Ja“ fand er schnell Mitstreiter und gründete im Januar 2021 den „Förderverein für einen Baby-Notarztwagen für den Landkreis Esslingen“. Knapp zwei Jahre später war das Ziel erreicht, die Anschaffungskosten von knapp 200 000 Euro waren komplett. „Ich fand das eine tolle Idee“, sagt Christian von Schnakenburg, Chefarzt in der Klinik für Kinder und Jugendliche des Klinikums Esslingen. „Aber dass Harald Weith das schafft, hätte ich nicht gedacht, und in so kurzer Zeit!“ Möglich wurde das auch, weil „Star Care – Wir helfen Kindern“ als Großspender einstieg. Astrid Fridrich, Schirmherrin des Baby-Notararztwagens und Frau des Nürtinger Oberbürgermeisters, hatte dort um Unterstützung angefragt. Star Care bekommt viele Anfragen, war aber ganz schnell überzeugt. „Es gab ein Konzept und einen Förderverein, das DRK war auch einbezogen“, sagt Hans-Joachim Oettinger, Erster Vorsitzender des Vorstands von Star Care.

Basis des Fahrzeugs ist ein Mercedes Sprinter 519 mit luftgefederter Hinterachse, den Aufbau übernahm die Firma WAS in Nähe der niederländischen Grenze. Der überroll- und crashgetestete Aufbau besteht aus 12 000 Einzelteilen und erforderte 500 Arbeitsstunden, es wurden 40 Kilometer Kabel verlegt. Nun gibt es einen Inkubator und einen Behandlungsplatz, eine Wärmelampe, eine Sauerstoffversorgung und eine elektrisch-hydraulische Trage. Auf den ersten Blick sieht das Fahrzeug wie ein normaler Rettungswagen aus. Auf die Frage, was an diesem Fahrzeug besonders sei, antwortete der stellvertretende Rettungsdienstleiter Christian Knapp dennoch: „Alles.“ Er muss es wissen, denn er hatte die Planung übernommen.

Rettungsdienstleiter Michael Wucherer geht von einer Einsatzdauer von mindestens zehn Jahren aus. Nachdem der Kauf finanziert ist, will der Förderverein mit derzeit 60 Mitgliedern die Mitgliedsbeiträge zum Erhalt des Fahrzeugs einsetzen, etwa für Inspektionen oder neue Reifen. Die Moderation der Übergabefeier in der Schurwaldhalle hatte SWR-Landesschaumoderator Jürgen Hörig übernommen. Weith sagte ihm, wie gerne er mit dem Förderverein in die Landesschau käme. „Ich schau mal, was sich da machen lässt“, versprach Hörig.

Der Baby-Notarztwagen wird verwendet, wenn es etwa in den Kliniken in Nürtingen oder Ostfildern-Ruit bei oder nach Geburten zu Komplikationen kommt und Babys nach Esslingen verlegt werden müssen. Dann nimmt das in der DRK-Wache bei der Esslinger Klinik stationierte Fahrzeug in der benachbarten Kinderklinik einen Babynotarzt und eine Intensivschwester auf und fährt zur Abholung. Der Baby-Notarztwagen könnte aber auch zu einer problematischen Hausgeburt gerufen werden. Durch den Behandlungstisch kann direkt im Wagen geholfen werden.