Kirchheim
Elterntaxis sollen ausgebremst werden

Schulweg Das Verkehrschaos rund um den Freihof könnte bald der Vergangenheit angehören, nachdem die Stadt in der Wollmarktstraße offenbar Poller plant. Von Peter Eidemüller

Wenig Platz, viel Ignoranz und großes Gefahrenpotenzial – wenn Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen und abholen, herrscht regelmäßig Verkehrschaos. Auch vor Kirchheimer Schulen spielen sich täglich Szenen ab, die für Stau, Hupkonzerte und Kopfschütteln sorgen. „In Amerika hätten sich die Leute wahrscheinlich längst abgeknallt“, sagt Stephan Fischer, dessen Radsportgeschäft direkt an einem der Hotspots in Kirchheim liegt. Vor dem Freihof, der neben der Real- und Grund- auch die Musikschule beherbergt, geht zu Stoßzeiten vor und nach Unterrichtsbeginn oft nichts mehr. „Die Wollmarktstraße ist manchmal komplett verstopft, weil die Autos nicht mehr vor- oder zurück können“, schildert Stephan Fischer.
 

In Amerika hätten sich die Leute wahrscheinlich längst gegenseitig abgeknallt.
Stephan Fischer Besitzer des Radsportgeschäfts neben dem Freihof zur Verkehrssituation in der Wollmarktstraße

Die Situation treibt nicht nur Anwohner um. Vor allem Eltern von Kindern, die zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule kommen, sorgen sich um die Sicherheit – zu Recht, wie Experten einräumen: „Die sogenannten Eltern-Taxis sorgen für die größte Gefahr“, weiß Jonas Häußler vom ADAC, der vor diesem Hintergrund empfiehlt, dass Eltern ihre Kinder den Schulweg alleine meistern lassen sollten. „Nur so können Kinder Souveränität in komplexen Verkehrssituationen lernen“, betont Häußler.

Dass die Situation rund um den Freihof in der Tat komplex ist, hat mittlerweile auch die Stadt erkannt. Wie Bürgermeister Günter Riemer erklärt, soll sich dort bald etwas tun. „Wir arbeiten in der Verwaltung momentan Möglichkeiten aus, wie die Situation vor Ort mit Baumaßnahmen entschärft werden kann“, sagt er. Im Gespräch seien unter anderem versenkbare Poller, die die Wollmarkstraße zu Stoßzeiten entlasten sollen. Eine Umsetzung ist laut Riemer innerhalb des ersten Halbjahrs 2022 geplant. Gleichzeitig appelliert er nicht nur an Eltern von Freihof-Kindern, sich über die eigene Mobilität Gedanken zu machen: „Mit Pollern allein ist das Problem ja nicht gelöst. Es muss vielmehr eine Verhaltensänderung stattfinden. Man muss Kinder nicht bis direkt vors Schultor fahren, jedes Kind hat vielmehr Anspruch auf mindestens 250 Meter Schulweg,“

Der Kirchheimer Bürgermeister spielt damit auf eine Lösungsmöglichkeit an, die auch der ADAC empfiehlt: In sogenannten Elternhaltestellen im Umfeld der Schulen können Eltern ihre Kinder bringen und abholen. „Die Erfahrungen, die Schulen uns von solchen Projekten rückmelden, sind durchweg positiv“, sagt ADAC-Sprecher Jonas Häußler, nicht ohne zu betonen, dass die optimale Lösung vor dem Hintergrund einer verkehrspädagogischen Erziehung der Schulweg per pedes ist.

 

Nur jeder fünfte Unfall auf dem Schulweg

Angst um die Kinder ist wissenschaftlichen Studien zufolge einer der Hauptgründe, warum Eltern ihren Nachwuchs mit dem Auto zur Schule fahren und abholen. Psychologen vermuten darüber hinaus aber auch Bequemlichkeit – schließlich könnten dank „Elterntaxi“ morgens alle ein bisschen länger schlafen.

Gefährlicher ist der Schulweg zu Fuß für Grundschüler dabei nicht: Laut Deutscher Verkehrswacht verunglücken die meisten Kinder im elterlichen Auto und nicht als Fußgänger auf dem Schulweg. 2016 gab es bundesweit 7805 Unfälle mit Kindern zwischen sechs und neun Jahren, nur etwa jeder Fünfte Unfall ereignete sich auf dem Schulweg.

Die Nachteile von „Elterntaxis“ – neben eines erhöhten Verkehrsaufkommens an und vor Schulen – betreffen vor allem die Entwicklung der Kinder: Wer regelmäßig chauffiert wird, droht laut einer schwedischen Studie weniger selbstständig und weniger sicher in seiner Umgebung zu werden – vom Risikobewusstsein und dem Verständnis für den Straßenverkehr ganz abgesehen. pet