Kirchheim

Erzieherin: „Spielen ist Lernen“

Interview Tanja Breckel erzählt, wie Kinder im Wald spielen und sich nebenbei eine Menge Wissen aneignen.

Tanja Breckel war Waldkindi-Erzieherin und Vereinsvorsitzende.
Tanja Breckel war Waldkindi-Erzieherin und Vereinsvorsitzende.

Wie funktioniert Lernen im Waldkindergarten?

Tanja Breckel: Die Kinder entdecken und begreifen, was in der Natur vor sich geht. Im Herbst sammeln sie Eicheln, um damit zu spielen und zu basteln. Im Frühling entdecken sie auf dem Waldboden den Keimling, der aus den Eicheln hervorschaut. Sie sehen die Bäumchen, die daraus entstehen. Wenn ein Baum umfällt, haben sie einen neuen Kletterbaum. Das sind Lernprozesse über natürliche Zusammenhänge, die nicht künstlich hergestellt werden müssen. Wer einen Regenwurm grob anfasst, erfährt selbst, wie verletzlich die Natur ist. Da müssen wir gar nicht mit dem moralischen Zeigefinger kommen. Einmal hat ein Kind ein totes Rehkitz gefunden. Wir sind mit den Kindern, die es wollten, immer wieder hingegangen. So haben die Kinder das Kitz in den verschiedenen Stadien der Verwesung gesehen, bis nur noch die Knochen da waren. Die haben wir dann mitgenommen und am Bauwagen ausgestellt.

Viele Kindergärten räumen immer weniger Zeit für Freispiel ein. Wie ist das im Wald?

Breckel: Freispiel hat in der Pädagogik generell einen hohen Stellenwert. Wenn das Kind nach Hause kommt und auf die Frage, was es gemacht hat, antwortet: „Ich habe gespielt“, dann sollte man sich eigentlich bei den Erziehern bedanken. Spielen ist Lernen. Kinder brauchen Freispiel, um zu verarbeiten, was sie erleben. Außerdem ist Freispiel positiv für die Sprachentwicklung, weil die Kinder im Spiel viel miteinander sprechen müssen.

Waldkindergärten werden oft mit dem Vorurteil konfrontiert, dass sie nicht auf die Schule vorbereiten.

Viele denken tatsächlich, dass die Kinder bei uns nur den ganzen Tag durch den Wald rennen. Stimmt gar nicht. Aber die, die es brauchen, können das tun. Vielleicht ist das auch der Grund, warum Waldkinder als Schulkinder im Schnitt besser still sitzen können als andere. Die haben ihren Bewegungsdrang drei Jahre ausgelebt. Bei Sozialkompetenz und Konzentrationsfähigkeit sind die Kinder laut dem Feedback ihrer Lehrer gleich gut oder signifikant besser. Die Feinmotorik wird im Wald sowieso trainiert. Die Kinder nehmen oft Stifte in den Wald mit. Das ist genauso selbstverständlich wie das Arbeiten mit Werkzeug. Zusätzlich gibt es ein Mal pro Woche den Bärentreff für Vorschulkinder mit speziellen Angeboten für diese Altersgruppe.  Antje Dörr