Kirchheim

Eine stabile Phase wie lange nicht

Wirtschaft Die Lage auf dem Arbeitsmarkt war 2017 sehr erfreulich. Vor allem die unter 25- und über 50-Jährigen sowie langzeitarbeitslose und schwerbehinderte Menschen konnten davon profitieren. Von Heike Siegemund

Sonnige Aussichten im Baugewerbe: Die Beschäftigung in der Branche steigt kräftig und stetig. Gleiches gilt für die Automobilbra
Sonnige Aussichten im Baugewerbe: Die Beschäftigung in der Branche steigt kräftig und stetig. Gleiches gilt für die Automobilbranche und den Maschinenbau. Symbolbild

Das Jahr 2017 war, was den Arbeitsmarkt in den Landkreisen Esslingen und Göppingen anbelangt, ein sehr gutes und erfolgreiches. Das betonte Thekla Schlör, die neue Chefin der Agentur für Arbeit in Göppingen, am Dienstag bei einer Pressekonferenz. „Wir hatten seit Langem keinen Einbruch mehr im Arbeitsmarkt und haben eine so gute und stabile Phase wie ich sie in den vergangenen 30 Jahren nicht erlebt habe“, ergänzte sie.

Im Agenturbezirk, der die beiden Landkreise umfasst, steige „die Beschäftigung stetig und kräftig“, bestätigte Geschäftsführerin Bettina Münz. Dies betreffe viele Branchen, vor allem den Baubereich, die Automobilindustrie und den Maschinenbau. Zum Stichtag 30. Juni 2017 sei die Beschäftigung insgesamt um 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Zum Vergleich: In Baden-Württemberg waren es 2,4 Prozent. Ein besonders großer Anstieg sei bei den über 55-Jährigen und bei den Ausländern zu verzeichnen. Die Arbeitslosenquote lag 2017 im Durchschnitt bei 3,5 Prozent. 2016 waren es 3,7 Prozent gewesen. Das entspricht 15 342 arbeitslos gemeldeten Menschen, was 2,7 Prozent weniger waren als 2016. Im Kreis Esslingen lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote bei 3,4 Prozent (1,6 Prozent weniger als 2016) und im Kreis Göppingen bei 3,7 Prozent (4,8 Prozent weniger).

„Angesichts dieser Zahlen werden wir oft gefragt: Habt ihr denn überhaupt noch was zu tun?“, erzählte Bettina Münz. Doch die Arbeit geht der Arbeitsagentur nicht aus. Der Arbeitsmarkt im Agenturbezirk sei geprägt von viel Bewegung, erklärt Münz. Seit Jahresbeginn 2017 hatten sich 53 858 Menschen arbeitslos gemeldet; demgegenüber standen 55 048 Abmeldungen. „Es bedeutet für uns großen Aufwand, diese Menschen zu betreuen und Stellen für sie zu suchen“, sagte Bettina Münz, betonte aber auch: „Wir freuen uns, dass wir diese Dynamik haben.“ Bei manchen anderen Arbeitsagenturen sei eine solch starke Bewegung nicht zu beobachten: „Dort hat sich die Arbeitslosigkeit bereits verfestigt.“

Ein wichtiges Thema: Sprache

Von der guten Lage konnten im vergangenen Jahr viele Personengruppen profitieren, zum Beispiel die unter 25- und die über 50-Jährigen sowie langzeitarbeitslose und die schwerbehinderte Menschen, informierte Münz weiter. Gestiegen sei die Zahl der Ausländer, vor allem aufgrund der Zuwanderung. Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen sei ein Thema, das die Agenturmitarbeiter beschäftige - ebenso das Thema Sprache. „Immer mehr kommen auf uns zu, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind.“ Die Arbeitsagentur greife deshalb unter anderem auf „spracharme“ Tests mit Bildern und Videos zurück, um feststellen zu können, welche Grundvoraussetzungen ein Ausländer mitbringt - zum Beispiel, ob er für den Ausbildungsberuf des Kfz-Mechatronikers geeignet ist. „Mit den Ergebnissen kann man zum einen auf potenzielle Arbeitgeber zugehen und zum anderen können wir weiter damit arbeiten.“

Insgesamt waren im vergangenen Jahr 38,1 Prozent der arbeitslos gemeldeten Menschen Ausländer, wobei Thekla Schlör ergänzte: „Hinter den 38,1 Prozent stecken knapp 6 000 Personen. Davon sind etwa 20 Prozent Flüchtlinge.“

Generell gelte: Wer eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen könne, habe gute Chancen, im Arbeitsmarkt unterzukommen, fügte Bettina Münz hinzu. Leider verfügten im vergangenen Jahr 43,1 Prozent der arbeitslos gemeldeten Frauen und Männer über keine abgeschlossene Ausbildung. „Das ist viel, zu viel“, konstatierte Münz. „Es ist nie zu spät, die Schulbank zu drücken oder eine Ausbildung zu beginnen.“

10 756 offene Stellen

10 756 offene Stellen wurden der Arbeitsagentur im vergangenen Jahr gemeldet - ein Anstieg von 17,9 Prozent, informierte Münz. Gesucht wurden vor allem Fachkräfte und Experten. Allerdings seien die neu abgeschlossenen Arbeitsverhältnisse oft zeitlich befristet, fügte Thekla Schlör hinzu.

„Wir haben insgesamt eine sehr gute Entwicklung, aber diese stellt sich nicht von alleine ein“, gab Münz zu bedenken. So habe die Agentur im vergangenen Jahr 55 Millionen Euro investiert, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder zu beenden. Hinzu kamen 74 Millionen Euro für Lohnersatzleistungen und 54 Millionen Euro für Beiträge zur Sozialversicherung.

Rosige Aussichten trotz globaler Krisen

Trotz geopolitischer Risiken wie Brexit und Diesel-Krise geht die Arbeitsagentur davon aus, dass die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in der Region im Jahr 2018 anhält. Das betonte Bettina Münz, Geschäftsführerin der Göppinger Agentur für Arbeit, zu der die Kreise Esslingen und Göppingen gehören. Nach Einschätzung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung werde die Arbeitslosigkeit weiter zurückgehen und die Beschäftigung steigen. Vor allem Fachkräfte seien nach wie vor gefragt. „Aktivieren, qualifizieren, unterstützen“: So sei das Programm der Arbeitsagentur für 2018 überschrieben. Bettina Münz: „Die Rahmenbedingungen sind so gut wie nie zuvor.“ hei