Kirchheim

Eine junge Schönheit zieht an die Teck

Auktion Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg ersteigern ein Porträt der Gräfin Claudine Rhédey, der Ururgroßmutter von Königin Elisabeth II. Künftig soll es im Kirchheimer Schloss hängen. Von Andreas Volz

Foto: Andreas Volz
Foto: Andreas Volz

Das Dorotheum in Wien versteigert das Porträt einer jungen Frau, gemalt 1831 von Johann Nepomuk Ender, einem der damals führenden Wiener Porträtmaler. Das klingt nach dem berühmten Sack Reis, der in China umfällt, denn ein Bezug zu Württemberg oder gar zu Kirchheim lässt sich daraus zunächst nicht herstellen.

 

Dr. Patricia Peschel, Kunsthistorikerin in Diensten der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, wird trotzdem auf das Objekt aufmerksam, denn angeboten wird es als das Porträt einer Herzogin oder Prinzessin Pauline aus Württemberg. Pauline, als Tochter von Herzogin Henriette im Kirchheimer Schloss aufgewachsen, heiratet 1820 ihren 19 Jahre älteren Vetter Wilhelm, den König von Württemberg. Dadurch wäre das Gemälde interessant geworden für die Staatlichen Schlösser und Gärten. Wäre - denn von Pauline, die unter anderem Namensgeberin der Kirchheimer Paulinenpflege war, gibt es eigentlich genügend Bilder in den Sammlungen der Schlösserverwaltung.

 

Trotzdem weckt das Bild Interesse: Die junge Frau sieht nämlich überhaupt nicht nach Pauline aus. Auf dem Foto von der Rückseite, das im Online-Katalog des Dorotheums ebenfalls zu sehen ist, entziffert Patricia Peschel den Namen „Claudine“. Dadurch wird klar, dass das Bild von höchstem Interesse ist, denn von Claudine Gräfin Rhédey von Kis-Rhéde existieren nicht allzu viele Abbildungen.

 

Im April ersteigert Patricia Peschel das Gemälde im Auftrag der Staatlichen Schlösser und Gärten, als einzige Bieterin, zum Preis von 15 000 Euro. „Ein Schnäppchen“, freut sich ihr Chef, Michael Hörrmann, jetzt bei einer Pressekonferenz im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Potenzielles Interesse an dem Porträt hätte nämlich auch die Royal Collection, die Kunstsammlung des englischen Königshauses, haben können, wenn nicht sogar haben müssen.

 

Zumindest hat sich die Großmutter der heutigen Queen vor über hundert Jahren für ein Porträt der ungarischen Gräfin aus dem mittlerweile zu Rumänien gehörenden Siebenbürgen interessiert, vielleicht sogar für genau dieses Gemälde, das nun ab Herbst dauerhaft im Kirchheimer Schloss präsentiert werden soll.

 

Im Hauptstaatsarchiv wird ein Ausschnitt aus einem Auktionskatalog aus der Zeit um 1905/1910 erwähnt, der sich in der königlichen Sammlung erhalten hat. Handschriftlich vermerkt ist darauf der Hinweis: „my paternal grandmother“ - „meine Großmutter väterlicherseits“. Der Vermerk stammt von Mary of Teck.

 

Sie war damals die Frau des englischen Thronfolgers, des späteren Königs Georg V. Queen Mary sollte 1952 noch die Thronbesteigung ihrer Enkelin Elisabeth erleben. Sie starb allerdings einige Wochen vor deren Krönung im Sommer 1953. Das heißt aber nichts anderes, als dass die Staatlichen Schlösser und Gärten jetzt etwas aufgekauft haben, was in der königlichen Sammlung zu fehlen scheint: das Porträt einer der acht verschiedenen Ururgroßmütter Elisabeths II.

 

Für Michael Hörrmann ist das „eine Freude, wie wenn Weihnachten und Ostern zusammenfallen“. Doch ist die Verwandtschaft zum Buckingham Palace nur ein Teil der Geschichte rund um das Porträt Claudines. Das Leben der schönen Gräfin selbst liefert nämlich „eine Story, wie sie Hollywood sich erträumt“. Michael Hörrmann zufolge geht es um eine glückliche Liebe, die alle Widerstände überwindet, „um eine Entscheidung für den Menschen und gegen die dynastischen Interessen“. Im Hintergrund schwebe schließlich noch das tragische Ende Claudines im Alter von 29 Jahren.

 

Der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten setzt auf die menschliche Seite der Liebesgeschichte um Claudine und ihren „A.“ - Alexander von Württemberg, Sohn Herzogin Henriettes, ebenfalls aufgewachsen im Kirchheimer Schloss. Claudine war somit die Schwägerin der eingangs erwähnten Königin Pauline und kam auch nach Kirchheim zu Besuch, zur Schwiegermutter. Deshalb soll nun auch ihr Porträt nach Kirchheim kommen, denn: „Ihre Geschichte ist geeignet, Leute für die württembergische Geschichte zu interessieren und für ein Schloss wie das in Kirchheim zu begeistern.“

Claudine und das englische Königshaus

Claudine Gräfin Rhédey von Kis-Rhéde entstammte dem ungarischen Adel. Geboren wurde sie 1812 in Erdőszentgyörgy, zu Deutsch Sankt Georgen auf der Heide. 1832 lernt sie beim Ausreiten im Wiener Prater Alexander von Württemberg kennen, der als Vetter des amtierenden Königs Wilhelm I. von Württemberg weit über ihr steht.

 

Gegen erhebliche Widerstände setzt das Paar die Hochzeit am 2. Mai 1835 durch. Alexander verzichtet für die Nachkommen auf alle Erb- und Titelansprüche an das württembergische Königshaus. Außerdem verzichtet er auf eine stattliche Apanage. Claudine wird zur Gräfin von Hohenstein ernannt. Den Titel tragen auch die drei Kinder.

 

Der Sohn Franz wird 1863 zum Fürsten, 1871 zum Herzog von Teck. 1866 heiratet er in London Mary Adelaide - eine Cousine der Königin Victoria, ansonsten aber eine wenig attraktive Partie. Die gemeinsame Tochter Mary, Claudines Enkelin, wird 1910 Königin von England. vol