Kirchheim

Eine engagierte Frauenrunde

Ehrenamtspreis Die Stadt Kirchheim würdigt alle zwei Jahre Bürger, die sich über die Maßen für das Gemeinwohl einsetzen. Dieses Mal waren es ausnahmslos Frauen. Von Iris Häfner

Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker (hinten) würdigte das jahrzehntelange Engagement der Geehrten.Foto: Markus Brändli
Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker (hinten) würdigte das jahrzehntelange Engagement der Geehrten.Foto: Markus Brändli

Den Abend in der Kirchheimer Schlosskapelle dominierten ausnahmsweise und ausschließlich Frauen. „Es sind allesamt Frauen, die wir heute ehren. Das ist insofern bemerkenswert, weil sich Männer mehr ehrenamtlich engagieren“, sagte Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker provokant und erntete dafür auch prompt leise gemurmelten Protest. Das war durchaus beabsichtigt, denn sie legte nach: „Frauen sind sehr wohl ehrenamtlich aktiv – aber in der zweiten oder dritten Reihe. Das macht den Unterschied.“ Diese Arbeit ist effektiv, aber für die Öffentlichkeit oft nicht sichtbar.

So sind es sechs Frauen, die die Bürgermedaille der Stadt Kirchheim verliehen bekommen. Nur alle zwei Jahre gibt es seit 1992 diese Ehrung der Stadt. „Es ist kein Spaziergang für die Frauen, Familie, Beruf und soziales Engagement unter einen Hut zu bringen“, verdeutlichte Angelika Matt-Heidecker. Und dass alle Geehrten Ü 70 sind, ist ebenfalls etwas Besonderes.

Mit dem Namen Brigitte Kneher verbindet jeder in Kirchheim die Aufarbeitung des schwierigen Kapitels Nationalsozialismus mit den Folgen für die jüdischen Mitbürger. Jegliches jüdische Leben wurde damit bis heute in der Teckstadt ausgelöscht. Viele sind während der Naziherrschaft geflohen oder wurden deportiert. Das gleiche Schicksal erlitten auch die Zigeuner, deren Los Brigitte Kneher ebenfalls aufarbeitete. „Ich sage das bewusst, denn die Kirchheimer Zigeuner bezeichnen sich selbst so“, fügte Angelika Matt-Heidecker erklärend hinzu.

Die in Palästina aufgewachsene Brigitte Kneher fand ihre neue Heimat 1971 in Kirchheim. Sie forschte im Archiv nach jüdischen Leben und schrieb darüber, zudem gab es eine Ausstellung. Brigitte Kneher stellte Kontakte zu den Überlebenden her und schaffte Vertrauen, sodass die einstigen Kirchheimer Juden wieder ihre ehemalige Heimatstadt besuchten. In Schulen und bei Stadtführungen erinnert die Geehrte bis heute an dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte. Dabei ist sie alles andere als rückwärtsgewandt, wie ihr jahrzehntelanges Engagement in der Hausaufgabenhilfe zeigt. Migrantenkindern half sie, damit diese in der Schule besser Fuß fassen konnten.

Gisela Maier war die Zweite im Bunde, die geehrt wurde. Ihr Name ist untrennbar mit dem 1993 gegründeten Verein Frauen helfen Frauen und dem Kirchheimer Frauenhaus verbunden. „Mit ihren 74 Jahren ist sie immer noch aktiv und setzt sich für die Belange von Frauen ein, die häusliche Gewalt erleben, sei er körperlicher oder seelischer Art“, würdigte die Oberbürgermeisterin. Das Ziel Anfang der 90er-Jahre war, ein Frauenhaus in der Teckstadt zu eröffnen, denn nur in Esslingen gab es damals im Landkreis solch eine Einrichtung. Mit vielen Vorurteilen mussten die Frauen damals kämpfen. Es wurde als abgehobenes Projekt verkopfter Akademikerinnen abgetan.

Doch steter Tropfen höhlt den Stein, und so entstand ein sicherer Rückzugsort für verzweifelte Frauen und ihre Kinder in Kirchheim, wo sie Abstand zum gewalttätigen Partner finden konnten. Mit viel Eigenleistung – auch mithilfe von Männern – wurde ein Altbau renoviert, in den 1994 die erste Frau samt Kindern einziehen konnte.

Dann widmete sich das Stadtoberhaupt den vier Damen des Cafeteria-Teams im Fickerstift: Dorothea Fischer, Renate Baur, Margrete Hauser und Margot Ziegler. Seit 1996 leisten sie schier Unglaubliches: Jeden Donnerstag, Woche für Woche, gibt es in dem Seniorenheim den beliebten Nachmittagskaffee – verlässlich und mit Programm. Sage und schreibe 6 420 Kuchen wurden in all den Jahren selbst gebacken und zu einem erschwinglichen Preis angeboten. Das eingenommene Geld wird postwendend wieder gespendet.

Bis zu 70 Gäste nehmen dieses Angebot an einem Nachmittag an. „Sie schenken alten Menschen Freude, ermöglichen einen Tapetenwechsel, der der Seele guttut“, sagte Angelika Matt-Heidecker. Gerade im betagten Alter falle es Menschen schwer, neue Kontakte zu knüpfen. Ein solcher Nachmittag lade dazu ohne große Hemmschwellen ein, lobte sie das eingeschworene, fleißige und herzliche Team, das seit 20 Jahren ununterbrochen im 14-tägigen Wechsel tätig ist.

Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von „Swingology“. Dahinter verbergen sich die drei Kirchheimer Musiker Johannes Hopf, Hans-Peter Bischoff und Daniel Hughes.