Kirchheim
Es brodelt in der katholischen Kirche

Kirche Engagierte Katholiken aus Kirchheim haben ihrem Frust Luft gemacht. Auslöser war ein Zeitungsinterview mit Bischof Gebhard Fürst. Von Peter Dietrich

Wir haben den Synodalen Weg gut verfolgt“, sagt Dieter Groß, Vorsitzender der katholischen Gesamtkirchengemeinde. Mit diesem Prozess verbinden sich viele Hoffnungen auf Reformen. Und jetzt das: In einem Zeitungsinterview hielt Bischof Gebhard Fürst den Zölibat hoch, lehnte mit Verweis auf den früheren Papst Johannes Paul II. Priesterinnen ab und sprach sich gegen eine „deutsche Sonderkirche“ aus. Da konnte auch des Bischofs Zusage, sich für das Diakonat der Frau einzusetzen, den Unmut der Kirchheimer Katholiken nicht dämpfen.

Der laute Ruf nach Reformen kommt nicht von denen, die mit Kirche schon lange wenig am Hut hatten. Er kommt von ganz innen: Die meisten der Gesprächsteilnehmer sind Kirchengemeinderäte, alle vor Ort engagiert. Der Zustand der Kirche brennt allen spürbar unter den Nägeln: Es ist eine verzweifelte Kritik an dem, was man im Grunde liebt. „Hat Bischof Fürst immer noch nicht verstanden, was in unserer Kirche gerade los ist?“, fragt Clemens Großmann. Seit Langem könnten die Gemeinden nicht mehr ausreichend mit Priestern versorgt werden. Der Zölibat habe schon viele Priester, die sich zu ihrer Partnerschaft bekannten, verhindert oder aus dem Amt getrieben. Jahrhundertelang habe die Kirche ohne Pflichtzölibat funktioniert. „Es ist ein unheiliges Relikt, das längst abgeschafft gehört. Die Engagierten in den Gemeinden ertragen die Hinhaltetaktik vieler Bischöfe nicht mehr.“ Was Großmann sehr wichtig ist: „Alle, die momentan austreten, weil sie an ihrer Kirche verzweifeln, sind weiterhin in unseren Gemeinden herzlich willkommen.“ Dieser Auffassung schließt sich die ganze Runde an.

 

„Die katholische Kirche ist dabei, sich selbst abzuschaffen.
Alfons Nowak

„Für mich ist vieles widersprüchlich“, sagt Gabi Schenkyr zum Bischofsinterview. Sein Aufruf zu einer glaubwürdigen Kirche höre sich „super“ an, doch wie gehe es weiter? Warum solle eine Frau Diakonin werden dürfen, aber keine Priesterin? Wenn der Diakon dem Priester nicht untergeordnet sein solle, sei er dann gleichgestellt? Wer etwas zum Umgang mit Frauen lernen wolle, müsse nur Jesus ansehen: „Er hat sich den Frauen zugewandt.“

Oskar Gulden stört der ständige Verweis auf die Weltkirche, ohne die sich nichts ändern lasse: „Das zementiert einen Reformstau. Weltkirchlich werden die Probleme, die wir hier in Deutschland haben, zu langsam gelöst.“ Er beobachtet die Vereinsamung, zu der der Zölibat bei vielen Priestern führt. Wiederverheiratete Geschiedene von der Kommunion auszuschließen, ist für ihn „ein Skandal“. „Es ist böse, sich hinter der Weltkirche zu verstecken“, sagt auch Pfarrer Franz Keil. Ein Bischof könne zum Beispiel sagen: „Bei mir gibt es jetzt Diakoninnen.“ Keil kritisiert auch, wenn Inder und Nigerianer die Lücken bei den Priestern füllen sollen. Bei aller Mühe täten sie sich in der Seelsorge in einer fremden Kultur und Sprache oft schwer.

Eugen Schmitt ist in der Pfalz in einer Gemeinde „mit mehr Katholiken als Einwohnern“ aufgewachsen. Früher habe jede Gemeinde zwei oder drei Kapläne gehabt: „Der Pfarrer war nicht allein.“ Heute sei er es, doch der Mensch brauche Gemeinschaft. Ihn stören „Machtgehabe und Politik“ in der Kirche, und „wenn Bischöfe Informationen durchstechen wie sonst in der CDU oder SPD“.

„Ich habe nichts anderes erwartet“, sagt Alfons Nowak zum Interview. „Die Äußerungen zum Zölibat waren politisch unklug, aber weniger unehrlich als sonst. Wer die Kirche als Institution sieht, sieht ein totalitäres Gebilde.“ Doch die Katholiken ließen sich das im 21. Jahrhundert nicht mehr bieten. Papst Franziskus habe manche Steilvorlage geliefert, sagt Gregor Spittel. „Warum hat die keiner aufgegriffen?“ Er teilt die Einschätzung von Alfons Nowak: „Es gibt viele Punkte, wo ich denke, die führen uns an der Nase herum.“ Stefan Zimmerer fragt sich, warum die katholische Kirche nicht einerseits am Zölibat als der „präferierten Lebensform“ von Priestern festhalten, aber zugleich die Entscheidung für den einzelnen Priester freigeben könne.

Es brodle an vielen Stellen, bestätigt ein reformwilliger Mann aus der Kirchenleitung, als er vom öffentlichen Kirchheimer Protest erfährt. „Es wird Zeit, dass dem Bischof die Topfdeckel ausgehen.“