Kirchheim

Energiekrise: Auch Berufstätige bekommen Hilfe

Energiekrise Bei der Diakonischen Bezirksstelle melden sich aktuell Menschen, die nie zuvor Hilfe benötigt haben. Laut Leiter Reinhard Eberst haben auch Berufstätige und Rentner Anspruch auf Zuschüsse. Von Antje Dörr

Der Kreis der Menschen, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind, wird größer werden, schätzen Experten. Foto: Tobias Tropper

Die Diakonische Bezirksstelle in Kirchheim hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen in Not beizustehen und ihnen zu helfen. Aufgrund der steigenden Preise für Energie und Lebensmittel geraten aktuell zunehmend Menschen in Not, die vorher noch einigermaßen über die Runden gekommen sind – zusätzlich zu all jenen, die schon vor Beginn des Ukraine-Krieges zittern mussten, ob das Geld bis zum Ende des Monats reicht. Das beobachtet Reinhard Eberst, Leiter der Diakonischen Bezirksstelle in Kirchheim. „Wir registrieren viele Anfragen von neuen Klienten“, sagt er. Viele dieser Anfragen drehten sich um die Stromrechnung. Die Zahl jener Menschen, die die Diakonie-Tafel auf den Fildern aufsuche, sei steil angestiegen. „Wir können es noch nicht recht abschätzen. Aber das sind schon erste Indikatoren“, sagt Eberst.

Er glaubt, dass durch die Krise viele Menschen in den Kreis der Anspruchsberechtigten rutschen werden, die noch nie zuvor staatliche Hilfe erhalten haben. „Das wird ihnen nicht leicht fallen“, sagt Eberst.

Zuschuss zum Heizen

Menschen, die Arbeitslosengeld II bekommen, können angesichts steigender Heizkosten relativ gelassen bleiben, denn das Jobcenter übernimmt die Kosten für angemessenes Heizen. Aber was ist mit Berufstätigen sowie Rentnerinnen und Rentnern, die keinen Anspruch auf Hartz IV haben, jedoch so wenig verdienen oder Rente erhalten, dass sie nie wirklich etwas auf die Seite legen konnten? Für all jene, die jetzt schon Angst vor Nachzahlungen haben, hat Reinhard Eberst eine gute Nachricht. „Auch Menschen, die bisher nicht Hartz IV bezogen haben, können vom Jobcenter einen einmaligen Heizkostenzuschuss erhalten“, sagt er. Der Antrag müsse formlos in dem Monat gestellt werden, in dem die Nachforderungs-Rechnung eingehe. „Es reicht, zu schreiben ‘Hiermit beantrage ich den Heizkostenzuschuss ...“, sagt Eberst. Das Jobcenter schickt anschließend einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II, der komplett ausgefüllt werden muss.

Das bestätigt Kerstin Fickus, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit Göppingen, auf Anfrage. Arbeitslosengeld II und Sozialgeld seien „Leistungen, die den Lebensunterhalt des Antragstellers und gegebenenfalls den Lebensunterhalt der mit ihm im Haushalt lebenden Angehörigen sicherstellen sollen, soweit ihr Einkommen und/oder Vermögen hierfür nicht ausreicht“. Eine selbst bewohnte angemessene Eigentumswohnung oder ein selbst bewohntes angemessenes Hausgrundstück würden dabei nicht zum verwertbaren Vermögen gezählt. „Nicht ausreichend bedeutet, dass der Bedarf nicht aus eigenen Kräften oder Mitteln gedeckt werden kann. Zu den Kosten der Unterkunft können auch Nachzahlungen für Heizenergie gehören“, sagt Fickus.

Angst vor der Stromrechnung

Die steigenden Strompreise hingegen stellen Empfänger von Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe vor große Herausforderungen, denn Strom ist im Regelsatz enthalten und wird nicht extra vom Jobcenter bezahlt. Von 446 Euro Grundsicherung, die ein Alleinstehender erhält, sind 38 Euro für Haushaltsstrom, Möbel und Wohnungs-Instandhaltung gedacht. „Dass der Strompreis sich erhöht hat, ist egal“, sagt Reinhard Eberst von der Diakonischen Bezirksstelle. Viele Menschen, die eine Stromnachzahlung erhalten, würden sich an seine Einrichtung wenden, weil sie nicht wüssten, wie sie die Rechnung bezahlen sollen. „Viele kommen erst, wenn schon die Strom-Abschaltung droht“, sagt Eberst. In diesem Fall könne das Jobcenter ein Darlehen gewähren. Dieses wieder abzustottern, wenn man nur Grundsicherung beziehe, sei aber schwierig, sagt Eberst.

Einrichtungen wie die Diakonische Bezirksstelle weisen seit Jahren darauf hin, dass der Regelsatz zu niedrig ist. Bald kommt das Bürgergeld, doch Reinhard Eberst ist der Meinung, dass es ebenfalls nicht hoch genug sein wird, um seinen Empfängerinnen und Empfängern ein wenig finanziellen Spielraum zu verschaffen. „Wir Träger der freien Wohlfahrtspflege fordern einen Regelsatz von 600 Euro, um die Existenz abzusichern“, sagt er. Aktuell gehe er davon aus, dass ein Alleinstehender 502 Euro Bürgergeld erhalten werde. „Es wäre schön, wenn man im Monat etwas beiseitelegen könnte, und seien es nur 30 Euro“, sagt Eberst. „Oder eine Haftpflichtversicherung abschließen. Oder die Tante in Buxtehude besuchen“. Für all das brauche es Spielräume. Und die gebe es im Regelsatz nicht.